Marcel Hänggi war der Vater der Gletscherinitiative. Diese führte zum Klimaschutzgesetz, das das Volk am 18. Juni angenommen hat. Für die Republik zieht er eine persönliche Bilanz über sein Engagement der letzten siebeneinhalb Jahre. – Republik vom 13. Juli 2023 In gewissem Sinne beginnt die Geschichte des Klimaschutzgesetzes mit der Schnoddrigkeit einer Bundesrätin. Ich war Ende 2015 als Journalist an der Klimakonferenz COP21 in Paris, als Doris Leuthard verkündete, die Schweiz trete der Verhandlungsgruppe der «Hochambitionierten» bei. Diese Gruppe setzte sich dafür ein, dass das auszuhandelnde Abkommen die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad anstrebte.
Der neue Bericht des Uno-Klimarats IPCC zeigt, wie wichtig die Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad ist – und unterschätzt zugleich die Bedeutung der Politik. – WOZ Die Wochenzeitung vom 11. Oktober 2018 Es ist die wichtigste Publikation des Jahres: Der am Montag vorgestellte Bericht des Uno-Klimarats IPCC bündelt die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen einer Klimaerwärmung um 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit. Nötig wurde er, weil der letzte Bericht des IPCC nur Szenarien betrachtet hatte, die auf eine Erderwärmung um 2 oder mehr Grad hinauslaufen. Die Klimakonferenz von Paris hat 2015 aber beschlossen, die Erderwärmung solle auf «deutlich unter 2 Grad» begrenzt werden – und wenn möglich auf 1,5 Grad. Das Klimaabkommen von Paris ist unterzeichnet. Was zu tun wäre, wenn man es ernst nähme. – «Politblog» auf «Newsnet» vom 6. Mai 2016 / «Tages-Anzeiger» vom 7. Mai 2016 Am 22. April hat Doris Leuthard am UNO-Hauptsitz für die Schweiz das im Dezember ausgehandelte Pariser Abkommen unterzeichnet. Vier Wochen zuvor gab der Bundesrat bekannt, wie er sich die Zukunft der schweizerischen Klimapolitik vorstellt. Er zeigte damit, dass er nicht verstanden hat, was man in Paris ausgehandelt und in New York unterzeichnet hat. Die Welt beschliesst, ein Zeitalter zu beenden. Das Abkommen von Paris ist ein riesiges Versprechen – das gilt es nun einzufordern. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Man riskiert ja, überoptimistisch zu sein, wenn man aus der Euphorie heraus schreibt. Und die Euphorie war gross in Paris, nachdem Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius, der Präsident der Uno-Klimakonferenz, am Samstagabend das Abkommen von Paris für beschlossen erklärt hatte. An der anschliessenden Party tanzten spröde Verhandlerinnen ausgelassen mit Politanalysten von Umweltorganisationen.
Die Ziele des Klimaabkommens von Paris sind gut, findet Kevin Anderson vom Tyndall Center for Climate Change Research. Aber kaum jemand sei sich wirklich bewusst, wie schwierig es schon ist, die Ziele zu erreichen – und eine verharmlosende Wissenschaft trage ihren Teil zum Schlamassel bei. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Es war im Spätsommer während meiner Recherchen zum Bericht des Weltklimarats IPCC, als ich zwei-, dreimal mit Kevin Anderson mailte. Ich wollte ihn interviewen, doch kam das Interview schliesslich nicht zustande – er war sehr beschäftigt und ich hatte schliesslich auch so genug Material. Dabei hatte er mich neugierig gemacht. Angesprochen auf das IPCC – dem er nicht angehört –, schrieb er mir, er sei ein grosser Fan dieses Gremiums. Um gleich zu relativieren: Das gelte vor allem für dessen naturwissenschaftlichen Aussagen und viel weniger für den Rest. Kevin Anderson ist Professor für Energie und Klimawandel an der Universität Manchester und Vizedirektor des Tyndall Center for Climate Change Research. Er ist nicht nur einer der renommiertesten Klimaforscher; er ist auch einer, der sich deutlicher als andere öffentlich äussert. Am zweitletzten Tag der UN-Klimakonferenz in Paris geben er und vier Kollegen in einem berstend gefüllten Saal des Konferenzgeländes eine Pressekonferenz. Die fünf sind sich einig: Es ist gut, anerkennt die Politik die Notwendigkeit, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen (das sind 0,5 Grad über dem heutigen Niveau), doch der Vertrag bleibt weit dahinter zurück, dies zu gewährleisten.
