Wenn der Lohas sage »Ich will nicht, dass mein T-Shirt in Sweatshops genäht wurde«, dann sei »ich« das wichtigste Wort des Satzes, schreibt Kathrin Hartmann in »Ende der Märchenstunde«. Hartmann hat sich des Phänomens Lohas mit Lust an der Polemik angenommen. Lohas-Jünger sind für sie Leute, die gelernt haben, das eigene Leben als Projekt zu begreifen, und sicher kein Beitrag zu einer besseren Welt: Sie »sind frei von politischer Haltung und machen deshalb alles nur noch schlimmer«.
»Die Sehnsucht nach Weltrettung«, spottet Hartmann, »ist zur beinahe totalitären Hurra-Veranstaltung geworden, die suggeriert, dass jeder, der sich vorgenommen hat, auch mal so eine Energiesparlampe zu kaufen (…), schon einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz geleistet habe«. Recht hat sie, und wer sich einmal mit Marketingstrategen des Lohas hat herumschlagen müssen, dem ist Hartmanns Furor Balsam auf die Seele. Aber natürlich ist das auch eine Schwäche des Buchs: denn wer tatsächlich glaubt, er könne mit seinem Einkaufskorb die Welt retten, wird es nach ein paar Seiten zur Seite legen. Wer dagegen den Lohas-Boom mit etwas wachem und kritischem Bewusstsein beobachtet, braucht das Buch nicht. Analytisch ist es eher enttäuschend. Der Frühförderungswahn, Wellness, die Generation Golf, Greenwashing und der Manufactum-Katalog, das ist hier alles irgendwie das selbe.
Da kommt der Verdacht auf, die Autorin stelle die Lohas-Jünger dumpfbackiger dar, als sie sind. Eine andere Neuerscheinung bestätigt diesen Eindruck auf den ersten Blick: »Gute Geschäfte« von Franz Alt und Peter Spiegel. Die beiden bekennen sich zwar zur Lohas-Ideologie, aber sie sind keine Nachhaltigkeit-macht-Spaß-Marktschreier. Sie stellen politische Forderungen, und sie nennen das Böse bei Namen. Und das Gute: Das Geschäftsmodell des Mikrofinanz-Pioniers und Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus berge »die Chance auf das bisher größte weltweite Wirtschaftswunder, das zudem eine radikale Wende zu globaler Nachhaltigkeit, Klimaschutz und einer neuen sozialen Balance bedeuten könnte«.
Sehr schön. Leider ist »Gute Geschäfte« eine ärgerliche Ansammlung von Platitüden und aufgeblasenen Metaphern. Die Autoren zitieren ausgiebig, von Jesus bis Barack Obama (»Yes, we can!«) und am liebsten die abgegriffensten Zitate. Etwa Albert Einstein: »Wir nutzen nur zehn Prozent unseres geistigen Potenzials«. Würden wir nur schon elf Prozent nutzen, »wäre eine Überwindung des Raubtier-Kapitalismus möglich«.
Das ist Unfug. Am Elend der Welt ist nicht Dummheit schuld, und die bösen Mächtigen, die das Buch zahlreich nennt, pervertieren nicht das System der Marktwirtschaft. Sondern sie spielen dieses Spiel sehr clever, um ihre Macht zu mehren. Die Analysekategorie »Macht« aber kennen Alt und Spiegel nicht – weshalb sie trotz politischer Forderungen Hartmanns These vom apolitischen Lohas bestätigen.
Gewiss gibt es Beispiele für das, was die Autoren »humane Marktwirtschaft« nennen: Die Marktwirtschaft hatte noch immer für alles eine Nische. Die zentrale Frage aber, wie eine nicht auf »Gier« basierende Wirtschaftsweise aus der Nische heraustreten könnte, berührt das Buch nicht einmal.
Alt und Spiegel bohren sehr dünne Bretter. Denn anstrengen tut sich der Lohas nicht gern.
Marcel Hänggi