Marcel Hänggi
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Wie Hochschulen lügen

21/5/2014

 
Wenn man vier öffentliche Stellen um Informationen angeht und drei mal angelogen wird, läuft etwas falsch. Dass es sich bei den Stellen um Universitäten handelt, ist besonders stoßend.

Vortrag von investigativ.ch-Geschäftsführer Marcel Hänggi am Seminar «Follow the Money!» des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) am 21. Mai 2014 in Bern*

Wissenschafter/innen versuchen, wahre Aussagen über die Welt zu machen. Sie sind dabei der Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet. In unserem heutigen Seminar «Follow the Money» geht es darum, inwieweit dieses Ideal dadurch gestört wird, dass neben der Wahrheitssuche eben auch andere Faktoren – etwa: Geld – wissenschaftliches Handeln leiten.
Ich habe 2005 meine erste «Follow-the-Money-Geschichte» als Wissenschaftsjournalist geschrieben (übrigens unterstützt vom Recherchierfonds des SKWJ). Ich wollte wissen, wie Schweizer Unis und Wissenschaftsinstitutionen mit Interessenkonflikten umgehen. «Conflict of Interest» war damals in den USA ein gut eingeführter Begriff in der öffentlichen Wissenschaftsdebatte. Daran, dass das so war, hatte eine Schweizer Firma großen Anteil: 1998 zahlte die Novartis-Agrarsparte (die spätere Syngenta) der UC Berkeley 25 Millionen Dollar. Architekt der Kooperation war der spätere ETH-Professor Wilhelm Gruissem. Der sehr umstrittene Deal löste eine breite Debatte aus; mehrere Bücher sind darüber geschrieben worden.

Aber trotz des «Schweizer Anteils» an jener Geschichte erlebte ich während meiner Recherche, dass selbst hochrangige Wissenschaftsfunktionäre hierzulande mit dem Begriff «Interessenkonflikt» nichts anzufangen wussten. Als ich 2006 den Präsidenten des Leitungsausschusses des Nationalen Forschungsprogramms 59 (Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen) fragte, wie man damit umgegangen sei, dass manche der Gesuchsteller für Saatgutkonzerne tätig seien, mithin einen Interessenkonflikt aufwiesen, lautete die Antwort nicht (was ja legitim gewesen wäre), man habe sich aus den und den Gründen trotz Interessenkonflikten für die und die Personen entschieden. Nein, die befragte Person wusste keine Antwort. Man hatte in dem Leitungsausschuss offenbar gar nicht an allfällige Interessenkonflikte gedacht.

Das hat sich mittlerweile gebessert; die Universitäten und die Akademien verfügen heute über Richtlinien, in denen es auch um den Umgang mit Interessenkonflikten geht. Aber noch heute ist es so, dass Wissenschafter/innen sich nicht selten allein schon durch meine Frage, ob sie Interessenkonflikte hätten, in ihrer Ehre gekränkt fühlen (so reagierte jüngst Johan Auwerx, der an der ETH Lausanne den «Nestlé Chair for Energy Metabolism» besetzt, gereizt auf meine Frage, ob er von Nestlé unabhängig sei). Wenige sind so offen wie der oben erwähnteWilhelm Gruissem, auf ihrer Website aufzuführen, für wen sie außerhalb der Hochschule tätig sind. Und die beiden ETH versuchten meine Akteneinsichtsgesuche, in denen ich sie darum ersuchte, die ihnen von ihren Profs gemeldeten Interessenbindungen offenzulegen, argumentierten (letztlich erfolglos), eine solche Offenlegung würde Persönlichkeitsrechte verletzen.

Und wenn ich kritische Fragen stelle, ernte ich auch heute noch mitunter den Vorwurf, ich sei wirtschafts-, gar wissenschaftsfeindlich. Ein Kollege bezeichnete mich mal als «Kommunist». Und als jüngst der Zürcher Kantonsrat über das Sponsoring der Uni Zürich durch die UBS debattierte, geißelte ein SVP-Vertreter das «ewige Misstrauen linker Ideologen gegen die Wirtschaft»
***
Um mich hier nun nicht als «linken Ideologen» zu outen, will ich heute keine eigene Bewertungen ins Spiel bringen. Sondern ich will nichts anderes tun, als die Schweizer Universitäten an ihren eigenen Kriterien zu messen. 

Mit vier Unis habe ich bislang ausführlicher zu ihrem Umgang mit dem Privatsponsoring von Lehrstühlen gesprochen: mit den beiden ETH und den Unis Zürich und Basel. 

Die Uni Basel fragte ich, ob ein Geldgeber Einsitz in die Berufungskommission für den von ihm gestifteten Lehrstuhl habe. Auf keinen Fall, lautete die Antwort, denn das wäre mit der wissenschaftlichen Unabhängigkeit unvereinbar. Ein halbes Jahr später erzählte mir Thomas Cueni, Geschäftsführer des Branchenverbands Interpharma, der in Basel einen Lehrstuhl gestiftet hat, von den Berufungssitzungen ... Auf Nachfrage musste die Uni zugeben, dass «in seltenen Fällen» ein Sponsor (ohne Stimmrecht) Einsitz in die Berufungskommission habe.

