Vortrag von investigativ.ch-Geschäftsführer Marcel Hänggi am Seminar «Follow the Money!» des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) am 21. Mai 2014 in Bern*
Wenn man vier öffentliche Stellen um Informationen angeht und drei mal angelogen wird, läuft etwas falsch. Dass es sich bei den Stellen um Universitäten handelt, ist besonders stoßend. Vortrag von investigativ.ch-Geschäftsführer Marcel Hänggi am Seminar «Follow the Money!» des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) am 21. Mai 2014 in Bern* Wissenschafter/innen versuchen, wahre Aussagen über die Welt zu machen. Sie sind dabei der Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet. In unserem heutigen Seminar «Follow the Money» geht es darum, inwieweit dieses Ideal dadurch gestört wird, dass neben der Wahrheitssuche eben auch andere Faktoren – etwa: Geld – wissenschaftliches Handeln leiten.
HOCHSCHUL-SPONSORING – Wie weit dürfen private Geldgeber bei der Berufung von ProfessorInnen mitreden? Die WOZ hat eine Umfrage bei den Schweizer Universitäten gemacht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 15. Mai 2014 Die ETH Lausanne (EPFL) hat dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé ein Vetorecht bei der Berufung zweier ihrer Professoren eingeräumt. Diese Enthüllung der WOZ von letzter Woche wird am 16. Mai für Diskussionen in der nationalrätlichen Wissenschaftskommission (WBK) sorgen (siehe WOZ Nr. 19/2014). Schon länger hat die WBK für ihre Sitzung das Thema der Privatmittel an den Universitäten sowie der Transparenz über diese Mittel traktandiert und VertreterInnen aller Unis und der beiden ETHs zu einem Hearing geladen. WBK-Präsident Matthias Aebischer (SP, Bern) hatte gegenüber der WOZ gesagt, es werde Regeln brauchen, «sollten es die Universitäten und die beiden ETHs übertreiben». Gegenüber Radio SRF wurde er etwas deutlicher: Ein Vetorecht für private Geldgeber bei Berufungen liege nicht drin. EPFL-Präsident Patrick Aebischer sieht darin hingegen kein Problem. Dass ein Geldgeber mitbestimme, sei doch selbstverständlich, und «alle Welt macht das so», sagte er in einem Fernsehinterview mit Radio Télévision Suisse (RTS). Tut sie das wirklich?
Ende 2006 hatte die EPFL bestritten, Nestlé inhaltliche Mitspracherechte einzuräumen. (Bild: Monatge WOZ)
DER NEUE IPCC-BERICHT – Die Katastrophe kann abgewendet werden, sagt der neue Bericht des Weltklimarats. Bloss: Realistisch scheint das nicht. Um weiter hoffen zu können, müsste man das Denkparadigma der ökonomischen Wissenschaften verlassen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. April 2014 «Dieser Bericht zeigt auf, wie gross die Herausforderung ist», sagte Ottmar Edenhofer vor den Weltmedien. «Er bietet aber auch Anlass zu Hoffnung», fuhr er fort, um gleich zu präzisieren: «zu bescheidener Hoffnung.»
