Blog vom Klimakonferenz Kopenhagen Zürich. Wenn denn da draußen noch jemand ist, der oder die meinen Blog noch verfolgt, hier eine kleine Nachbereitung. War nun Kopenhagen das totale Scheitern, war es gar schlimmer als gar nichts, da die Uno respektive der klimapolitische Prozess im Uno-Rahmen geschädigt daraus hervor gehen (wie etwa der Klimaaktivist Bill McKibben und die Globalisierungskritikerin Naomi Klein meinen) - oder ist der Umstand, dass Länder wie China und die USA den Klimawandel immerhin als «eine der größten Herausforderungen unserer Zeit» anerkennen (so steht's im «Copenhagen Accord», dem Dokument, das die Kopenhagener Klimakonferenz «zur Kenntnis genommen» hat), schon etwas wert? Ich war unmittelbar nach Bekanntgabe des «Accord» in der Nacht zum Samstag extrem pessimistisch, und das war auch die Stimmung im Konferenzgebäude in jener Nacht. Auch in der Schweizer Delegation, vom technischen Delegationsleiter bis zum Mediensprecher, sprachen die langen Gesichter eine ganz andere Sprache als tags darauf Bundesrat Leuenberger in den Medien.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 14 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Telefongespräch mit Robert N. Stavins an der Harvard University, Professor für internationale Beziehungen und Spezialist für Klimapolitik. Ein paar eilige Fragen, ein paar eilige Antworten, kein ausgegorenes Interview:
Blog von der Klimakoferenz in Kopenhagen Bella Center, Kopenhagen. 3 Uhr morgens. Nach Mitternacht wieder im Konferenzzentrum. Lange Gesichter überall, auch bei den Schweizer Delegierten, die ich treffe. Frustration und Müdigkeit. Und Ratlosigkeit. Der Chef der Schweizer Delegation weiß noch nicht, was genau in dem ominösen Papier drin steht.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 16 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Endlich drin im Konferenzzentrum: Nach den ergeblichen Versuchen gestern genügten heute zwei Stunden warten in der Kälte und eine weitere im Zentrum drin. So verbrachte ich den heutigen Tag damit, mir einen Überblick zu verschaffen - das zumindest zu versuchen. Mit einem Medien-Briefing bei der Schweizer Delegation, Gesprächen mit verschiedenen Leuten, einem Inerview mit einer Vertreterin der Cookinseln (siehe die nächste Ausgabe der WOZ). Das Chaos haben die VeranstalterInnen noch immer noch richtig im Griff: Morgen beginnt die MinisterInnenrunde - die pompöse Eröffnungszeremonie ist soeben im Gang; eben hat Prinz Charles gesprodchen -; für die Schweiz reist Bundesrat Leuenberger im Extrazug an. Doch während die Staats- und Regierungschefs in den Limousinen in das Konferenzzentrum rein gefahren werden, gilt das für gewöhnliche MinisterInnen nicht - einige mussten bereits stundenlang in der Kälte werten (etwa der Minister von Samoa). Nun, hört man, weiß die Schweizer Delegation, ob und wie sie Leuenberger in das Konferenzzentrum rein bringt. (Leuenberger ist auf der SprecherInnenliste als «Vice President» geführt. Nun, das ist er - ab dem 1. Januar 2010. Da hat die Schweizer Delegation geflunkert in der Hoffnung, so komme Leuenberger leichter rein. Es hat ihm gebracht, dass er ein paar Positionen in der Liste der SprecherInnen nach vorn gerückt ist.)
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 21 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Das Auf uns Ab in den Verhandlungen könnte auch ein Wechselbad der Gefühle sein - immerhin beobachte ich hier von nahe, wie die Staatengemeinschaft der Uno zwischen totalem und halbem Scheitern, die Zukunft der Zivilisation zu retten, pendelt. Doch während meine Beschäftigung mit dem Klimawandel mich mitunter durchaus deprimierte, geht es mir hier nicht so. Weshalb?
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 14 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Nachdem sie während der Nacht und am Vormittag verhandelt haben, sprechen die Staats- und Regierungschefs jetzt (ab Mittag) im Plenum. Zu den ersten wichtigen Sprechern gehörten die Präsidenten Lula (Brasilien), Obama (USA), Medwedew (Russland) und die Premierminister Wen (China) und Singh (Indien).
