Eigentlich müsste «nachhaltige Wirtschaft» ein Pleonasmus sein. Ist es aber nicht. Ein Grund sind Verständnisprobleme zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. – Horizonte / Horizons Nr. 114, September 2017 Die Wirtschaft soll den Menschen ein gutes Leben ermöglichen: Dieser Aussage würden wohl die meisten Wissenschaftler und Politiker zustimmen. Und wenn man mit «den Menschen» auch künftige Generationen meint, so sollte «nachhaltige Wirtschaft» eigentlich ein Pleonasmus sein: Eine nicht nachhaltige Wirtschaft verfehlt ihren Zweck. Schliesslich bedeutet «Ökonomie» im ursprünglichen Sinn die Lehre der guten Haushaltsführung.
Erneuerbare werden rasant billiger. Werden sie die fossilen Energien nicht einfach von sich aus verdrängen? Wird der Markt unser Klimaproblem lösen? – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 28. Februar 2017 Die Schweizer Umweltpolitik wird in diesem Jahr in der Schweiz viel Anlass geben, über die Rolle des Marktes zu streiten – wenn der Nationalrat in der aktuellen Session über das Klima- und Energielenkungssystem debattiert, anlässlich der Referendumsabstimmung zum Energiegesetz am 21. Mai oder im Zusammenhang mit der Revision des CO2-Gesetzes ab der Wintersession. Ein Hauptargument gegen umweltpolitisches Handeln wird immer lauten: Der Markt funktioniert zum Wohle aller, wenn man ihm nur freies Spiel lässt; politische Eingriffe sind unnötig. Im Dezember wollen die Uno-Mitglieder in Paris einmal mehr versuchen, die Klimakatastrophe abzuwenden. Eine wichtige Diskussionsgrundlage bietet ihnen dabei der Bericht des Weltklimarats IPCC. Dieser sagt: Das Ziel ist erreichbar – aber nur unter unrealistischen Annahmen. Doch was taugt die Arbeit des hochgleobten Gremiums, wenn es um Lösungen geht? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 8. Oktober 2015 und «Telepolis» vom 28. November 2015. Wenn sich die Uno-Mitglieder im Dezember in Paris treffen, haben sie eine klare Zielvorgabe: Sie sollen ein Abkommen auf den Weg bringen, das geeignet ist, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf 2 oder allenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das überhaupt noch zu erreichen? Manche meinen nein. Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, hat die 2-Grad-Grenze als ein «nettes Utopia» bezeichnet (das so nett notabene nicht wäre – schon bei 2 Grad Erwärmung wären viele Folgen verheerend). DER NEUE IPCC-BERICHT – Die Katastrophe kann abgewendet werden, sagt der neue Bericht des Weltklimarats. Bloss: Realistisch scheint das nicht. Um weiter hoffen zu können, müsste man das Denkparadigma der ökonomischen Wissenschaften verlassen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. April 2014 «Dieser Bericht zeigt auf, wie gross die Herausforderung ist», sagte Ottmar Edenhofer vor den Weltmedien. «Er bietet aber auch Anlass zu Hoffnung», fuhr er fort, um gleich zu präzisieren: «zu bescheidener Hoffnung.»
