Wenn mir deshalb gelegentlich wenig zukunftsfroh zumute war, stellte ich fest, dass geistliche Musik mich aufheiterte. Etwa Kantaten von Johann Sebastian Bach, mit Texten wie: «Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab, / Da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab.» Dabei bin ich ein areligiöser Mensch.
Interview mit Theologieprofessor Reiner Anselm im «Magazin» vom 5. Dezember 2009 Vor einiger Zeit wartete ich auf die Geburt meiner zweiten Tochter. Ein neues Leben war am entstehen; ein Leben, das, wenn das Kind so lange lebt wie sein Urgroßvater, ins 22. Jahrhundert reichen wird. Gleichzeitig arbeitete ich an einem Buch über den Klimawandel. Ich las Bücher wie «Klimakriege» des Kulturwissenschaftlers Harald Welzer, der in düsteren Farben eine Epoche des Kampfs um Umweltressourcen zeichnet. Las Berichte wie jenen des Uno-Umweltprogramms, der besagt, im Jahr 2025 könnten zwei Drittel aller Menschen unter Wassermangel leiden. Las den Expertenbericht des Weltagrarrats, laut dem es bis 2050 nur dann genug Nahrungsmittel für die ganze Menschheit gibt, wenn sich die Ausrichtung der Landwirtschaft radikal ändert – aber eine solche Änderung ist nicht in Sicht. 2050: Das tönte vor kurzem noch nach ferner Zukunft, nun rechne ich: Dann wird meine Tochter etwa so alt sein wie ich jetzt. Wenn mir deshalb gelegentlich wenig zukunftsfroh zumute war, stellte ich fest, dass geistliche Musik mich aufheiterte. Etwa Kantaten von Johann Sebastian Bach, mit Texten wie: «Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab, / Da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab.» Dabei bin ich ein areligiöser Mensch. Haben Religionen Antworten auf die Bedrohung des Klimawandels? Könnten sie etwas zur Lösung der Klimakrise beitragen? Reiner Anselm, Theologieprofessor in Göttingen und Leiter des Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik an der Universität Zürich, ist pessimistisch. |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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