Was das moderne Eigentumsrecht mit Nachhaltigkeit zu tun hat (oder eben nicht). – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 5. Oktober 2016 Vor einiger Zeit hörte ich einen Vortrag des emeritierten HSG-Professors und Doyens der ökologischen Wirtschaftsforschung in der Schweiz, Hans Christoph Binswanger. Der 87-Jährige ist gebrechlich, aber von stupender Präsenz auf der Bühne. Er sprach über ein Thema, dem er schon 1985 sein hervorragendes Buch «Geld und Magie» widmete und das er in seinem soeben erschienen Essayband «Die Wirklichkeit als Herausforderung» wieder aufgreift: Goethes «Faust». Binswanger liest die Tragödie als hellsichtige Analyse einer Wirtschaft, die mit des Teufels Hilfe plattwalzt, was sich ihr in den Weg stellt. Die Kernthese des FDP-Mitglieds (!): Die moderne Geldökonomie ist die Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln. Sie «zaubert» Mehrwert scheinbar aus dem Nichts, tatsächlich aber auf Kosten der Umwelt – und davon handelt der «Faust».
Serge Latouche ist der Vordenker der französischen Décroissance-Bewegung, die das Wachstum zurückfahren will. Im Interview mit der Wochenzeitung verrät er, warum er nicht an einen verträglichen Kapitalismus glaubt und weshalb er als Ökonom nicht viel von der Ökonomie hält. – WOZ Die Wochenzeitung vom 9. April 2015. WOZ: Herr Latouche, wenn sich WachstumsbefürworterInnen und -kritikerInnen streiten, überzeugen mich meist beide Seiten – immer dann, wenn sie erklären, wieso ihr Gegenüber irrt: Es leuchtet ein, dass es kein unendliches Wachstum in einer endlichen Welt geben kann. Aber es leuchtet auch ein, dass die Wirtschaft ohne Wachstum nicht funktioniert.
Serge Latouche: Das ist richtig. Wir leben in einer Wachstumsgesellschaft, die auf der Wachstumsökonomie beruht. Und eine Wachstumsgesellschaft ohne Wachstum, das geht tatsächlich nicht. Vielerorts wächst die Wirtschaft heute aber nicht mehr oder kaum mehr. Doch die Politik will das nicht sehen, und so fährt man fort, vom Wachstum zu sprechen, das man wieder ankurbeln müsse, statt eine neue Gesellschaft zu denken. Das wäre ein grosser Sprung – aber er ist unausweichlich. Die »Zeit« hat mein Buch in einer Sammelrezension in ihrer Literaturbeilage vom Februar besprochen. Jetzt ist die Besprechung online verfügbar.
Literaturredakteurin Elisabeth von Thadden bespricht drei Bücher, die der gängigen Erzählung von der Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums etwas entgegen setzen: Pierre Rabhis »Glückliche Genügsamkeit«, mein »Fortschrittsgeschichten« sowie Alberto Acostas »Buen vivir«; dazu eher beiläufig noch Wolfgang Schivelbuschs »Das verzehrende Leben der Dinge. Versuch über die Konsumption«. »Sie [Rabhi, Hänggi und Acosta] sind weder unfroh noch bitter, weder technik- noch wissenschaftsfeindlich, weder utopisch noch unpolitisch, und sie kommen ohne Tugendterror und Zwangsbeglückung aus«, schreibt von Thadden. »Ihr Realismus ist dem der Realpolitiker um Nasenlängen voraus, weil sie von der Endlichkeit der Ressourcen, der Erschöpfung der Böden, der Belastung der Gewässer und der Überhitzung des Klimas als harten Tatsachen ausgehen.« Es heißt, die SVP-Abschottungsinitiative vom 9. Februar habe die Wachstumsfrage gestellt, und Ecopop stelle sie – radikaler – noch einmal. Und so hätten wir denn, wie es der «Tages-Anzeiger» formulierte, die Wahl zwischen der (wachstumsfreundlichen) «Ehrgeiz-Schweiz» und der (wachstumskritischen) «Ballenberg-Schweiz». Aber das ist Unsinn. SVP und Ecopop sabotieren eine dringend nötige Debatte. Gerade wer wachstumskritisch denkt, muss zu Ecopop Nein sagen. Worauf müssen wir verzichten?«Die Zeit» (Schweiz) vom 4. April 2014