Es heißt, die SVP-Abschottungsinitiative vom 9. Februar habe die Wachstumsfrage gestellt, und Ecopop stelle sie – radikaler – noch einmal. Und so hätten wir denn, wie es der «Tages-Anzeiger» formulierte, die Wahl zwischen der (wachstumsfreundlichen) «Ehrgeiz-Schweiz» und der (wachstumskritischen) «Ballenberg-Schweiz». Aber das ist Unsinn. SVP und Ecopop sabotieren eine dringend nötige Debatte. Gerade wer wachstumskritisch denkt, muss zu Ecopop Nein sagen. Worauf müssen wir verzichten?«Die Zeit» (Schweiz) vom 4. April 2014
Von Marcel Hänggi Die Wirtschaft muss wachsen! Über kaum ein Ziel ihrer Politik sind sich die Regierungen der Welt so einig wie über dieses. Dafür gibt es gute Gründe: Ohne Wirtschaftswachstum steigt die Arbeitslosigkeit, kollabieren die Sozialwerke, kann der Schuldendienst nicht mehr geleistet werden. Und: Ohne Wachstum kann man nicht den Armen versprechen, sie würden eines Tages genug bekommen, ohne gleichzeitig den Reichen etwas wegzunehmen. Wirtschaftswachstum ist ökonomische Notwendigkeit und politisches Sedativum. Zwei Monate, nachdem die Uni Zürich ihren Geheimvertrag mit der UBS aufgrund öffentlichen Drucks publiziert hat, müssen auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne Verträge mit Lehrstuhlsponsoren offen legen. Der Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat entsprechende Akteneinsichtsgesuche von mir gutgeheissen. Die ETH müssen zudem offen legen, welchen Nebenbeschäftigungen ihre ProfessorInnen nachgehen.
Das ist ein grosser Schritt für mehr Transparenz. Nebenbeschäftigungen von Wissenschaftern können zu Interessenkonflikten führen. Transparenz schafft Interessenkonflikte zwar nicht aus der Welt, erlaubt der Öffentlichkeit aber, differenziert zu urteilen. Deshalb verlangen führende wissenschaftliche Fachjournale von ihren AutorInnen schon länger, ihre Interessenbindungen zu deklarieren. In den USA forderte 2010 der Direktor der Wissenschafts-Förderagentur NIH, Francis Collins, ein öffentliches Register der Interessenbindungen von ForscherInnen; er drang damit aber nicht durch. >> zu den Akteneinsichtsgesuchen im Detail >> zur Argumentation der beiden ETH sowie des EDÖB ENZYKLOPÄDIE ZEITGENÖSSISCHER IRRTÜMER (FOLGE 41): Noch nie bewegten sich die Menschen so wenig wie heute. Ein Tor, wer behauptet, wir würden immer mobiler! – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 30. Januar 2014 So unversöhnlich die Positionen in der Verkehrspolitik sind, in einem herrscht Konsens: Die Menschen würden immer mobiler. Was damit zu tun habe, dass Mobilität immer billiger werde. Zu billig, finden manche (hier ist es mit dem Konsens vorbei). Deshalb müsse die Mobilität teurer werden.
Aber das ist Unsinn. Eine kleine Zitatenschau Ende November hat die Uni Zürich ihren Vertrag mit der UBS Foundation bis auf wenige Passagen offen gelegt. Der Inhalt des Vertrags, der der UBS eine weit gehende Präsenz an der Uni Zürich garantiert, hat eine Debatte ausgelöst. Bemerksenswert ist, dass namentlich auch von der Uni Zürich selber ganz neue Töne kommen, seit Rektor Andreas Fischer zurückgetreten ist. Ich habe dazu eine kleine Zitatenschau zusammengestellt: «Sponsoringverträge sind keine einfache Sache, wie wir jetzt erfahren durften. Hier lernen wir gerade dazu. (…) Wir werden als öffentliche Institution auf Verlangen Verträge zur Einsicht bereit stellen.» Otfried Jarren, Rektor der Universität Zürich ad interim, an der Medienkonferenz vom 4. Dezember 2013. «Für mich ist Sponsoring an Universitäten ein Grenzfall. Denn es geht um Leistung und Gegenleistung: Sichtbarkeit und Markenpräsenz. Das ist nicht immer einfach. (…) Ein Sponsoring wie bei der UBS wird es in dieser Form nicht mehr geben.» Otfried Jarren, Rektor der Universität Zürich ad interim, im Interview mit der Schweiz am Sonntag am 8. Dezember 2013.