Was, wenn sich die weltweite Wirtschaftskrise nicht mit neuem Wachstum überwinden lässt und Schuldenlöcher nicht mit neuen Schulden gestopft werden können? Drei Gespräche mit wachstumsskeptischen Fachleuten. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. November 2011
Rezension von Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter. Frankfurt/Main 2011. 303 Seiten. – »Die Zeit« vom 15. September 2011 Wer hat nicht alles in jüngster Zeit die Energierevolution ausgerufen. Doch wie inhaltleer ist dieser Revolutionsbegriff allzu oft – verstehen die meisten darunter doch einzig technische Erneuerung, Ersatz »dreckiger« Energien durch »saubere«, Steigerung der Energieeffizienz. Was ungefähr so revolutionär ist, als hätte man anno 1789 in Paris gefordert, das Volk effizienter auszubeuten. Nicht so Jeremy Rifkin. Die vom vielschreibenden amerikanischen Soziologen beschworene Revolution soll ihren Namen verdient haben und »jeden Aspekt unseres Lebens fundamental verändern«. Rifkin fragt, was eine echte Energiewende für die Macht-, die Eigentumsverhältnisse, für unsere Beziehungen untereinander und zur Umwelt heißen müsste. Allein dafür möchte man sein Buch aus einem Meer technokratischer Bücher lobend hervorheben. Das Geschäft mit den CO2-Abgaben ist schwer zu durchschauen. Wie funktioniert er im Detail – und hilft er tatsächlich gegen den Klimawandel? – «NZZ Folio» Nr. 3 (März) 2010 Block 5 des Kraftwerks Hafen in Bremen ist ein mittelgrosses Kohlekraftwerk, das Strom und Wärme für den Westteil der Stadt liefert, die eine halbe Million Einwohner zählt. 2008 pustete Block 5 bei der Energieerzeugung 703 762 Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Luft. Die Zahl ist im Emissionshandelsregister des deutschen Umweltbundesamtes publiziert. Tra Linh 3 ist ein kleines Flusskraftwerk in Vietnam, das dereinst jährlich 14 853 Tonnen CO2 vermeiden soll. Diese Zahl ist zwar einigermassen hypothetisch – das Kraftwerk ist noch gar nicht in Betrieb –, aber für die Stadtwerke Bremen ist sie wichtig: Sie benötigen seit 2005 Berechtigungen, um CO2 ausstossen zu dürfen. Und weil sie in Tra Linh 3 investieren, dürfen sie das dort eingesparte CO2 mit den eigenen Emissionen verrechnen. CO2, ob ausgestossen oder vermieden, ist eine Handelsware. Rezension von Kathrin Hartmann: Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt. Karl Blessing, München 2009, sowie Franz Alt / Peter Spiegel: Gute Geschäfte. Humane Marktwirtschaft als Ausweg aus der Krise. Aufbau, Berlin 2009. – «Die Zeit» vom 17. September 2009 Nehmen wir mal an, die Menschheit kriegt die Kurve nicht. Die Pole schmelzen, der Meeresspiegel steigt. Die Erträge der Landwirtschaft brechen ein, Hungersnöte und Ressourcenkriege prägen die Welt. Was sehen die Historiker der Überlebenden, wenn sie auf unsere Zeit zurück blicken? Sie sehen eine Gesellschaft, die sich der Gefahr bewusst ist, die aber – statt den Kurs zu wechseln – »eine Million Bäume« pflanzt und das als Erfolg feiert, während die Tropenwälder schwinden. Sie sehen, wie Automobilkonzerne für jedes verkaufte Auto, jeden neuen Sargnagel des Klimas, einen Baum spendieren. Und sie sehen Menschen, die solche Konzerne zu Botschaftern ihrer Umweltsorgen machen. Hans-Werner Sinn, der «Papst des Neoliberalismus», kritisiert die Klimapolitik - und trifft den Nagel auf den Kopf. Man sollte ihn ohne falsche Ängste lesen. – Rezension von «Das grüne Paradoxon» in der «WOZ Die Wochenzeitung» vom 5. März 2009 Ende dieses Jahres soll in Kopenhagen das neue Abkommen gegen den Klimawandel verabschiedet werden. Dass das erste solche Abkommen, das