Das Klimaabkommen von Paris ist unterzeichnet. Was zu tun wäre, wenn man es ernst nähme. – «Politblog» auf «Newsnet» vom 6. Mai 2016 / «Tages-Anzeiger» vom 7. Mai 2016 Am 22. April hat Doris Leuthard am UNO-Hauptsitz für die Schweiz das im Dezember ausgehandelte Pariser Abkommen unterzeichnet. Vier Wochen zuvor gab der Bundesrat bekannt, wie er sich die Zukunft der schweizerischen Klimapolitik vorstellt. Er zeigte damit, dass er nicht verstanden hat, was man in Paris ausgehandelt und in New York unterzeichnet hat.
Die Welt beschliesst, ein Zeitalter zu beenden. Das Abkommen von Paris ist ein riesiges Versprechen – das gilt es nun einzufordern. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Man riskiert ja, überoptimistisch zu sein, wenn man aus der Euphorie heraus schreibt. Und die Euphorie war gross in Paris, nachdem Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius, der Präsident der Uno-Klimakonferenz, am Samstagabend das Abkommen von Paris für beschlossen erklärt hatte. An der anschliessenden Party tanzten spröde Verhandlerinnen ausgelassen mit Politanalysten von Umweltorganisationen.
Die Ziele des Klimaabkommens von Paris sind gut, findet Kevin Anderson vom Tyndall Center for Climate Change Research. Aber kaum jemand sei sich wirklich bewusst, wie schwierig es schon ist, die Ziele zu erreichen – und eine verharmlosende Wissenschaft trage ihren Teil zum Schlamassel bei. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Es war im Spätsommer während meiner Recherchen zum Bericht des Weltklimarats IPCC, als ich zwei-, dreimal mit Kevin Anderson mailte. Ich wollte ihn interviewen, doch kam das Interview schliesslich nicht zustande – er war sehr beschäftigt und ich hatte schliesslich auch so genug Material. Dabei hatte er mich neugierig gemacht. Angesprochen auf das IPCC – dem er nicht angehört –, schrieb er mir, er sei ein grosser Fan dieses Gremiums. Um gleich zu relativieren: Das gelte vor allem für dessen naturwissenschaftlichen Aussagen und viel weniger für den Rest. Kevin Anderson ist Professor für Energie und Klimawandel an der Universität Manchester und Vizedirektor des Tyndall Center for Climate Change Research. Er ist nicht nur einer der renommiertesten Klimaforscher; er ist auch einer, der sich deutlicher als andere öffentlich äussert. Am zweitletzten Tag der UN-Klimakonferenz in Paris geben er und vier Kollegen in einem berstend gefüllten Saal des Konferenzgeländes eine Pressekonferenz. Die fünf sind sich einig: Es ist gut, anerkennt die Politik die Notwendigkeit, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen (das sind 0,5 Grad über dem heutigen Niveau), doch der Vertrag bleibt weit dahinter zurück, dies zu gewährleisten.
