> Videomitschnitt des Vortrags auf Youtube (50 Minuten)
Vortrag auf Einladung des österreichischen Umweltbundesamts und der Universität für Bodenkultur (BoKu) am 17. März 2016 in Wien in der Reihe «Mut zur Nachhaltigkeit». 2016 ist das Uno-Jahr der Hülsenfrüchte. Auch wenn das kaum jemand wusste: Hülsenfrüchtler (Leguminosen) sind nicht nur für die Ernährung sehr wichtig. Ihr gezielter Anbau – in Europa ab ungefähr 1500, auf anderen Kontinenten teilweise schon sehr viel früher – war eine der ganz großen Innovationen der Menschheitsgeschichte. Und doch ist an der landläufigen Fortschrittsgeschichte der «Agrarrevolution», die durch die gezielten Fruchtfolge mit Leguminosen in Gang kam, vieles schief. Die Rede von den «fortschrittlichen» und den «rückständigen» Anbausysteme verstellt den Blick darauf, dass die Geschichte der (Kultur-) Techniken immer Alternativen kennt und nie geradlinig verläuft.
> Videomitschnitt des Vortrags auf Youtube (50 Minuten) Das schweizerische Anbaumoratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen läuft im November 2013 aus. Die Debatte um eine befristete Verlängerung spaltet auch Wissenschaft und Forschung. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 6. September 2012 Vergangene Woche hat das Nationale Forschungsprogramm 59 (NFP 59), «Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen», in Bern seine Resultate präsentiert. Der Bundesrat hatte das Programm 2005 nach der Volksabstimmung über das Gentech-Moratorium beim Schweizerischen Nationalfonds in Auftrag gegeben; die Resultate kommen rechtzeitig für die Debatte um eine Moratoriumsverlängerung.
Fruchtfolge mit Hülsenfrüchten Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil III meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ. «Wir gelangen jetzt» schrieb der große Chemiker Justus Liebig in einem Chemie-Lehrbuch von 1840, «zum wichtigsten Zweck des Feldbaues, nämlich zur Production von assimilirbarem Stickstoff.»
Stickstoff ist in der Natur ausgesprochen häufig: Die Luft besteht zu vier Fünfteln daraus. Doch Luftstickstoff ist sehr reaktionsträge; ihn in den Nährstoffkreislauf einzubringen, ist aufwendig. Deshalb sind Stickstoffverbindungen in der Biosphäre knapp – oder waren knapp, bevor im 20. Jahrhundert die Überdüngung mit von Menschen hergestellten Stickstoffverbindungen zu einem der ganz großen Umweltprobleme wurde. Der Agrarkonzern Syngenta bezahlt zehn Millionen für eine neue Professur an der ETH Zürich – und redet auch bei der Berufung mit. Ist der Konzern an unabhängiger Agrarforschung interessiert? Bisherige Erfahrungen lassen Zweifel aufkommen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 9. Februar 2012 Meienberg spricht vom Lehrstuhl «Nachhaltige Agrarökosysteme», den die ETH Zürich im Rahmen des neu gegründeten Kompetenzzentrums World Food System dieses Jahr besetzen will. Der Schweizer Agrarkonzern Syngenta finanziert den Lehrstuhl für die ersten zehn Jahre mit zehn Millionen Franken.
Al Imfeld hat ein Buch mit afrikanischen Agrargeschichten geschrieben. Ein Gespräch mit dem Afrikaspezialisten, der am Erscheinungstag dieser WOZ seinen 75. Geburtstag feiert. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 14. Januar 2010 WOZ: Al Imfeld, Sie schreiben mit Ihrem Buch gegen die Vorstellung an, Afrika habe keine eigene Landwirtschaft entwickelt. Doch was spielt es für eine Rolle, ob die Hirse zuerst in Indien oder Afrika kultiviert wurde? Al Imfeld: Das ist wichtig, weil die ganze Auseinandersetzung mit diesem Kontinent ins Rassistische tendiert. Sogar die Afrikaner selbst haben begonnen, zu glauben, alles komme aus dem Osten. Das geht auf die Bibel zurück: Die Zivilisation ging vom Zweistromland aus. Da kommt der Weizen her, und der galt lange als älteste kultivierte Getreideart. Diesen Chauvinismus gilt es zu zerstören. Die Landwirtschaft ist so alt wie der Mensch, er hat sich immer organisiert, um sein Essen zu gewinnen. So umherziehen, da eine Frucht pflücken und dort ein Tier erlegen, das gabs nie ...
Am 14. September 1909 meldeten Fritz Haber und Carl Bosch beim deutschen Reichspatentamt ein Verfahren an, mit dem sich in industriellem Massstab der Gestank ungepflegter Pissoirs reproduzieren liess. Es sollte sich als eine der folgenreichsten Erfindungen der Menschheit herausstellen. Fritz Haber war es gelungen, Ammoniak (NH3) künstlich herzustellen – ein ätzendes, giftiges und stark übel riechendes Gas, das in der Natur beim Abbau von Harnstoff entsteht. Zusammen mit Carl Bosch entwickelte er die Ammoniaksynthese zu einem Industrieverfahren weiter, ohne das der erste Weltkrieg anders verlaufen und die Bevölkerung im 20. Jahrhundert nicht in dem bekannten Ausmaß explodiert wäre. Die Welt im frühen 21. Jahrhundert sähe der Welt des frühen 20. Jahrhunderts sehr viel ähnlicher, gäbe es kein synthetisches Ammoniak.
