Am besten in Sachen Nachbereitung ist meines Erachtens der britische «Guardian» - er war schon während der Konferenz eine meiner Lieblingslektüren, weil er erstens sehr gut gemacht ist, zweitens Umweltthemen viel Raum bietet und drittens all das auch online greifbar ist. Für alle also, die gern noch mehr wissen möchten und englisch lesen, ein paar Tipps auf «Guardian»-Artikel:
- Totales Scheitern oder ein paar Fortschritte? Der «Guardian» lässt ein paar ExpertInnen zu Wort kommen. Fuqiang Yang, Direktor globale Klimalösungen beim WWF International ist «optiomistisch» und findet, das Resultat von Kopenhagen sei «angesichts der Komplexität der Sache ein Schritt vorwärts». - John Prescott, Klima-Berichterstatter des Europarats urteilt ähnlich. Dass 192 Staaten (es waren tatsächlich 193) anerkennten, dass eine Erwärmung um mehr als 2 Grad abzuwenden sei, sei ein Fortschritt. In Kyoto 1997 seien erst 47 Staaten an den Verhandlungen beteiligt gewesen. Die konkreten Details, ist Prescott zuversichtlich, werden an der nächsten Klimakonferenz 2010 in Mexiko geklärt. - Martin Rees, Präsident der britischen Royal Society und Astronom, findet, «Kopenhagen» sei «weniger, als manche hofften, aber vielleicht nicht viel weniger, als man realistischerweise erwarten konnte.» Nächtes Jahr in Mexiko könne Obama eine «weniger schwache Rolle spielen», falls die klimapolitische Debatte im Senat bis dann weiter fortgeschritten sei. - Für Bryony Worthington, Klima-Campaigner von sandbag.org.uk ist «Kopenhagen» «ein spektakuläres Scheitern auf vielen Ebenen». - Der Nasa-Klimaforscher Gavin Schmidt von RealClimate.org meint, es gehe nicht um einen Event, sondern um einen Prozess. Und «Kopenhagen» habe in diesem Prozess einige Fortschritte gebracht. - Für Kumi Naidoo, den Boss von Greenpeace International, brachte «Kopenhagen» ein «Nicht-Resultat», das die Fähigkeit der PolitikerInnen, «zu liefern, was nötig ist», in Frage stelle. - Der Ökonom Nicholas Stern, berühmt vom «Stern-Review», ist enttäuscht, anerkennt aber als Fortschritt, dass sich vor und während «Kopenhagen» Staaten zu Emissionsbegrenzungen bekannt hätten, von denen dies noch vor kurzem nicht zu erwarten gewesen wäre (manemltich die USA und China). - Der Klimaforscher Myles Allan ist aus lauter Pessimismus frph, dass nichts juristisch Bindendes herausgekommen ist, denn der Ansatz der Verhandlungen sei falsch und ein Resultat hätte diesen Ansatz zementiert. Statt auf die Emittenten müsse eine wirksame Klimapolitik auf die Produzenten abzielen. - Rajendra Pachauri, Vorsitzendes des Weltklimarats IPCC, schließlich gibt sich diplomatisch: Ob «Kopenhagen» Erfolg oder Misserfolg sei, hänge davon ab, was daraus gemacht werde - namentlich nächstes Jahr in Mexiko.
- Abwägend gibt sich das nicht namentlich gezeichnete Editorial und bekennt sich zur Notwendigkeit von Dialog statt Diktat.
- Mark Lynas war dabei, als die Regierungs- und Staatschefs am Freitag versuchten, einen Deal festzumachen. Sein Fazit: Die Schuld für das Scheitern lag bei China. Chinas Premier Wen desavouierte die anderen TeilnehmerInnen, namentlich Obama, sandte untergeordnete Beamte an die Verhandlungen, verhielt sich scheinbar irrational. Weshalb? Lynas' Antwort: Weil China darauf spekulierte - und die Rechnung ging weit gehend auf -, dass man Obama respaktive den Westen für das Scheitern verantwortlich machen werde. Der Sprecher der G77, der Verhandlungsgruppe von 130 Entwicklungs- und Schwellenländer, Lumumba Di-Aping, verhielt sich während der ganzen zwei Wochen nicht gerade diplomatisch und warf dem «Accord» in der Schlusssitzung vor, nach dem selben Geist gestrickt zu sein, der auch den Holocaust verursacht habe. Di-Aping ist Sudanese - und Sudan, merkt Lynas an, ist eine Marionette Chinas, das im Sudan seine Erdölinteressen verfolgt. (Nicht in Lynas' Artikel steht, was als Gerücht zu hören gewesen war: Dass mehrere afrikanische Delegationen, wenn nicht die afrikanische Verhandlungsgruppe als Ganze, von dre Erdöllobby unterwandert gewesen sei.)
- Der «Guardian»-Kolumnist George Monbiot dagegen hält den US-Senat für den Hauptschuldigen am Scheitern.
- Dass es mit dem Uno-Klimaprozess nicht wie bisher weiter gehen könne, findet der britische Premier Gordon Brown und ruft zu Reformen auf.
- Was geschah eigentlich mit den eingebuchteten ProtestiererInnen (unter ihnen ein Schweizer Greenpeacler, der sich in das königliche Bankett einschleusen konnte und dort mit drei MitstreiterInnen ein Transparent entrollte)? Viele verbringen die Festtage hinter schwedischen, na ja, dänischen Gardinen (vgl. dazu auch die Schweizer Greenpeace-Website).
- Und fürs Auge: Eine Fotogalerie gibts hier, Videos hier.