Kioto-Protokoll, es nicht schaffen wird, die Emissionen zu senken, ist jetzt schon klar. Das liegt sicher nicht daran, dass nichts geschähe. Es geschieht das Falsche: Statt den Klimawandel zu stoppen, scheinen viele Massnahmen lediglich dazu geeignet, aus der vorgeblichen Bekämpfung des Klimawandels Profit zu schlagen. Die Industrie plant den Verschleiss ihrer Produkte. Von wechselnden Moden über eingebaute Sollbruchstelle bis zum Versprechen der «grünen Technologie» hat diese Strategie viele Gesichter. – «Der kleine Bund» vom 24. Januar 2009 (> zum Artikel als PDF)
Vor gut hundert Jahren, im September 1908, verliess das erste Modell T von Ford die Fabrik. 15 Millionen Stück des legendären Autos wurden bis 1927 hergestellt. Das Erfolgsrezept war einfach: Das Modell T war billig und gut. Doch damit war auch die Grenze des Erfolgs abgesteckt: Irgendwann würden alle eines haben, und so schnell brauchten sie kein neues – denn das Auto war unverwüstlich. ÖKOLOGISCHE ÖKONOMIE – Es gibt eine Wirtschaftswissenschaft jenseits von Kosten-Nutzen-Analysen und Wachstumsglaube. Sie hat mehr Fragen als Antworten. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. Juni 2007 Leipzig im Juni ist voll von Lindenblütenduft, das Wetter ist prächtig, und das Bach-Festival bietet Erstklassiges. Im Hörsaal des Umweltforschungszentrums fordert eine Referentin: «Wir brauchen eine Kultur der Faulheit.» Die ZuhörerInnen applaudieren, aber statt sich unverzüglich in einem Leipziger Park faul ins Gras zu legen, schwärmen sie zu den nächsten Vorträgen.
Der Handel mit CO2-Emissionsrechten gilt vielen als Königsweg zur Emissionsreduktion. Wie funktionert der Handel? Was bringt er? Was sind seine Nachteile? Eine dreiteilige Serie in der «WOZ Die Wochenzeitung». Teil I: Gerecht geht nicht (WOZ vom 29. März 2007) Wer Emissionsbegrenzungen mit einem Markt verbindet, ermöglicht effizienteren Klimaschutz. Sagt die Theorie. Die ersten Erfahrungen lassen zweifeln. Link zum Artikel Teil II: «Klimaschutz kann Ihr Klima gefährden» (WOZ vom 5. April 2007) Klimaschädigende Emissionen können kompensiert werden. Wirklich? Was genau kaufen wir eigentlich, wenn wir «Kompensationen» kaufen? Link zum Artikel Teil III: Der Preis der Verschmutzung (WOZ vom 12. April 2007)
Emissionshandel erscheint heute als zwingend in der Klimadiplomatie. Dabei ist er einer ganz bestimmten Ideologie verpflichtet. Man könnte auch anders. Link zum Artikel Sie waren Händler, Fabrikanten, finanzierten den englischen Staatshaushalt und die neapolitanische Armee: die italienischen Multis des 14. Jahrhunderts. Doch dann kam es zum grossen Knall. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 04. Januar 2007 sowie (gekürzt): «Die Zeit» Nr. 40/2008 Hätten sie die Mentalität des 20. Jahrhunderts gehabt und wäre es nicht verboten gewesen, sich das Leben zu nehmen (es war auch verboten, Zins zu nehmen, aber dieses Verbot liess sich leichter umgehen) – es hätten sich in den 1340er Jahren vielleicht einige Bardi, Peruzzi oder Acciaiuoli vom Baugerüst des Campanile in die Gassen der Finanzmetropole Florenz gestürzt – so, wie VerliererInnen des «Schwarzen Freitags» von 1929 aus Bürohochhäusern von Manhattan sprangen. Die Welt erlebte den umfassendsten Bankencrash der Geschichte. Zwischen Ende 1343 und Anfang 1346 gingen die drei grössten Finanzdienstleister der Christenheit, allesamt mit Hauptsitz in Florenz, bankrott. Während der zwei Jahrzehnte zuvor hatten bereits eine Reihe kleinerer und mittelgrosser Häuser den Geist aufgegeben. |
AutorMarcel Hänggi Themen
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