Wer die wichtigste Menschheitsfrage beantworten will, braucht einen breiten Wissenschaftsbegriff. Nicht alle finden das gut. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 24. April 2008 Manchmal verbergen sich Geschichten hinter einem einzelnen Buchstaben. Das Gremium aus über vierhundert WissenschaftlerInnen, das am 15. April seinen bahnbrechenden Bericht zur Weltlandwirtschaft präsentiert hat - bahnbrechend, falls er ernst genommen wird - , ist zuständig für die «Internationale Bewertung von landwirtschaftlichem Wissen, Wissenschaft und Technik für die Entwicklung», englisch International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development. Das Akronym dazu, das auch für das Gremium steht, heisst IAASTD - ohne «K» für «Knowledge». Die Geschichte dieses «K» spiegelt, was den Bericht so aussergewöhnlich macht - und wofür er gescholten wird.
Die Preise für landwirtschaftliche Produkte explodieren. Doch die Ursachen des Problems liegen weder am knapper werdenden Land noch in den veränderten Essgewohnheiten der Weltbevölkerung, sagt Marcel Mazoyer. Das Problem liegt an der Marktwirtschaft an sich. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 3. April 2008 Die niederländische Bank ABM Amro warb vor einiger Zeit in ganzseitigen Zeitungsinseraten für ihre «strukturierten Finanzprodukte» im Agrarsektor: «Verschiedene Gründe sprechen für eine Investition: weltweit stagnierende Getreideanbauflächen, eine deutlich gewachsene Weltbevölkerung, veränderte Essgewohnheiten in den aufstrebenden Schwellenländern sowie die stetig steigende Nachfrage nach Biotreibstoffen.» Das sind sichere Voraussetzungen für nachhaltig steigende Preise und satte Gewinne, und es sind sichere Voraussetzungen für kommende Hungersnöte. Das Inserat ist also eine Aufforderung, mit dem Hunger zu spekulieren. Dass Treibstoffe aus Biomasse Unsinn sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nun taucht eine Pflanze auf, die nur Vorteile haben soll: Jatropha. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. Februar 2008 Jung und selbstbewusst lacht Elsa Pellet vom ganzseitigen Foto. Das «Pro Natura Magazin» hat die Studentin der ETH Lausanne porträtiert als eine, die sich gegen den Klimawandel engagiert: Sie hat ein Büchlein über die Ölfruchtpflanze Jatropha curcas geschrieben, die «beste der Energiepflanzen».* In einer Art Vorspann zum Büchlein tritt ein Skeptiker auf: «Na, übertreib mal nicht, wir kennen all die Mediencoups, mit denen wieder ein neues Wundermittel versprochen wird ...» Worauf die Autorin antwortet: «Und doch ist es wahr.» Das Nationale Forschungsprogramm 59 hätte das Freisetzungs-Moratorium nutzen können, um Risiken zu evaluieren. Aber das war wohl gar nie erwünscht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 23. November 2006 Die Weichen für die offizielle Schweizer Biosicherheitsforschung der nächsten Jahre sind gestellt. Ende Oktober entschied die Leitung des Nationalen Forschungsprogramms 59 «Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59), wer zur Einreichung eines Projektantrags eingeladen wird. Ein kleines Forschungsinstitut kämpft gegen die Macht der Agrokonzerne – mit den Waffen der ComputeranarchistInnen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. September 2006 Die Computerwelt kannte von Anfang an Leute, die ihr ambivalent gegenüber standen: begeistert von den Möglichkeiten der Informationstechnologie, aber skeptisch, was ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft angeht. In der Gentechnologie, namentlich der Agrargentechnologie, hingegen sind ambivalente Töne kaum zu hören. Denn diese ist politisch umkämpft, und politische Debatten werden nicht mit «Ja, aber» und «Nein, aber» geführt. Allenfalls hinter vorgehaltener Hand erfährt man, wenn ein Befürworter auch Bedenken hegt, eine Gegnerin auch Chancen sieht.
Da horcht man auf, wenn einer, der vom Segen der Biotechnologie überzeugt ist, den Agrokonzernen an den Karren fährt und sie des «‹Kidnappings› der öffentlichen Wissenschaft» bezichtigt. Gemeint ist die Praxis, Entdeckungen wie etwa Genomsequenzen als «Erfindungen» zu patentieren und als Eigentum zu vermarkten: «Wir sind zutiefst überzeugt, dass die patentgeschützte monopolistische Kontrolle fundamentaler Prozesse des Lebens absolut inakzeptabel ist.» In Syrien versucht ein Internationales Forschungszentrum, die Lebensbedingungen von Menschen in Trockengebieten zu verbessern. Simple Methoden bringen mehr als Hightech. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. September 2006 Griechische Inschriften und Kreuzsymbole zieren die Fassade der Gemeindeverwaltung von Chanasser im Norden Syriens und zeugen von der einst byzantinischen Herrschaft über das Gebiet. Der heutige Bürgermeister ist Tscherkesse. Flüchtlinge aus dem Kaukasus erhielten vor hundert Jahren vom türkischen Sultan die Bewilligung, in Syrien zu siedeln. Dreizehn Tscherkessen, so will es die Sage, kamen nach Chanasser. Zwölf siedelten, der letzte aber sagte voraus, dass das grüne Tal austrocknen werde.
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AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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