Marcel Hänggi
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Teuflisches Eigentum

10/5/2016

 
Was das moderne Eigentumsrecht mit Nachhaltigkeit zu tun hat (oder eben nicht). – «Politblog» auf «Newsnet» sowie «Tages-Anzeiger» vom 5. Oktober 2016

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Vor einiger Zeit hörte ich einen Vortrag des emeritierten HSG-Professors und Doyens der ökologischen Wirtschaftsforschung in der Schweiz, Hans Christoph Binswanger. Der 87-Jährige ist gebrechlich, aber von stupender Präsenz auf der Bühne. Er sprach über ein Thema, dem er schon 1985 sein hervorragendes Buch «Geld und Magie» widmete und das er in seinem soeben erschienen Essayband «Die Wirklichkeit als Herausforderung» wieder aufgreift: Goethes «Faust». Binswanger liest die Tragödie als hellsichtige Analyse einer Wirtschaft, die mit des Teufels Hilfe plattwalzt, was sich ihr in den Weg stellt. Die Kernthese des FDP-Mitglieds (!): Die moderne Geldökonomie ist die Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln. Sie «zaubert» Mehrwert scheinbar aus dem Nichts, tatsächlich aber auf Kosten der Umwelt – und davon handelt der «Faust». 

Vor allem ein Punkt in Binswangers Analyse löste bei mir einen Aha-Effekt aus: Die Dynamik der modernen Wirtschaft beruht rechtlich auf einem spezifischen Eigentumsverständnis, dem Dominium des römischen Rechts. Es ist das Recht, seinen Besitz zu nutzen, aber auch aufzubrauchen oder zu missbrauchen (ius utendi et abutendi re sua). Ich kann aus meinem Weinglas Wein trinken, kann es aber auch an die Wand schmeissen. Das scheint selbstverständlich: Das Glas gehört mir ja! Im römischen Recht bezog sich das Dominium übrigens ausdrücklich auch auf die Menschen, die einem gehörten: Sklaven und sogar die eigenen Kinder. 

Aber ein solcher Eigentumsbegriff ist weder selbstverständlich noch alternativlos. Das deutet der Satz «Eigentum verpflichtet» der Europäischen Menschenrechtskonvention und des deutschen Grundgesetzes an. So unverbindlich die Formulierung ist, ist sie doch ein Echo eines Verständnisses von Eigentum, das in der Rechtsgeschichte weiter verbreitet war als das Dominium: das Patrimonium. Es versteht Eigentum als Dauerleihgabe auf Lebenszeit. Man darf nutzen, was einem gehört, darf es aber nicht aufbrauchen, sondern gibt es am Ende des Lebens weiter. Das ist ziemlich exakt, was man heute «Nachhaltigkeit» nennt. In vielen Fällen musste man sein Eigentum sogar nutzen: Tat man es nicht, stand es anderen zur Verfügung. Auf einem brach liegenden Feld etwa konnten landlose Viehbesitzer ihre Tiere weiden lassen. (Wenn man heute Hausbesetzer in leer stehenden Häusern gewähren lässt, ist das nichts anderes.) Damit deckt das Eigentumsrecht des Patrimoniums auch die soziale Komponente der Nachhaltigkeit ab.

Wenn heute Politiker gegen Angriffe auf das Eigentum wettern, meinen sie aber das Dominium. Wiederbelebt hat es in der Neuzeit der «Code civil», das Gesetzbuch, das Napoleon 1804 erliess, wenige Jahre, bevor Goethe den ersten Teil des «Faust» veröffentlichte. Nach diesem Recht beansprucht Faust im zweiten Teil der Tragödie den sumpfigen Küstenstreifen, den er mit dem Papiergeld, das Mephisto erfunden hat, vom Kaiser erwirbt und mit Mephistos Hilfe trockenlegt (wobei er die Hütte Philemons und Baucis’ samt ihren Bewohnern niederbrennen lässt). 
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Hans Christoph Binswanger hat im Vortrag auf eine bittere Pointe hingewiesen, von der in seinem Buch von 1985 noch nicht die Rede war: Fausts rastloses Streben findet (so glaubt er) endlich Erfüllung in seinen Entwässerungskanälen und Deichen. Mit ihnen erreicht er sein erklärtes höchstes Ziel, sie lassen ihn seine letzten Worte ausrufen: «Es kann die Spur von meinen Erdentagen / Nicht in Äonen untergehn. / Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Geniess ich jetzt den höchsten Augenblick.» Heute ist der Klimawandel eine Folge der nicht-nachhaltigen ökonomischen Dynamik, die Faust mit seinem teuflischen Helfer lostrat. Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel ansteigen – bis das Meer Fausts Lebenswerk verschlingen wird. Es wird nicht Äonen gedauert haben.

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    Autor

    Marcel Hänggi, ​Zürich
    wissenschaftlicher Mitarbeiter Verein Klimaschutz Schweiz (Gletscher-Initiative)
    Journalist | Buchautor
    ​dipl. Gymnasiallehrer


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