
Ist es vernünftig, an das Überleben der menschlichen Zivilisation zu glauben?
In der ersten Form, die eine anthropologische Eigenschaft «des» Menschen postuliert, ist das Argument einfach bescheuert (was, bitte sehr, ist «der» Mensch?); in der zweiten Form ist es nicht leicht von der Hand zu weisen. Das gilt gerade angesichts jüngster Messdaten, denen zufolge sich die Erderwärmung (um von Artenschwund, Bodenverlust, Überdüngung und vielem anderen zu schweigen) in den letzten Monaten stark beschleunigt hat. Grafiken, die das Ausmass des arktischen Eises zeigen, sind beängstigend; neue wissenschaftliche Studien schlagen alarmierende Töne an und zeigen, dass das Klimaproblem bislang womöglich deutlich unterschätzt wurde. Und gleichzeitig geniesst das Thema angesichts all der anderen Probleme derzeit alles andere als politische Priorität, in den USA wird in wenigen Wochen ein Desperado im Weissen Haus damit beginnen, die Umweltpolitik Obamas rückgängig zu machen und die Umweltbehörde EPA zu demontieren. Und auch ausserhalb der USA gibt es wenig Anzeichen, dass die Regierungen den klimadiplomatischen Erfolg von 2015, das Abkommen von Paris mit seinen guten Zielen, ernst nähmen.
Ist es also vernünftig, an das Überleben der menschlichen Zivilisation zu glauben?
Wäre ich ein Ausserirdischer, der die Welt von aussen beobachtet, ich gäbe den Menschen nicht mehr viel Kredit. Aber ich bin kein Ausserirdischer, sondern ich bin einer von diesen Menschen. Und da komme ich auf eine ähnliche Schlussfolgerung wie Pascal, wenn auch nicht auf den Glauben an Gott, sondern auf den Glauben an die Menschheit bezogen: Ich kann auf das Überleben wetten oder auf den Untergang, aber nur die eine Wette hat Sinn.
Und wenn es unwahrscheinlich ist? Das ist eigentlich egal: Wahrscheinlichkeiten beziehen sich immer auf eine Mindestanzahl. Wenn es mehrere Erden gäbe, könnte man sinnvollerweise sagen: Auf X Prozent dieser Erden wird die Menschheit überleben, auf den anderen nicht. Aber es gibt nur eine Erde.
Oder wenn ich es statt mit Pascal mit einem Motto von Antonio Gramsci ausdrücke: Wir brauchen einen Pessimismus des Verstandes und einen Optimismus des Willens.
* Eben lese ich einen Beitrag über Terry Eagletons Buch Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch. Eagleton unterscheidet zwischen dem Optimismus, der glaubt, dass das Gute einfach so siegt – und der Hoffnung, die nach Engagement für das Erhoffte heischt. Im Sinne Eagletons müsste ich den Titel dieses Beitrags also ändern in Warum hoffen?