Marcel Hänggi
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Dafür gibt es nicht genug Ausland

7/3/2015

 
Die Schweiz setzt in der Klimadiplomatie neue Massstäbe – in Zynismus. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 5. März 2015

Bild
Ende Jahr soll eine Uno-Konferenz in Paris schaffen, was 2009 in Kopenhagen scheiterte: ein Abkommen zum Klimawandel. Bis Ende März müssen die Staaten darlegen, wozu sie sich im Rahmen eines solchen Abkommens verpflichten wollen. Das hat Bundesrätin Doris Leuthard für die Schweiz nun getan. Damit legt die Schweiz ihre Karten als erstes Land auf den Tisch. Man wolle dadurch «andere Länder beeinflussen und einen Standard setzen», sagt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gegenüber der WOZ. Tatsächlich setzt die schweizerische Eingabe Marken. Bezüglich  Zynismus.

Gleichsam beiläufig unterläuft die Schweiz nämlich einen zentralen Pfeiler der Klimaverhandlungen: Die Staaten sollen «entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, ihren jeweiligen Fähigkeiten sowie ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage» handeln. So steht es im Klima-Rahmenabkommen von 1992, und so sehr man über die Auslegung des Satzes streitet, so war bislang doch klar: Wer reich ist und in der Vergangenheit viele Treibhausgase ausgestossen hat, soll sich stärker anstrengen.

«Verantwortung» neu definiert

Die Schweiz schreibt nun aber frech, sie trage nur «geringe Verantwortung», stosse sie doch nur 0,1 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus. Was sie nicht schreibt: Weil SchweizerInnen auch 0,1 Prozent der Weltbevölkerung stellen, ist ihr Pro-Kopf-Ausstoß eben nicht gering, sondern durchschnittlich – zur Zeit. In der Vergangenheit war er klar überdurchschnittlich, und die Schweiz ist reich. Sie müsste sich mithin überdurchschnittlich anstrengen. 

Der Bundesrat will die Emissionen in der Schweiz bis 2030 aber lediglich um 30 Prozent senken. Dazu addiert er 20 Prozent, deren Gegenwert die Schweiz im Ausland einkaufen soll. Dieses Ziel liegt zwar im Rahmen der 40 bis 70 Prozent Reduktion, die der Uno-Klimarat (ausgehend von überoptimistischen Annahmen) bis 2030 für nötig hält, um die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Die spezielle Verantwortung und Fähigkeit der Schweiz sind da aber nicht berücksichtigt. 

Dass eine zielführende Klimapolitik der der Schweiz als reichem Land leichter fallen sollte als anderen, bestreitet die Eingabe rundweg: die «Verfügbarkeit kurzfristiger kosteneffizienter Einsparpotenziale», heisst es lakonisch, sei «begrenzt». Als ginge es um Kurzfristigkeit!

Und weil Emissionsreduktionen, in der Logik des Bundesrats, in der Schweiz eben schwieriger seien als anderswo, «übersetzt sich die gleiche Anstrengung in weniger Emissionsreduktion als in anderen Ländern», sagt das Bafu gegenüber der WOZ. Man kann sich ausmalen, dass jedes Land eine Ausrede dieser Art in petto hat.

Einkaufen statt selber handeln

Weil die Schweiz ihre Emissionen laut dem geltenden CO2-Gesetz bis 2020 bereits um 20 Prozent senken muss, würde das jetzt deklarierte Ziel für die nächste Dekade noch ein Minus von einem Prozentpunkt pro Jahr bedeuten – deutlich weniger, als das CO2-Gesetz für heute verlangt. Dass die Schweiz ihre «Reduktionsziele kontinuierlich verschärft», wie es in der Eingabe heisst, stimmt also nicht mit dem Reduktionsziel überein. 

Es sei denn, man erkenne in den 20 Prozent, die man im Ausland einkaufen will, gleichwertige Reduktionen. Die Idee, Reduktionen zuzukaufen, statt selber zu reduzieren, wurde 2007 im Seco gegen den damaligen Umweltminister Moritz Leuenberger ausgeheckt (s. WOZ Nr. 41/07). Oberste Seco-Chefin war seinerzeit Doris Leuthard, und es scheint, Leuthard – sonst Meisterin der Kehrtwenden – habe sich von ihren ehemaligen Vordenkern noch nicht wirklich emanzipiert. 

Damit will die Schweiz einen Weg einschlagen, der nicht allen offen stehen kann. Denn gerade die Schweiz pocht auch darauf, dass sich künftig sämtliche Staaten zu Reduktionen verpflichten. Wenn aber alle reduzieren müssen und alle dies im Ausland tun möchten – wer könnte dann noch Ausland sein! 

Solidaritätsverweigerung

Ein künftiges Abkommen muss nicht nur regeln, wer was tut, um die Emissionen zu senken. Es sollte auch die Lasten einigermassen gerecht verteilen, werden doch gerade die ärmsten Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, besonders stark darunter leiden. Zu diesem ganzen Bereich schweigt sich die reiche Schweiz aus. Sie setzt damit ein weiteres Zeichen: eines der Solidaritätsverweigerung – und wird doch nicht darum herumkommen, sich spätestens in Paris mit dieser Frage zu befassen.

Marcel Hänggi


Nachtrag am 31. Mai 2015

Die Absichtserklärung der Schweiz ist ungenügend, gemessen an den Erfordernissen, aber leider muss man auch feststellen, dass die Schweiz damit noch zu den Musterschülern gehört: Bis am 1. April hätten nämlich alle Staaten ihre Absichtserklärungen (ihre «Intended Nationally Determined Contributions», INDC) bekannt gegeben haben sollen. Tatsächlich lagen am Stichtag nur sieben INDCs vor (darunter die der EU, die für alle EU-Mitglieder gilt). Die EU und Norwegen haben ähnlich (un-) ambitionierte Ziele wie die Schweiz vorgelegt, die USA wollen ein bisschen reduzieren, aber gegenüber dem Referenzjahr 2005 (statt, wie üblich, 1990); Russland will künftig zwar weniger als 1990, aber mehr als 1998 emittieren; Mexiko und Gabun versprechen statt einer Senkung der Emissionen eine Reduktion der Emissionszunahme. Bis Ende Mai kamen dann noch Liechtenstein, Andorra und Kanada hinzu, wobei Kanadas Absichtserklärung ungefähr auf dem russischen Niveau liegt.

Das ist jämmerlich (aber es geht ja auch bloß um die Rettung der Welt). Die Schweiz darf sich also brüsten, zu den ambitioniertesten Klimaschützern zu gehören. Man kann die bisherigen Eingaben aber auch anders lesen: Sie zeigen, wie absurd die Argumentation ist, man wolle sich genau zu so viel Anstrengung verpflichten, dass die Katastrophe gerade noch zu vermeiden sei, falls alle anderen sich gleich fest anstrengen.

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​Mitarbeiter Schweizerische Energie-Stiftung
    ​
    Zürich


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