Der Geheimvertrag – WOZ Die Wochenzeitung vom 28. November 2013 Die Universität Zürich wehrte sich heftig dagegen, dass ihr Vertrag mit der UBS Foundation offengelegt werden muss. Nun wird klar, weshalb: Die Bank erhält mit ihrem Markenzeichen versehene Räume und garantierten Einfluss am Volkswirtschaftlichen Institut. Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen hat entschieden, dass die Universität Zürich ihren Geheimvertrag mit der UBS Foundation fast vollständig* offenlegen muss (siehe WOZ Nr. 42/2013). Das hat die Uni diese Woche getan.
Trotzdem habe ich mich vom Atlantic inspirieren lassen, meine eigene Liste zu erstellen. Nicht 50, sondern nur 10. Und nicht die 10 wichtigsten, sondern 10 ziemlich wichtigste: Das Rad. Die Atomspaltung. Die Anästhesie. Die Dampfmaschine. Das Auto. Der Kompass. Die Seitennummerierung. Bohnen, Akazien und Klee. Das Butterfass. Wellblech.
ÖKONOMISIERUNG DER WISSENSCHAFT – Schweizer Hochschulen werden wie Unternehmen im globalen Wettbewerb geführt. Das ist nicht im Sinn der Wissenschaft, warnt der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 14. November 2013 «Die Universität im Ruin», «Wissenschaft in privatem Interesse», «Universität AG. Die Korrumpierung der höheren Bildung» – Bücher, die sich in den letzten fünfzehn Jahren mit dem Zustand der Akademie befassten, lassen ahnen: Da geht die Post ab. Die Wissenschaftslandschaft verändert sich dramatisch. Hierzulande haben das aber erst wenige bemerkt.
Der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat (SWTR), ein Beratungsorgan des Bundesrats, hat nun zwei Berichte zum Thema publiziert und Empfehlungen formuliert – der Inhalt hat es in sich.
Die vorliegende Studie bietet einen Überblick über die wichtigsten Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb und illustriert deren Auswirkungen an zahlreichen Beispielen.
Die Studie, herausgegeben von Ueli Mäder und Simon Mutier, erscheint in der Edition Gesowip. 248 Seiten, 15 Franken. Bestellungen: info@gesowip.ch. > Zu meinem Dossier «Wissenschaft und Industrie». Podiumsgespräch an einer Tagung von SIA, Stadt Zürich und EnergieSchweiz am 18. Juni 2013. Mit Marcel Hänggi, Thomas Held, Rudolf DIeterle, Rahel Gessler und Hans-Georg Bächtold. Moderation: Daniele Ganser.
Technischer Fortschritt ist kein Selbstläufer Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil XII meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ. «Die Steinzeit ging nicht zu Ende, weil die Steine ausgingen», sagte der frühere saudische Erdölminister und starke Mann der Opec, Scheich Ahmed Zaki Yamani, einmal, «und das Erdölzeitalter wird nicht zu Ende gehen, weil das Erdöl aufgebraucht ist.» Der Spruch ist gut und wird dementsprechend gerne zitiert. Er enthält das Credo des Techno-Optimismus: Der Fortschritt kommt unweigerlich, und er kommt rechtzeitig. ENERGIESTRATEGIE 2050 – Warum die Energiestrategie 2050 scheitern wird. Was nötig wäre. Wie eine liberale Politik aussähe. Und warum der Energieartikel der Bundesverfassung, richtig verstanden, eigentlich genügen sollte. – «Das Magazin» vom 16. März 2013 Dass ihnen der Tsunami im fernen Japan so viel Arbeit bescheren würde, haben die Beamten des Bundesamts für Energie (BFE) vor zwei Jahren nicht geahnt. Die Katastrophe von Fukushima kippte die politischen Mehrheiten in Sachen Atomenergie. Der Bundesrat gab seine «Energiestrategie 2050» in die Vernehmlassung, um darzulegen, wie der Atomausstieg samt «Energiewende» gelingen soll. 460 Vernehmlassungsantworten liegen nun zur Bearbeitung beim zuständigen Bundesamt.
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AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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