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Kopenhagen, Bella Center. 16 Uhr. Der wie immer gut unterrichtete «Guardian» publiziert (hier der Entwurf als Faksimile, hier der Bericht dazu) einen «vertraulicher, sehr vorläufigen Entwurf» eines Berichts aus dem Uno-Klimasekretariat von heute, 11 Uhr, der sagt, der jetzt vorliegende (ebenfalls sehr vorläufige) Entwurf eines Abkommens respektive die bisher gemachten Zusagen würde zu einer Erwärmung der Erde um 3 Grad führen. Bemerkenswert daran ist nicht so sehr die Zahl von drei Grad: andere kommen auf noch weit pessimistischere Einschätzungen - climateinteractive.org kommt in seiner Berechnung auf 3,9 Grad - als vor allem, dass das ein Uno-Papier ist.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Kopenhagen, Bella-Center. 18 Uhr. Kein Gipfel ohne «Familienfoto». Heute war eine Stunde, von 12 bis 13 Uhr, dafür vorgesehen, erst danach hätten die Staats- und Regierungschefs in wenigen Stunden darüber beschließen sollen, was ihre MinisterInnen und Delegierten die zwei Wochen zuvor vorbereitet hatten. Tatsächlich haben sie nun bereits nach dem Bankett bei der Königin gestern um 23 Uhr ihre Arbeit aufgenommen - und sind noch lange nicht fertig. Um 18 Uhr - der Zeitpunkt, zu dem der Kopenhagener Gipfel hätte beendet sein sollen - läuft über die Bildschirme für die JournalistInnen die Meldung: «Das Familienfoto wird bis auf weiteres verschoben. Die Präsidentschaft hat entschieden, dass ein solches derzeit keine Priorität habe.» Einmal ein Zeichen von Vernunft!
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Kopenhagen Downtown (tcktcktck-Pressezentrum). 22 Uhr. Es gibt ein Resultat. Soeben (Freitag nach 22 Uhr) hat Präsident Obama an einer Pressekonferenz darüber orientiert. Das Ziel, eine Erwärmung um mehr als zwei Grad zu verhindern, ist festgehalten. Aber es ist kein völkerrechtliches («legally binding») Abkommen. Es handelt sich um nicht viel mehr als eine Absichtserklärung. Nichts spricht dafür, dass mit diesem Vertrag das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden kann.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Mittag. Kopenhagen Bella Center. Vor zehn Minuten hätte der Sprechermarathon der Umweltminister oder Regierungschefs von 193 Staaten beginnen sollen. Aber jetzt geht alles drunter und drüber. Nicht nur die Demo: Die Präsidentin der Konferenz, Connie Hedegaard, ist zurückgetreten. UNFCCC-Sekretär Ivo De Boer sieht sehr, sehr müde aus. Hedegaard wird ersetzt durch den dänischen Premierminister Rasmussen - nicht gerade ein Mann, der den Klimawandel ernst nimmt. Und einer, der bei den Entwicklungsländern im Ruf steht, zu USA-nah zu sein.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Mittag. Kopenhagen Bella Center. Eben komme ich von einer Pressekonferenz mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Das Interesse der Presse war natürlich riesig; umso mehr vielleicht noch, als sie zu einem Zeitpunkt stattfand, da die Stimmung auf einem Tiefpunkt angelangt ist.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 17 Uhr. Kopenhagen Bella Center. In der heutigen WOZ schreibe ich über die Situation der kleinen Inselstaaten. Hier eine Ergänzung: Ich komme soeben von der Pressekonferenz des Ministerpräsidenten Tuvalus Apisai Ielemia. Sein Statement war kurz und klar - viel gibt es nicht zu sagen. Ein paar Auszüge:
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 18 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Andreas Fischlin getroffen, den ETH-Klimaforscher in der Schweizer Delegation. Er hat die Nacht bis 3.30 Uhr früh durchverhandelt und sieht etwas mitgenommen aus. Dafür ist er vorsichtig zufrieden: Es ist gelungen, einen Entwurf für ein REDD-Abkommen auszuarbeiten, und darin spielt ein «s» eine wichtige Rolle. REDD iost einer der wichtigen Nebenschauplätze neben der Finanzierung und der Frage, welches Land wie viel Treibhausgase reduziert. Das Kürzel steht für «Reducing Emissions from Deforestation in Developing Countries», also Reduktion von Emissionen aus der Entwaldung in Entwicklungsländern. Dabei sei es namentlich gelungen, ein «s» einzufügen, gegen das sich vor allem die US-AmerikanerInnen lange gewehrt hatten. Doch erst etwas Hintergrundinformation:
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Kurz nach Mittag. Kopenhagen Bella Center. Um 11 Uhr plötzlich Lärm. Ich meine zuerst, irgendwo werde eine Demo per TV übertragen, doch dann rennen die Journalisten aus dem Pressezentrum raus. Draußen: vielleicht 200, 300 NGO-VertreterInnen (schwer zu schätzen, da sich unter ihnen sehr viele Journalisten befinden) und Delegierte, die sich (wie angekündigt) nach draußen begeben, um die DemonstrantInnen, die von draußen kommen und das Konferenzzentrum stürmen wollen, zu verstärken. (Die Polizei hat heute früh bereits ein paar Hundert AktivistInnen in der Stadt festgenommmen; die Metro fuhr nicht mehr bis zum Konferenzzentrum, die Polizei war nervös.)
