
Auf der ersten Blick gleicht diese Aussage jener aus dem Witz: Man lässt Erdzeitalter nicht in einem bestimmten Jahrzehnte beginnen. Dagegen macht die Trendforscherin alles richtig, wenn sie zwanzig Jahre Zukunft mit zwanzig Jahren Vergangenheit vergleicht.
Auf den zweiten Blick ist das indes weniger klar. Aussagen über die Zukunft machen zu wollen, indem man die Vergangenheit extrapoliert, war immer schon fragwürdig. Man stelle sich vor, jemand hätte im Mai 1914 nur schon die nächsten paar Monate aufgrund von Erfahrungswerten voraussagen wollen. Oder man stelle sich vor, die Trendforscherin hätte die letzten 20 Jahre in einer chinesischen Stadt erlebt, die in dieser Zeit vom Provinznest zur Millionenstadt angewachsen ist.
Die globalen Umweltveränderungen unserer Zeit machen das Extrapolieren historischer Erfahrung aber in viel grundsätzlicherer Weise unsinnig. Vom Menschen ausgelöste Umweltveränderungen mit oft verheerenden Wirkungen lassen sich bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen, aber im 20. Jahrhundert haben sie sich derart beschleunigt, dass harmlos erscheint, was vorher war. Der Berner Umwelthistoriker Christian Pfister hat diese Beschleunigung vor allem auf die 1950er Jahren datiert – also auf die Zeit, die nun als Beginn des Anthropozäns definiert wurde – und dafür vor über 20 Jahren den Begriff des «1950er Syndroms» geprägt. Und die Beschleunigung geht weiter: Seit 1990 hat die Menschheit ungefähr so viel CO2 aus fossilen Quellen in die Atmosphäre geblasen wie in ihrer gesamten Geschichte zuvor. Die Welt, in die ich vor einem knappen halben Jahrhundert geboren wurde, war nach gewissen Kriterien der Welt vor 200 oder gar 2000 Jahren ähnlicher als der heutigen.
Damit droht historische Erfahrung obsolet zu werden. Viele sagen, man könne aus der Geschichte sowieso nichts lernen – aber woraus wollten wir sonst lernen? Wenn es plötzlich einen Unterschied macht, ob ein Mammut hunderttausend Jahre alt ist oder hunderttausend und acht, macht das Angst. Aber ein klein wenig macht es auch frei, denn wenn alles anders wird, ist vieles möglich. Man müsste sich die Freiheit einfach nehmen, alle Trendforscher verlachen wie den Museumsaufseher aus dem Witz und auf Zukunftsszenarien – beispielsweise zur Zunahme des Verkehrs – pfeifen.