Ich treffe Kevin Anderson am Tag vor der Pressekonferenz zu einem Kaffee. Ab dem 28. November berichte ich für die WOZ täglich über die Uno-Klimakonferenz COP21 – zunächst von Zürich aus, ab dem 8. Dezember aus dem Konferenzzentrum in Paris. 14.12.2015: Gratisäpfel und Zuludiplomatie. Eine Nachlese 13.12.2015: Deal! 12.12.2015: Endgame 11.12.2015: «Hohe Ambitionen» 10.12.2015: Fast ein bisschen Euphorie 9.12.2015: Furcht erregender Klimawandel 8.12.2015: Protestieren in Zeiten des Ausnahmezustands 7.12.2015: Neoliberales Klimaregime 6.12.2015: Die übersehene Katastrophe 5.12.2015: Nachträge: Lobbying – Freihandel – Loss & Damages – Verhandlungsverlauf – «Privatisierung des Gemeinwohls» – 1 Grad wärmer 4.12.2015: Das Kleine als das wirklich Grosse 3.12.2015: Das Erdölzeitalter ist nicht die Steinzeit – Carbon Inequalities, Bill Gates 2.12.2015: Schon ein Grad wärmer, erst ein Grad wärmer 1.12.2015: Es sind nicht alle lieb & gut 30.11.2015: Alles was Sie wissen müssen 29.11.2015: Je suis Jocelyne 28.11.2015: Das Schweizer Paris-Mandat: Hat da jemand etwas falsch verstanden? Worum geht es in der Klimapolitik? Wie wäre das Problem zu lösen? Ist eine Lösung realistisch? – Alles, was Sie vor dem Klimagipfel in Paris wissen müssen. – «Aargauer Zeitung» vom 26. November 2015 1992 beschlossen die Uno-Mitglieder, eine «gefährliche Störung des Klimasystems» abzuwenden. Seither versuchen sie, diese Absicht in konkrete Politik umzusetzen. Der Pariser Klimagipfel soll im Dezember ein entsprechendes Abkommen aushandeln – nachdem der Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen an dieser Aufgabe scheiterte. Bisher hat die ganze Diplomatie wenig gefruchtet; der Treibhausgas-Ausstoß hat sich in den letzten 23 Jahren nur beschleunigt. Weil das Problem zu komplex ist? Nein: Weil es so entwaffnend einfach ist und die Entscheidungsträger alles tun, um die einfachen Wahrheiten nicht sehen zu müssen. Eine Klärung in acht Antworten. Langsam beginnt die Politik zu entdecken, wie wichtig eine ganz andere Verkehrspolitik gerade angesichts des Klimawandels wäre. Bis das Velo aber über einzelne Städte hinaus als Verkehrsmittel ernst genommen wird, ist es noch ein weiter Weg. – Beitrag zum Klima-Schwerpunkt im Velojournal Nr. 6/2015.
Im Oktober haben die EU-Transportminister eine «Deklaration über das klimafreundliche Radfahren» verabschiedet. (ganzen Artikel als PDF runterladen).
Im Dezember wollen die Uno-Mitglieder in Paris einmal mehr versuchen, die Klimakatastrophe abzuwenden. Eine wichtige Diskussionsgrundlage bietet ihnen dabei der Bericht des Weltklimarats IPCC. Dieser sagt: Das Ziel ist erreichbar – aber nur unter unrealistischen Annahmen. Doch was taugt die Arbeit des hochgleobten Gremiums, wenn es um Lösungen geht? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 8. Oktober 2015 und «Telepolis» vom 28. November 2015. Wenn sich die Uno-Mitglieder im Dezember in Paris treffen, haben sie eine klare Zielvorgabe: Sie sollen ein Abkommen auf den Weg bringen, das geeignet ist, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf 2 oder allenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das überhaupt noch zu erreichen? Manche meinen nein. Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, hat die 2-Grad-Grenze als ein «nettes Utopia» bezeichnet (das so nett notabene nicht wäre – schon bei 2 Grad Erwärmung wären viele Folgen verheerend). Im Rahmen einer Recherche (der daraus resultierende Artikel erscheint am 8. Oktober in der WOZ) über das Intergovermental Panel on Climate Change (IPCC) interviewte ich kürzlich Anthony Patt, Professor für Klimaschutz an der ETH Zürich und IPCC-Hauptautor. Tony hat ein sehr viel tieferes Verständnis von technologischem Wandel, als es die meisten seiner IPCC-Autorenkollegen – mehrheitlich (neoklassische) Ökonomen – haben, und in den meisten Punkten waren wir uns einig. Trotzdem entwickelte sich aus dem Interview ein Gespräch, und in einem Punkt habe ich Tony widersprochen.
