
Zaki Yamanis Spruch steht für Fehlwahrnehmungen bezüglich technischen «Fortschritts», die weit verbreitet sind und das Reden über Technik erschweren. Er eignet sich deshalb dazu, unsere kleine Technikglosse mit drei resümierenden Betrachtungen abzuschliessen.
Erstens: Es setzt sich nicht immer die jeweils beste Technik durch. Mit Techniken sind Interessen verbunden. Wenn die Lobby der «schlechteren» Technik stark genug ist – und es gab wohl nie eine mächtigere Lobby als die Erdöllobby –, kann sich diese eben durchsetzen und halten.
Zweitens: Techniken, die in Gebrauch sind, bringen den Massstab, nach dem sie als besonders gut gelten, zu einem gewissen Grade selber hervor. Mit der Kohle und noch mehr mit dem Erdöl hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die extrem viel Energie verbraucht und die diese Energie aus zentralisierten Strukturen bezieht. In der Logik dieser Gesellschaft kann es nichts geben, was «besser» wäre als Erdöl: Diese Gesellschaft braucht hochkonzentrierte, leicht transportierbare und billige Energieträger. Das Erdöl hat eine Pfadabhängigkeit geschaffen – ähnlich der «QWERTY»-Schreibmaschinentastatur: Mag man die Anordnung der Tasten auf der Tastatur auch falsch finden, sie ist praktisch nicht mehr überwindbar. Die gute Nachricht ist, dass Pfadabhängigkeiten mitunter unverhofft überwunden werden: Mit dem SMS-Schreiben hat sich sehr plötzlich ein anderes Tastensystem etabliert, auf dem manche Menschen virtuoser schreiben als auf der alten Schreibmaschinentastatur!
Drittens schliesslich ist es selten so, dass das Neue, unter den gegebenen Umständen Bessere das Alte, Schlechtere verdrängt. Vielmehr lebt das Alte neben dem Neuen fort: Wir verbrauchen heute mehr Steine als in der Steinzeit, mehr Kohle als im Kohlezeitalter der Frühindustrialisierung und mehr Brennholz denn je. Die Dampfmaschine hat die Sklavenarbeit nicht verdrängt, in der Neuzeit wurde viel mehr von Hand geschrieben als vor der Erfindung des Buchdrucks, und die Zahl der Transportpferde stieg mit der Blüte der Eisenbahn rasant an.
Nichts von dem Gesagten bedeutet, dass technische Neuerungen nicht zum allgemeinen Wohle der Menschheit beitragen könnten. Aber auf den Fortschritt als Selbstläufer dürfen wir nicht zählen.
Marcel Hänggi