Die Uni Zürich fragte ich zum konkreten Fall des UBS-Sponsorings, ob es sich um einen Geheimvertrag handle. Natürlich nicht, lautete die Antwort, der Vertrag sei nicht geheim (aber ich dürfe ihn trotzdem nicht sehen). Das war nicht nur widersinnig; der Vertrag enthält eine explizite Geheimhaltungsklausel, wie ich ursprünglich von der UBS Foundation (und nicht von der Uni) erfuhr. Später versuchte die Uni, durch Offenlegung einer eingeschwärzten Vertragskopie den Eindruck zu erwecken, Gegenstand der Kooperation sei nur die (nicht gewinnorientierte) UBS Foundation, nicht aber die Bank selber. Heute wissen wir, dass der Vertrag der Bank Rechte einräumt.

Und die ETH Lausanne (EPFL) sagte mir 2006, nachdem sie ihren Vertrag mit Nestlé unterzeichnet hatte, Nestlé habe keine Mitsprache, weder was die Forschungsinhalte noch was die Auswahl der Professoren auf den von Nestlé gestifteten Lehrstühlen angeht. Das war, wie wir heute wissen, doppelt gelogen. Auf meine Frage, warum er mich 2006 angelogen habe, sagte der damalige Pressesprecher und jetzige Adjunkt des Präsidenten, Nicolas Henchoz: «Je comprends que si l’on reprend mes déclarations de l’époque, sorties de leur contexte et sans précision  quant à leur signification, huit ans après, il convient de repréciser à quoi elles se réfèrent sous peine de créer des amalgames. J’espère que cela est désormais plus limpide et permettra d’éviter toute fausse interprétation ou instrumentalisation.» Korrekt übersetzt bedeutet das, wenn ich mich nicht täusche: «bla bla bla».

Einzig die ETH Zürich, mit deren Vertretern (vom Pressesprecher über den Chef-Fundraiser bis zum Präsidenten) ich schon mehrere Stunden über das Thema diskutiert habe, hat mich bis heute, soweit ich sehe, nie angelogen – wobei auch die ETH sich gegen meine Akteneinsichtsgesuche (erfolglos) wehrte.
***
Niemand von uns ist versucht, das Ideal des oder der nur der Wahrheit verpflichteten Wissenschafters/Wissenschafterin für Realität zu halten (aber wir müssen mit der Erwartung unseres Publikums rechnen, das dies allenfalls tut). Das wäre gar nicht möglich und vielleicht nicht einmal wünschbar. Und noch weniger erwarten wir, von Wissenschaftsinstitutionen immer nur die volle Wahrheit aufgetischt zu bekommen. Aber: Von einer Universität erwarte ich letztlich eben doch mehr Wahrhaftigkeit als, sagen wir, von einem Unternehmen oder einer politischen Partei.

Es ist mir in meinen achtzehn Jahren als Journalist, in denen ich für verschiedene Ressorts arbeitete, nur einmal passiert, dass ich vier öffentliche Stellen zum selben Thema – private Lehrstuhlfinanzierung – befragte und dreimal angelogen wurde. Es geschah mir als Wissenschaftsjournalist, und die Institutionen waren Universitäten. Es ist deshalb offensichtlich: Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was Unis tun, und dem, wozu sie glauben, öffentlich stehen zu können.

Einer der ehrlichen Leute in der Geschichte, ETHZ-Präsident Ralph Eichler, sagte mir mal: «Sehen Sie, man erwartet von uns, dass wir Gelder aus der Wirtschaft einwerben, und man erwartet, dass wir unabhängig sind. Aber die beiden Ziele passen nicht zusammen.»

Was bedeutet das für uns? Es ist banal: Halten wir die journalistischen Tugenden hoch! «Double-check the information», diesen Satz habe ich als journalistischer Anfänger im Bürgerkrieg in Kroatien erstmals gehört. Er gilt auch für uns Wissenschaftsjournalisten. 

Wenn euch jemand sagt: «Wir haben einen ausgezeichneten Vertrag abgeschlossen», dann verlangt den Vertrag zu sehen! Und nutzt dabei die Instrumente, die es gibt – in meinem Fall waren das die Öffentlichkeitsgesetze. Was die Universitäten angeht, kennt heute jeder Universitätskanton der Schweiz außer Luzern sowie der Bund das Öffentlichkeitsprinzip. Nutzt es! Die Gesetze und die Gesetzespraxis sind gut – wenn man sie einfordert. Jurist braucht man nicht zu sein: Mit Hilfe der Website oeffentlichkeitsgesetz.ch kann das jede und jeder. Ich habe in meinen Auseinandersetzungen mit der Uni Zürich und die beiden ETH immer ohne Unterstützung eines Juristen gearbeitet – im Gegensatz zu den Hochschulen, die sich von Anwälten vertreten ließen (und unterlagen). 

Allez-y!

Marcel Hänggi

*Das Seminar «Follow the Money» am 21. Mai 2014 wurde organisiert vom Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus und finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds.  

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​
    Zürich


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