Im Abstimmungskampf um das Energiegesetz werden Fortschrittsmythen sichtbar. – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 9. Mai 2017 Das Energiegesetz, über das wir am 21. Mai abstimmen, ist kein Wurf, und für das, was das Gesetz bewirken wird, ist «Energiewende» ein zu grosses Wort. Und doch handelt es sich um einen Richtungsentscheid mit grosser Signalwirkung. Bei allen Detailargumenten: Letztlich geht es um die Glaubensfrage, ob die Politik in den Energiemarkt eingreifen soll oder ob sich die beste Energietechnik dann durchsetzt, wenn man den Markt gewähren lässt.
Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie sehr unsere Städte einst stanken. Werden sich unsere Nachfahren die heutigen Auto-vermüllten Städte noch vorstellen können? – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 4. April 2017 Im Sommer 1858 stank es in London. Das war an sich nichts Besonderes: Alle grossen Städte stanken zum Himmel. Aber wenn ein Sommer unter dem Namen «the Great Stink» in die Annalen eingeht, muss es schon besonders fürchterlich gestunken haben. Erneuerbare werden rasant billiger. Werden sie die fossilen Energien nicht einfach von sich aus verdrängen? Wird der Markt unser Klimaproblem lösen? – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 28. Februar 2017 Die Schweizer Umweltpolitik wird in diesem Jahr in der Schweiz viel Anlass geben, über die Rolle des Marktes zu streiten – wenn der Nationalrat in der aktuellen Session über das Klima- und Energielenkungssystem debattiert, anlässlich der Referendumsabstimmung zum Energiegesetz am 21. Mai oder im Zusammenhang mit der Revision des CO2-Gesetzes ab der Wintersession. Ein Hauptargument gegen umweltpolitisches Handeln wird immer lauten: Der Markt funktioniert zum Wohle aller, wenn man ihm nur freies Spiel lässt; politische Eingriffe sind unnötig. Eine der bemerkenswertesten technischen Erfindungen kann Jubiläum feiern: 2017 wird das Fahrrad 200. – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 24. Januar 2017 Nein, ich mag nicht darüber schreiben, wovon dieser Tage alle reden – kein T-Wort in diesem Text! –, und will mich Erfreulicherem widmen. Heuer feiert (rechnet man ihre Vorgängertechniken dazu) eine der bemerkenswertesten Erfindungen der Technikgeschichte ihren 200. Geburtstag: das Fahrrad. Der Klimawandel beschleunigt sich. Hat die Menschheit überhaupt noch eine Chance, davonzukommen – oder ist es schon zu spät? Eine Antwort mit Blaise Pascal. – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 13. Dezember 2016 Blaise Pascal (1623-1662) war ein gläubiger, aber ein zweifelnder Mensch. Existiert Gott? Philosophen seiner Zeit stellten das herkömmliche Gottesbild infrage und ersetzten es durch ein rationalistisches: Gott hatte die Erde geschaffen und in Gang gesetzt wie ein Uhrmacher seine Uhr und liess sie nun ablaufen, ohne weiter in sie einzugreifen. Pascal argumentierte ebenfalls rationalistisch, aber ganz anders, nämlich gewissermassen versicherungsmathematisch: Er stellte den Gottesglauben als eine Wette dar. Wettete man auf Gottes Existenz, nahm man die Mühen in Kauf, gottesfürchtig leben zu müssen – was man nicht musste, wenn man nicht an Gott glaubte. Doch der erwartbare Gewinn war für den Gottesgläubigen auf jeden Fall grösser: Gibt es Gott tatsächlich und der Gottesgläubige gewinnt die Wette, gewinnt er nach dem Tod das Himmelreich. Verliert er die Wette, ist er nach dem Tod eben tot. Der Ungläubige aber ist genauso tot, wenn er gewinnt – dagegen riskiert er die Hölle, wenn er verliert. Es ist also vernünftig, an Gott zu glauben. Ist es vernünftig, an das Überleben der menschlichen Zivilisation zu glauben? Wie will man Klimaleugner überzeugen, wenn sie die Lüge bewusst wählen? – «Politblog» auf «Newsnet» vom 15. November / «Tages-Anzeiger» vom 16. November 2016 Man sagt nichts Originelles, wenn man feststellt, dass ein Präsident Trump das Schlimmste ist, was der globalen Klimapolitik zustossen konnte. Dabei hat der Monat so gut begonnen: Am 4. November trat das Klimaabkommen von Paris in Kraft, das die Erderwärmung auf deutlich unter 2 und wenn möglich auf 1,5 Grad begrenzen will. Drei Tage später begann die Uno-Klimakonferenz in Marrakesch, über die Umsetzung des Abkommens zu beraten. «Paris» war ein grosses Versprechen, auch wenn immer klar war, dass es noch vieler harter Kämpfe bedürfe, bis die Regierungen ernst nehmen, was sie unterzeichnet haben.