Von Marcel Hänggi Die Wirtschaft muss wachsen! Über kaum ein Ziel ihrer Politik sind sich die Regierungen der Welt so einig wie über dieses. Dafür gibt es gute Gründe: Ohne Wirtschaftswachstum steigt die Arbeitslosigkeit, kollabieren die Sozialwerke, kann der Schuldendienst nicht mehr geleistet werden. Und: Ohne Wachstum kann man nicht den Armen versprechen, sie würden eines Tages genug bekommen, ohne gleichzeitig den Reichen etwas wegzunehmen. Wirtschaftswachstum ist ökonomische Notwendigkeit und politisches Sedativum. Dampfmaschine und Machtstruktur Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil IV meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ. «Technik ist der Kunst näher verwandt als der Wissenschaft», hat der amerikanische Ingenieur Cyril Stanley Smith einmal geschrieben. – Dass Technik als Anwendung aus der Wissenschaft hervorgeht, ist eher die Ausnahme als die Regel. Häufiger geht sie der Wissenschaft voraus. Paradebeispiel ist die Dampfmaschine. Thomas Newcomen, der vor genau 300 Jahren die erste funktionstüchtige Dampfmaschine baute, war Schmied: dem Künstler näher als dem Wissenschafter. Andere vor ihm hatten versucht, die Dampfkraft zu nutzen, aber erst Newcomen erreichte die nötige Präzision der Kolben, Ventile und Dichtungen. Wohl profitierte er von der Wissenschaft – aber von deren praktischen Erfahrungen: Naturforscher experimentierten schon länger mit Luftdruck und Vakuum und liessen entsprechende Geräte bauen. Die Theorie der Thermodynamik indes folgte erst anderthalb Jahrhunderte nach der ersten thermodynamischen Maschine. In der Sendung «Seitenweise Wirtschaft», das Büchermagazin von NZZ online, stellt Rolf Dobelli mein Buch «Ausgepowert» vor. «Marcel Hänggi hat ein hervorragendes Buch geschrieben über das Ende der billigen Energie. (...) Der Autor stellt sich auch eine Frage, die ist fast bei keinem anderen Buch zu finden: Wollen wir überhaupt das Erdöl ersetzen, oder wäre es nicht schlauer mal darüber zu hirnen, ob wir mit weniger Energie nicht besser leben würden. (...) Auch hervorragend dargestellt ist, was abläuft mit den verschiedenen Energieträgern. (...) Dieses Buch sollte man lesen, wenn man mit der politischen Energiedebatte mitreden will: da sind die Fakten drin, es hat sehr sehr gute Thesen, und es ist gut geschrieben; es ist auch sehr glaubhaft.» Rolf Dobelli Was, wenn sich die weltweite Wirtschaftskrise nicht mit neuem Wachstum überwinden lässt und Schuldenlöcher nicht mit neuen Schulden gestopft werden können? Drei Gespräche mit wachstumsskeptischen Fachleuten. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. November 2011
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen Zürich. Am Klimagipfel in Kopenhagen gehen die meisten davon aus, dass Klimaschutz nicht schmerzen muss: Die Wirtschaft könne weiter wachsen, nur etwas grüner. Anders sieht das Klimaexperte Marcel Hänggi. «Tagesgespräch» auf Radio DRS1: Marcel Hänggi zu Gast bei Susanne Brunner
online hören Die Industrie plant den Verschleiss ihrer Produkte. Von wechselnden Moden über eingebaute Sollbruchstelle bis zum Versprechen der «grünen Technologie» hat diese Strategie viele Gesichter. – «Der kleine Bund» vom 24. Januar 2009 (> zum Artikel als PDF)
Vor gut hundert Jahren, im September 1908, verliess das erste Modell T von Ford die Fabrik. 15 Millionen Stück des legendären Autos wurden bis 1927 hergestellt. Das Erfolgsrezept war einfach: Das Modell T war billig und gut. Doch damit war auch die Grenze des Erfolgs abgesteckt: Irgendwann würden alle eines haben, und so schnell brauchten sie kein neues – denn das Auto war unverwüstlich. |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
Alle
|