Marcel Hänggi
  • Texte
  • Bücher
    • Weil es Recht ist
    • La fin de l'âge du pétrole …
    • Null Öl. Null Gas. Null Kohle
    • Fortschrittsgeschichten >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Ausgepowert >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Wir Schwätzer im Treibhaus >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Cui bono
    • Beiträge in Sammelbänden
  • Climate Update
  • Vorträge, Podien
  • Ausstellungstexte
  • Unterricht, Bildung
    • 2025 Universität Luzern Seminar Klimapolitik
    • Projekte Deutschunterricht
    • Projekte Geschichtsunterricht
    • 2020 Universität Freiburg Geschichte schreiben
    • 2019 MAZ Statistik und Studien
    • 2007 - 2016 MAZ CAS Wissenschaftsjournalism >
      • 4 Ein Leitfaden zur kritischen Würdigung wissenschaftlicher Resultate
    • Leitfaden Vortragen
  • Beratung
  • Forschung
  • Politik
  • Positionspapiere
  • über mich
  • Kontakt
  • Datenschutz

Wunderenergiemaschine wird 200

24/1/2017

 
Eine der bemerkenswertesten technischen Erfindungen kann Jubiläum feiern: 2017 wird das Fahrrad 200. – «Politblog» auf «Newsnet» / «Tages-Anzeiger» vom 24. Januar 2017

Bild
Nein, ich mag nicht darüber schreiben, wovon dieser Tage alle reden – kein T-Wort in diesem Text! –, und will mich Erfreulicherem widmen. Heuer feiert (rechnet man ihre Vorgängertechniken dazu) eine der bemerkenswertesten Erfindungen der Technikgeschichte ihren 200. Geburtstag: das Fahrrad.

1817 erfand Karl Drais das, was man heute als Laufrad für Kinder wieder kennt: die Draisine. Die Idee war, wie bei vielen grossen Erfindungen, denkbar einfach: Zwei Räder, ein Sattel und ein Griff reichten aus, damit man sitzend gehen konnte. War man einmal in Fahrt, konnte man den Schwung genauso ausnutzen, wie man die Energie, die man bergauf aufgewendet hatte, zurückgewann, sobald es bergab ging. Zwei Jahre zuvor war im heutigen Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen, der für eine kurze, aber heftige globale Klimaveränderung sorgte; 1816 war das «Jahr ohne Sommer» mit Hungersnöten. Die hohen Getreidepreise sollen Drais zu seiner Erfindung veranlasst haben: Draisinen waren Pferde, die nichts fressen.

Dass das Fahrrad, zu dem sich die Draisine entwickelte (in seiner heutigen Form existiert es seit den 1880er Jahren), eine der bemerkenswertesten technischen Geräten sei, behaupte ich nicht einfach als Velofreund. Das Velo ist einerseits, von Schuhen abgesehen, das weltweit wichtigste technische Verkehrsmittel. Diese Aussage stimmt natürlich nicht, wenn man es an der Bedeutung misst, die ihm allgemein zugeschrieben wird: Staaten retten Autohersteller vor dem Konkurs, nicht Velowerkstätten, und fürs Auto hat man Städte platt gemacht, nicht fürs Velo. Aber das Velo ist weltweit für weitaus mehr Menschen das wichtigste Verkehrsmittel als etwa das Auto; in Europa war es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts genau so – man betrachte nur Fotos von Städten jener Zeit zur Rushhour. Billig und leicht zu reparieren, ist es leichter als sein Passagier, so dass man es auch mal einfach über ein Hindernis hinweg tragen kann. Für den Philosophen des technischen Fortschritts Ivan Illich war das Fahrrad das Paradebeispiel einer menschenfreundlichen (er nannte es: «konvivialen») Technik.

Aber das Fahrrad ist auch eines der bemerkenswertesten Energieanwendungsgeräte. Man kann die Geschichte der Menschheit als eine der zunehmenden Nutzbarmachung von Energie schreiben. Dabei gab es vor allem zwei Formen technischer Fortschritte. Die eine war graduell: bestehende Energieanwendungen wurden optimiert, ihre Energieeffizienz stieg, so dass sich aus gleich viel Energie mehr Nutzen ziehen liess. Die zweite Form waren Erfindungen, die die Effizienz einer alten Energieform sprunghaft steigerten, indem sie zusätzlich eine neue anzapften. Segelschiffe erhöhten die verfügbare Energie pro Besatzungsmitglied gewaltig, indem sie neu neben der Muskelkraft der Ruderer neu auch die Windkraft nutzten. Die Dampfmaschine erhöhte die verfügbare Energie pro Fabrikarbeiterin, indem sie zusätzlich die Energie der Kohle nutzte. Diese neuen Energien wurden aber ihrerseits derart ineffizient genutzt, dass diese «disruptiven» Erfindungen die Gesamtenergieeffizienz stets senkten: Über alles betrachtet, nutzt die Menschheit in ihrer Geschichte immer mehr Energie immer ineffizienter.

Das Velo fällt aus diesem Muster: Es hat die Nutzung einer alten Energieform, nämlich menschlicher Muskelkraft, sprunghaft gesteigert, ohne dafür eine andere Energieform auszubeuten. Mir sind ausser dem Fahrrad nur wenige andere Techniken bekannt, die das ebenso schafften – namentlich die Schubkarre, die zumindest in China anderthalb Jahrtausende vor dem Fahrrad ähnlich bahnbrechend war wie dieses.
​
Aber eins hat das Velo im Schatten motorisierter Fahrzeuge nicht geschafft: seinen Vorzügen entsprechend ernst genommen zu werden. Dafür ist es einfach zu bescheiden.

Comments are closed.

    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​
    Zürich


    Themen

    Alle
    Architektur
    Atomenergie
    Bevoelkerung
    Bildung
    Cern
    Coronapandemie
    Demokratie
    Emissionshandel
    Energie
    EPF Lausanne
    ETH Zuerich
    Gentechnik
    Geschichte
    Interview
    Journalismus
    Klimabewegung
    Klimakonferenz Kopenhagen 2009
    Klimakonferenz Paris 2015
    Klimapolitik
    Klimaskeptiker
    Krieg Und Frieden
    Landwirtschaft
    Migration
    Ökonomie
    Physik
    Porträt
    Recht
    Religion
    Reportage
    Rezension
    Suffizienz
    Synthetische Biologie
    Technik
    Technikkolumne NZZ
    Umwelt
    Umweltblog Newsnet
    Uni Zürich
    Verkehr
    Vortrag
    Wanderungen
    Wirtschaftswachstum
    Wissenschaft
    Wissenschaftsgeschichte
    Wissenschaft Und Industrie

Proudly powered by Weebly