Marcel Hänggi
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Probieren geht über studieren

6/27/2012

 
Fruchtfolge mit Hülsenfrüchten
Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil III meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ.

Bild
Pieter Breughel der Ältere: Bauernhochzeit (um 1568). Neue Agrartechniken verhalfen den Niederlanden zu unerhörter wirtschaftlicher, politischer und kultureller Blüte.
«Wir gelangen jetzt» schrieb der große Chemiker Justus Liebig in einem Chemie-Lehrbuch von 1840, «zum wichtigsten Zweck des Feldbaues, nämlich zur Production von assimilirbarem Stickstoff.»

Stickstoff ist in der Natur ausgesprochen häufig: Die Luft besteht zu vier Fünfteln daraus. Doch Luftstickstoff ist sehr reaktionsträge; ihn in den Nährstoffkreislauf einzubringen, ist aufwendig. Deshalb sind Stickstoffverbindungen in der Biosphäre knapp – oder waren knapp, bevor im 20. Jahrhundert die Überdüngung mit von Menschen hergestellten Stickstoffverbindungen zu einem der ganz großen Umweltprobleme wurde.
Liebig war der erste Wissenschafter, der im 19. Jahrhundert begann, Nährstoffkreisläufe zu erforschen. Doch vier Jahrhunderte vor ihm hatten das bereits flämische Bauern getan – ohne eine Ahnung von Stickstoff zu haben.

Die Bauern begannen, auf abgeernteten Getreidefeldern Futterpflanzen anzubauen. Zuvor hatte man die Felder periodisch brach liegen lassen, um den Nährstoffgehalt der Böden zu regenerieren. Mit dem angebauten Futter konnte nun die Stallhaltung intensiviert werden, so dass mehr Gülle zur Düngung der Felder zur Verfügung stand. Der springende Punkt war aber, dass einige der neuen Futtermittel wie Klee, Luzerne oder Wicken Hülsenfrüchtler sind. Nur diese Pflanzen können, dank einer Symbiose mit Knöllchenbakterien, Luftstickstoff binden – sie produzieren «assimilirbaren Stickstoff».

Mit der neuen Anbaumethode verdoppelten sich die Erträge. Trotzdem verbreitete sie sich äußerst langsam: im 17. Jahrhundert nach England, im 18. und 19. nach Mitteleuropa und teilweise erst im 20. Jahrhundert nach Süd- und Osteuropa. Weshalb so zögerlich?

In Flandern gab es bereits im Spätmittelalter eine bedeutende städtische Bevölkerung, die Nahrungsmittel nachfragte, sowie eine Frühindustrie, die Textilfasern brauchte. Die meist selbständigen Landwirte hatten also ein Interesse, mehr zu produzieren, auch wenn sie dafür härter arbeiten mussten. In England lagen die Dinge etwas anders: Hier passte die Abschaffung der Brache in den Trend der Einzäunung (enclosure), mit der die Lords ihren Besitz ausdehnten – auf Kosten von Kleinbauern, deren Vieh bis dahin auf Brachen und Allmenden hatte weiden dürfen. Im Süden und Osten dagegen dominierten Latifundien, die von Lohnarbeitern bestellt wurden. Die neue Technik hätte mehr Lohnkosten verursacht – während Absatzmärkte fehlten. Die unabhängigen Kleinbauern, die es in diesen Gegenden auch gab, waren zu arm, um mit neuen Techniken zu experimentieren.

Die Bedeutung der «ersten landwirtschaftlichen Revolution» für die soziale und ökonomische Entwicklung Europas ist kaum zu überschätzen. Manche Historiker sehen mit ihr den Grundstein zum Kapitalismus gelegt. Ihre Geschichte zeigt, dass selbst eine eklatant überlegene Technik sich nicht durchsetzt, wenn die gesellschaftlichen Voraussetzungen fehlen.

Die «Revolution» war Resultat vorwissenschaftlichen Experimentierens; die Praxis ging der Theorie voraus – wie so oft in der Technikgeschichte. Die Agrarwissenschaften haben mittlerweile begonnen, das anzuerkennen: Die umfassendste Bewertung agronomischen Wissens, die es je gab, das International Assessment of Agricultural Knowledge,Science and Technology for Development (IAASTD) von 2008, bezieht bäuerliches Erfahrungswissen ausdrücklich mit ein.

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    Autor

    Marcel Hänggi, ​Zürich
    wissenschaftlicher Mitarbeiter Verein Klimaschutz Schweiz (Gletscher-Initiative)
    Journalist | Buchautor
    ​dipl. Gymnasiallehrer


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