Ich treffe Kevin Anderson am Tag vor der Pressekonferenz zu einem Kaffee. Ab dem 28. November berichte ich für die WOZ täglich über die Uno-Klimakonferenz COP21 – zunächst von Zürich aus, ab dem 8. Dezember aus dem Konferenzzentrum in Paris. 14.12.2015: Gratisäpfel und Zuludiplomatie. Eine Nachlese 13.12.2015: Deal! 12.12.2015: Endgame 11.12.2015: «Hohe Ambitionen» 10.12.2015: Fast ein bisschen Euphorie 9.12.2015: Furcht erregender Klimawandel 8.12.2015: Protestieren in Zeiten des Ausnahmezustands 7.12.2015: Neoliberales Klimaregime 6.12.2015: Die übersehene Katastrophe 5.12.2015: Nachträge: Lobbying – Freihandel – Loss & Damages – Verhandlungsverlauf – «Privatisierung des Gemeinwohls» – 1 Grad wärmer 4.12.2015: Das Kleine als das wirklich Grosse 3.12.2015: Das Erdölzeitalter ist nicht die Steinzeit – Carbon Inequalities, Bill Gates 2.12.2015: Schon ein Grad wärmer, erst ein Grad wärmer 1.12.2015: Es sind nicht alle lieb & gut 30.11.2015: Alles was Sie wissen müssen 29.11.2015: Je suis Jocelyne 28.11.2015: Das Schweizer Paris-Mandat: Hat da jemand etwas falsch verstanden? Worum geht es in der Klimapolitik? Wie wäre das Problem zu lösen? Ist eine Lösung realistisch? – Alles, was Sie vor dem Klimagipfel in Paris wissen müssen. – «Aargauer Zeitung» vom 26. November 2015 1992 beschlossen die Uno-Mitglieder, eine «gefährliche Störung des Klimasystems» abzuwenden. Seither versuchen sie, diese Absicht in konkrete Politik umzusetzen. Der Pariser Klimagipfel soll im Dezember ein entsprechendes Abkommen aushandeln – nachdem der Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen an dieser Aufgabe scheiterte. Bisher hat die ganze Diplomatie wenig gefruchtet; der Treibhausgas-Ausstoß hat sich in den letzten 23 Jahren nur beschleunigt. Weil das Problem zu komplex ist? Nein: Weil es so entwaffnend einfach ist und die Entscheidungsträger alles tun, um die einfachen Wahrheiten nicht sehen zu müssen. Eine Klärung in acht Antworten. Langsam beginnt die Politik zu entdecken, wie wichtig eine ganz andere Verkehrspolitik gerade angesichts des Klimawandels wäre. Bis das Velo aber über einzelne Städte hinaus als Verkehrsmittel ernst genommen wird, ist es noch ein weiter Weg. – Beitrag zum Klima-Schwerpunkt im Velojournal Nr. 6/2015.
Im Oktober haben die EU-Transportminister eine «Deklaration über das klimafreundliche Radfahren» verabschiedet. (ganzen Artikel als PDF runterladen).
Im Dezember wollen die Uno-Mitglieder in Paris einmal mehr versuchen, die Klimakatastrophe abzuwenden. Eine wichtige Diskussionsgrundlage bietet ihnen dabei der Bericht des Weltklimarats IPCC. Dieser sagt: Das Ziel ist erreichbar – aber nur unter unrealistischen Annahmen. Doch was taugt die Arbeit des hochgleobten Gremiums, wenn es um Lösungen geht? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 8. Oktober 2015 und «Telepolis» vom 28. November 2015. Wenn sich die Uno-Mitglieder im Dezember in Paris treffen, haben sie eine klare Zielvorgabe: Sie sollen ein Abkommen auf den Weg bringen, das geeignet ist, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf 2 oder allenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das überhaupt noch zu erreichen? Manche meinen nein. Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, hat die 2-Grad-Grenze als ein «nettes Utopia» bezeichnet (das so nett notabene nicht wäre – schon bei 2 Grad Erwärmung wären viele Folgen verheerend). Die Schweiz setzt in der Klimadiplomatie neue Massstäbe – in Zynismus. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 5. März 2015 Ende Jahr soll eine Uno-Konferenz in Paris schaffen, was 2009 in Kopenhagen scheiterte: ein Abkommen zum Klimawandel. Bis Ende März müssen die Staaten darlegen, wozu sie sich im Rahmen eines solchen Abkommens verpflichten wollen. Das hat Bundesrätin Doris Leuthard für die Schweiz nun getan. Damit legt die Schweiz ihre Karten als erstes Land auf den Tisch. Man wolle dadurch «andere Länder beeinflussen und einen Standard setzen», sagt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gegenüber der WOZ. Tatsächlich setzt die schweizerische Eingabe Marken. Bezüglich Zynismus. |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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