Wenn Liberale, die Subventionen sonst ablehnen, ausgerechnet die Atomenergie mit aller Kraft verteidigen, dann geht es um eine Glaubensfrage. – «Politblog» auf «Newsnet» vom 31. Oktober / «Tages-Anzeiger» vom 1. November 2016 Ende Monat stimmen wir wieder einmal über eine Glaubensfrage ab. Für ihre Gegner ist der Widerstand gegen die Atomkraft identitätsstiftend, und das ist schnell erklärt: Er stand an der Wiege der modernen Umweltbewegung als einer Bewegung, die gesellschaftspolitisch denkt, statt nur «unberührte Natur» schützen zu wollen wie die ältere Naturschutzbewegung. In den USA bildete sich die Umweltbewegung um 1970 im Widerstand gegen Pläne der Regierung, wider jede ökonomische Vernunft zivile Überschallflugzeuge zu bauen. Die selbe Rolle spielte in Teilen Europas die Atomkraft. Als grünes Ur-Anliegen ist die Ablehnung der Atomkraft so dominant, dass der Kampf gegen Erdöl, Erdgas und Kohle in der ökologisch motivierten Energiedebatte manchmal etwas zu kurz kommt. Aber warum ist die Atomkraft auch für ihre Befürworter eine Glaubensfrage? Was das moderne Eigentumsrecht mit Nachhaltigkeit zu tun hat (oder eben nicht). – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 5. Oktober 2016 Vor einiger Zeit hörte ich einen Vortrag des emeritierten HSG-Professors und Doyens der ökologischen Wirtschaftsforschung in der Schweiz, Hans Christoph Binswanger. Der 87-Jährige ist gebrechlich, aber von stupender Präsenz auf der Bühne. Er sprach über ein Thema, dem er schon 1985 sein hervorragendes Buch «Geld und Magie» widmete und das er in seinem soeben erschienen Essayband «Die Wirklichkeit als Herausforderung» wieder aufgreift: Goethes «Faust». Binswanger liest die Tragödie als hellsichtige Analyse einer Wirtschaft, die mit des Teufels Hilfe plattwalzt, was sich ihr in den Weg stellt. Die Kernthese des FDP-Mitglieds (!): Die moderne Geldökonomie ist die Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln. Sie «zaubert» Mehrwert scheinbar aus dem Nichts, tatsächlich aber auf Kosten der Umwelt – und davon handelt der «Faust». Befürworter und Gegner der Initiative scheinen sich erstaunlich einig darin, dass der «Lebensstil» nicht zur Disposition steht. – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 9. September 2016 Die Promotoren der «Grünen Wirtschaft» geben sich alle Mühe, ihre Initiative als Innovationsförderungs- und auf keinen Fall etwa als Konsumverzichts-Anliegen zu präsentieren: «Es geht um ‹besser produzieren›, nicht um ‹weniger konsumieren›», schreiben sie in ihrem Argumentarium. Ihre Gegner werfen ihnen Verharmlosung vor. Die Ziele der Initiative liessen sich nicht ohne Lebensstiländerung erreichen, weshalb sie abzulehnen sei.
Umweltschutz und Freiheit können in Konflikt geraten. Aber es gibt keine Freiheit ohne Konflikte. – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 23. August 2016 Die Wirtschaft soll nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als uns unser einziger Planet zur Verfügung stellt: Gegen diese Forderung der Volksinitiative «Für eine grüne Wirtschaft» kann man vernünftigerweise gar nicht sein. Doch die Initiativgegner sehen sie als freiheitsfeindliche Zwängerei. Das Bild von der grünen Zwangsjacke, das sie verwenden, ist natürlich Abstimmungskampf-Übertreibung. Aber richtig ist: Zwischen Freiheit und Umweltschutz gibt es Zielkonflikte. Muss man sich also entscheiden: freiheitlich in den Ökokollaps oder ökologisch in die Diktatur? Umweltschutz ist kein per se linkes Anliegen. Warum aber leugnen die neuen rechten Bewegungen alle den Klimawandel? – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 7. Juni 2016
Das Klimaabkommen von Paris ist unterzeichnet. Was zu tun wäre, wenn man es ernst nähme. – «Politblog» auf «Newsnet» vom 6. Mai 2016 / «Tages-Anzeiger» vom 7. Mai 2016 Am 22. April hat Doris Leuthard am UNO-Hauptsitz für die Schweiz das im Dezember ausgehandelte Pariser Abkommen unterzeichnet. Vier Wochen zuvor gab der Bundesrat bekannt, wie er sich die Zukunft der schweizerischen Klimapolitik vorstellt. Er zeigte damit, dass er nicht verstanden hat, was man in Paris ausgehandelt und in New York unterzeichnet hat. Die globalen Umweltveränderungen bringen zeitliche Grössenordnungen durcheinander. Das ist beängstigend – aber macht vielleicht auch ein bisschen frei. – «Politblog» auf «Newsnet» vom 29. März 2016 und «Tages-Anzeiger» / «Bund» vom 30. März Wer sich mit dem Zustand der Umwelt befasst, hat selten genug etwas zu lachen – der globale Temperaturrekord des vergangenen Monats beispielsweise ist furchterregend. Ich will meinen ersten Umweltbeitrag im Politblog deshalb mit einem Witz beginnen: Fragt der Museumsbesucher den Aufseher, wie alt das ausgestellte Mammutskelett sei. «Hunderttausend und acht Jahre.» – «Woher wissen Sie das so genau?» – «Als ich eingestellt wurde, war es hunderttausend Jahre alt, und ich arbeite jetzt seit acht Jahren hier.» Eine Motion im Nationalrat will die Zenbrastreifen-Benutzungspflicht aufheben. Aus diesem Anlass: eine kurze Geschichte einer Disziplinierungs falschen Freundes der Fussgänger. – «Newsnet»-Politblog sowie «Tages-Anzeiger» und «Bund» vom 15. März 2016 Eine Motion von Nationalrat Jürg Grossen will die den Zwang aufheben, beim Überqueren einer Strasse einen Zebrastreifen zu benützen, sofern sich in weniger als 50 Metern Entfernung ein solcher befindet (die Motion hätte gestern beraten werden sollen, das wurde nun aber verschoben). Der Vorstoss erinnert daran, was Zebrastreifen eigentlich sind – und daran, wie viel es brauchte, bis der Autoverkehr gesellschaftlich akzeptiert war.
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AutorMarcel Hänggi Themen
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