Natürlich: Man rettet die Welt nicht, indem man beschliesst, sie dürfe nicht untergehen (aber etwas anderes, als Beschlüsse zu fassen, kann eine Uno-Konferenz nicht tun). Ein Text, dem 195 Staaten zustimmen, ist ein Kompromiss. Das Geld, mit dem die reichen Staaten die armen in ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen sollen, reicht nirgendwo hin. Der Vertrag verpflichtet die Staaten, ihre klimapolitischen Zusagen regelmässig zu überprüfen, aber nicht, sie zu verschärfen, und er sieht keine Sanktionen vor. Und was an Zusagen zur Zeit vorliegt, ist sehr weit weg von dem, was das Abkommen erreichen will: die globale Erwärmung auf «deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, um sie unter 1,5 Grad zu halten».
Aber, hey: Die Vereinten Nationen haben – ohne Gegenstimme – beschlossen, das Zeitalter der fossilen Energien zu beenden, mithin den wichtigsten Treibstoff der Weltwirtschaft seit dem 19. Jahrhundert aufzugeben! Zwar ist das Wort «Dekarbonisierung» in der zweitletzten Überarbeitungsrunde aus dem Vertragstext rausgefallen; jetzt steht da etwas schwammig, dass die Treibhausgasemissionen in der zweiten Jahrhunderthälfte netto null erreichen müssen.
Dass die bisherige Politik bei weitem nicht ausreicht, das Ziel zu erreichen, stellt das Abkommen in seiner Präambel «mit ernstem Bedenken» selbst fest. Und dass Länder wie Russland oder Saudiarabien es ernst meinen könnten, fällt schwer zu glauben. Aber «Paris» schafft ein Momentum und setzt ein Ziel, auf das man sich berufen kann. Mit «Paris» hat ab sofort jede Erschliessung neuer fossiler Energiequellen, jeder Neubau eines Kohle- oder Gaskraftwerks oder einer Pipeline, jeder Flughafenausbau, jede neue Ölheizung, jeder in die Fossilwirtschaft investierte Franken, aber auch jedes Freihandelsabkommen, das die Diskriminierung fossiler Energie verbieten will, ein Rechtfertigungsproblem. Es ist jetzt an den BürgerInnen und den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Regierungen ihrer Länder darauf zu behaften, was sie beschlossen haben.
Der Erfolg wurde möglich dank vieler Faktoren. Entscheidend für die Dynamik der letzten Konferenztage war die Initiative der EU und der AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik), eine «Koalition der hohen Ambitionen» zu gründen, der alsbald weitere Staaten beitraten, darunter die USA, Brasilien, die Philippinen – und auch die Schweiz. Die Koalition bekannte sich zum 1,5-Grad-Ziel. Die Schweiz hat ihre Klimapolitik bisher am 2-Grad-Ziel orientiert und war auch dafür zu schwach. Wird sie ihre Politik neu ausrichten?
«Schon mit dem 2-Grad-Ziel gibt es noch viel zu tun», sagte Bundesrätin Doris Leuthard der WOZ abwehrend, «und Sie kennen ja unser Parlament.» Womit sie natürlich Wahres sagt – aber man würde sich von einer Umweltministerin doch etwas beherzte Leadership erhoffen. Ausserdem wolle man nun erst mal den nächsten Bericht des Weltklimarats IPCC abwarten. Als bliebe dafür Zeit, als wäre das nötig. «Hoch ambitioniert» ist anders.
«Paris» ist ein immenses Versprechen, aber es erfüllt sich nicht von selbst. Seine Feinde sind nach wie vor mächtig. Jetzt gilt es, den Schwung zu nutzen und das Versprochene einzufordern. Jetzt beginnt eine grosse Arbeit.