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 18 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Die Interpretationen dessen, was hier an der Klimakonferenz abgeht, gehen weit auseinander. Eine extreme, aber bemerkenswerte Sicht vertritt der grüne deutsche Bundestagsabgeordnete und ehemalige Leiter des Berliner Büros des Wuppertal Instituts für Umwelt, Energie und Klima Hermann Ott: Kopenhagen ist nur Show, denn das Ergebnis steht schon fest - es wurde zwischen den Regierungen der mächtigsten Industrie- und Schwellenländer vorab ausgehandelt. Was ich davon halten soll? Keine Ahnung. Ich will es nicht glauben - aber lesen Sie selber!
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 12 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Die Blockade hier an der Kopenhagener Klimakonferenz hat unter anderem damit zu tun, dass Industriestaaten, namentlich die USA, sich bis heute weigern, verbindliche Zahlen auf den Tisch zu legen, wie viel Geld sie den ärmeren Ländern zu zahlen bereit sind - um sie für eine «Klimaschuld» zu entschädigen, die aus dem historischen Ausstoß von Treibhausgasen resultiert (die USA anerkennen keinerlei Schuld) und um den wirtschaftliche Schwächeren die Anpassung an den bereits erfolgten Klimawandel sowie auch die Maßnahmen zur Senkung der Emissionen zu ermöglichen. (Dagegen hat Japan soeben eine Zusage gemacht).
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 23 Uhr. Kopenhagen. Ab übermorgen beginnt an den Klimakonferenz die MinisterInnenrunde - bis dann sollte ein künftiges Abkommen so weit vorbereitet sein, ass nur noch wenige Details offen sind. Weit, weit ist man davon entfernt. Das zeigte unter anderem der heutige Auszug der Delegierten der Entwicklungsländer aus Protest. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob das Kioto-Abkommen weiter gelten solle oder nicht. Anders als oft geschrieben, läuft das Kioto-Protokoll nicht 2012 aus; dann ist lediglich die erste Verpflichtungsperiode des Protokolls zu Ende. Entwicklungsländer wollen Kioto beibehalten und werfen der dänischen Konferenzleitung vor, Kioto «töten» zu wollen.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 20 Uhr. Kopenhagen. Während an der Klimakonferenz fast nichts sich bewegt, ist rundherum viel los - und es gibt durchaus dieses Gefühl, dass da eine globale Bewegung entstanden ist - auch wenn in den Schweizer Medien (in der Schweiz allgemein) davon bislang zu spüren war. Hier im tcktcktck.org-Center, wo ich arbeite (solange ich nicht ins Bella Center rein komme), hängen an den Wänden Bilder von 350-Aktionen (350.org) rund um die Welt, und an den Bildschirmenwerden Videos gezeigt: Menschen, die vor den Pyramiden von Giseh, vor den Tempeln von Angkor Wat, auf Berggipfeln der Alpen wie des Himalaye, am Strand von Copacabana usw. die Zahl «350» bilden. 350 ppm: so viel Treibhausgase, schätzen WissenschaftlerInnen (die Zahl stammt ursprünglich vom Nasa-Klimatologen James Hansen) darf es in der Atmosphäre haben, um einen katastrophalen Klimawandel abzuwenden (siehe auch hier).
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 18 Uhr. Kopenhagen Downtown. Da drinnen findet die Konferenz statt - die «wichtigste seit dem Ende des 2. Weltkriegs», wie der britische Ökonom Nick Stern sagt; andere überbieten das noch - der britische Umweltminister Ed Miliband spricht von «Jalta plus Bretton Woods mal Reykjavik» -, und ich steh draußen. Gestern in Kopenhagen angekommen, erfuhr ich, dass die Registrierungsstelle im Bella Center, wo die Klimakonferenz stattfindet, geschlossen sei. Heute früh um 8 Uhr dort, fand ich eine 500 Meter lange Schlange vor, stellte mich ein, kam langsam vorwärts bis gegen den Eingang - und dann ging gar nichts mehr.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Mittag. Im Zug kurz vor Kopenhagen. Vieles hat sich getan die letzte zwei Tage seit meinem letzten Blog-Eintrag: Seit Freitag liegt ein neuer Entwurf für ein Abkommen auf dem Verhandlungstisch, der bei BeobachterInnen vorsichtigen Optimismus auslöst - er zielt in die richtige Richtung, wenn er auch zu wenig weit in diese Richtung zeilt und viele der strittigsten Punkte noch offen lässt. Es gab schon mehrere Eklats, etwa um einen Vorstoß des Inselstaats Tuvalu, für den der Klimawandel eine Frage von Sein oder Nicht-Sein ist - Tuvalu wird mit seinem Anliegen, als Ziel der Klimapolitik eine maximale Erwärmung von 1,5 statt 2 Grad anzustreben, nach eigenen Angaben von 130 Ländern unterstützt, wobei die führenden Staaten der Verhandlungsgruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer, G77 - namentlich Indien und China -, Tuvalu nicht folgen wollen.
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AutorMarcel Hänggi Themen
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