Kurz später publiziert Tony einen Post auf dem Zukunftsblog der ETH, in dem er auf unser Gespräch zu sprechen kommt – und einer der zentralen Aussagen seines eben publizierten Buchs neu überdenkt. Soll niemand sagen, Wissenschafsjournalisten sollten sich aufs Kolportieren des Wissens der Fachleute beschränken, da allfällige Kritik für die Wissenschaft sowieso irrelevant sei (vgl. hier, Seite 1)! ACHTUNG: DIESER TEXT WIRD AUF MOBILGERÄTEN WOMÖGLICH NICHT KORREKT DARGESTELLT! Nüchtern-pragmatisch und grenzenlos optimistisch zugleich, antiromantisch und Wildnis-verliebt, rhetorisch progressiv und völlig apolitisch: Ein «ökomodernistisches Manifest» aus Kalifornien bezirzt mit merkwürdigem intellektuellem Sex-Appeal. – WOZ Die Wochenzeitung vom 9. Juli 2015 Ein im April publiziertes «Ecomodernist Manifesto» aus dem Umfeld des Thinktanks The Breakthrough Institute postuliert, katastrophale Folgen des Klimawandels und anderer Umwelprobleme seien nur durch forcierten technischen Fortschritt abzuwenden. Gelinge das, so könne das Anthropozän – das Zeitalter, in dem der Mensch der bestimmende Umweltfaktor ist – eine bessere Welt bringen.
Eine sehr kalifornische, schöne Idee. Leider sind die meisten zentralen Punkte von Problemanalyse wie Lösungsvorschlägen falsch. – Hier, in Ergänzung zu meinem Artikel in der WOZ, eine Kritik, Punkt für Punkt. Die Schweiz setzt in der Klimadiplomatie neue Massstäbe – in Zynismus. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 5. März 2015 Ende Jahr soll eine Uno-Konferenz in Paris schaffen, was 2009 in Kopenhagen scheiterte: ein Abkommen zum Klimawandel. Bis Ende März müssen die Staaten darlegen, wozu sie sich im Rahmen eines solchen Abkommens verpflichten wollen. Das hat Bundesrätin Doris Leuthard für die Schweiz nun getan. Damit legt die Schweiz ihre Karten als erstes Land auf den Tisch. Man wolle dadurch «andere Länder beeinflussen und einen Standard setzen», sagt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gegenüber der WOZ. Tatsächlich setzt die schweizerische Eingabe Marken. Bezüglich Zynismus. Was, wenn das Sklavenproblem so «gelöst» worden wäre, wie wir heute das Klimaproblem «lösen»? – Ein Gedankenexperiment im «Tages-Anzeiger» und «Bund» vom 17. Februar 2015 Ende 2015 soll die UNO-Klimakonferenz in Paris schaffen, was vor sechs Jahren in Kopenhagen misslang: ein Klimaabkommen, das den Klimawandel stoppt. Anfang 2015 jährte sich zum 150. Mal die offizielle Abschaffung der Sklaverei durch den US-Kongress. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Doch es gibt Parallelen: Eine wirksame Klimapolitik müsste den Weg aus der Nutzung der wichtigsten Energierohstoffe weisen – Öl, Kohle und Gas. Der US-Kongress verbot 1865 die Nutzung einer entscheidenden Energiequelle der industriellen Revolution – der menschlichen Zwangsarbeit(1). Und genauso, wie heute das – CO2 verursachende – Erdöl im Zentrum der Weltwirtschaft steht, bildete die – von Sklaven produzierte – Baumwolle das Rückgrat des frühen Industriekapitalismus.(2) Eine wirksame Klimapolitik muss mächtige wirtschaftliche Interessen überwinden. Auch die Abschaffung der Sklaverei setzte sich gegen starke wirtschaftliche Interessen durch: Die Sklaverei war vor 150 Jahren höchst profitabel. Aber während damals die Argumente der Menschlichkeit siegten, dominiert heute das Argument der – kurzfristigen – Wirtschaftlichkeit über den Erhalt der Lebensgrundlagen. Das hat damit zu tun, dass ein Grossteil der Politik bis heute der Maxime folgt, die Margaret Thatcher so formulierte: «Es gibt keine Alternative.»
Was wäre geschehen, wenn man im 19. Jahrhundert so gedacht hätte? Und die Sklaverei weiter so behandelt hätte, wie man heute das Klimaproblem angeht? Eine Fabel. Rezension von Mike Hulme: Streitfall Klimawandel, München 2014. – Gibt es ein ideales Klima? Die Frage könnte auch von LeugnerInnen des Klimawandels stammen. Doch Mike Hulme will damit über den unfruchtbaren Gegensatz von Natur und Kultur hinausgelangen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 29. Mai 2014 Wer als JournalistIn über Klimawissenschaft schreibt, kennt den Konflikt: Einerseits gibt es keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, dass wir uns auf dem Weg zu einer dramatischen Erwärmung befinden. Jede Diskussion mit Leuten, die es immer noch nicht wahrhaben wollen, ist da Zeitverschwendung. Wenn aber andererseits KlimawissenschafterInnen meinen, die Medien müssten nur endlich den Menschen die Wahrheit über den Klimawandel vermitteln – dann kann ein kritischer Journalismus nicht zustimmen. DER NEUE IPCC-BERICHT – Die Katastrophe kann abgewendet werden, sagt der neue Bericht des Weltklimarats. Bloss: Realistisch scheint das nicht. Um weiter hoffen zu können, müsste man das Denkparadigma der ökonomischen Wissenschaften verlassen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. April 2014 «Dieser Bericht zeigt auf, wie gross die Herausforderung ist», sagte Ottmar Edenhofer vor den Weltmedien. «Er bietet aber auch Anlass zu Hoffnung», fuhr er fort, um gleich zu präzisieren: «zu bescheidener Hoffnung.»
ENERGIESTRATEGIE 2050 – Warum die Energiestrategie 2050 scheitern wird. Was nötig wäre. Wie eine liberale Politik aussähe. Und warum der Energieartikel der Bundesverfassung, richtig verstanden, eigentlich genügen sollte. – «Das Magazin» vom 16. März 2013 Dass ihnen der Tsunami im fernen Japan so viel Arbeit bescheren würde, haben die Beamten des Bundesamts für Energie (BFE) vor zwei Jahren nicht geahnt. Die Katastrophe von Fukushima kippte die politischen Mehrheiten in Sachen Atomenergie. Der Bundesrat gab seine «Energiestrategie 2050» in die Vernehmlassung, um darzulegen, wie der Atomausstieg samt «Energiewende» gelingen soll. 460 Vernehmlassungsantworten liegen nun zur Bearbeitung beim zuständigen Bundesamt.
ENERGIESTRATEGIE 2050 – Der Bundesrat hat dargelegt, wie er den Atomausstieg und die «Energiewende» vollziehen will und seine «Energiestrategie 2050» in die Vernehmlassung geschickt. Es ist ein Strauß, kein Wurf. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 4. Oktober 2012 Zuhinterst im Glarnerland materialisiert sich ein Stück Schweizer Energiezukunft. Die Kraftwerke Linth-Limmeren bauen ein gigantisches neues Pumpspeicherkraftwerk. Die Hauptinvestorin Axpo rechnet mit einer Amortisationszeit von achtzig Jahren für ihre 2 Milliarden Franken. Doch keine drei Jahre nach Baubeginn zweifeln Brancheninsider, ob große Pumpspeicherwerke in den Bergen überhaupt noch ein Geschäftsmodell sein können. Die Rahmenbedingungen ändern zur Zeit sich rasant im Energiebereich. Doch der Bundesrat möchte ins Gesetz schreiben, dass neu gekaufte Autos Ende 2020 noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen und die Schweiz 2050 24.220 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen (ohne Wasserkraft) produziert. |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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