Marcel Hänggi
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Ypsilonproblem

22/2/2024

 
Bild
Y vor Sihlpost. Undatierte Visualisierung, Tiefbauamt des Kantons Zürich
Am 21. Februar 2024 teilt der Bundesrat mit, dass er das seit Jahrzehnten klinisch tote Zürcher Autobahn-Ypsilon nun auch offiziell für tot erklärt. 
​
Aus diesem Anlass poste ich hier den Eintrag, den 2021 ich für den Buchstaben Y im «Lexikon der Probleme» der WOZ verfasst habe WOZ-Beilage wobei Nr. 2/2021).

Ypsilonproblem • Das sog. Ypsilon-P. ist eine verkehrstechn. Fehlplanung für die schweiz. Stadt Zürich. Als exemplarischer Ausdruck versteinerten (betonifizierten) Denkens stellt es ein P. dar, das aus der Zeit, aber noch nicht aus allen Planungsgrundlagen gefallen ist, obwohl es sich mit einem Federstrich beseitigen liesse.
Im Zeichen «Y» verbinden sich drei Arme; diese trennen aber gleichzeitig drei Segmente voneinander ab, womit das Schriftzeichen ein Dilemma der Verkehrspolitik erfasst, das insbes. für Autobahnen gilt: Strassen, die verbinden sollen, trennen. Man schrieb die 50er Jahre des 20. Jh. und wollte das primäre P. lösen, dass Menschen in die Stadt und durch sie hindurch wollen. Und wenn moderne Menschen irgendwo hinwollen (dachten die Planer), wollen sie das vorzugsweise eingekapselt in eigenem Blech, mit eigenen vier Rädern und eigenem Motor. Das Y. entstand als sekundäres P. beim Versuch, das primäre zu lösen (→ Problem an sich). Dass jeder Strassenausbau die Verkehrsnachfrage erhöht, wusste man schon damals; doch man ignorierte es oder nahm es billigend in Kauf. Man war schliesslich für den Fortschritt.

Gebaut wurde das Y in Teilen. Heute präsentiert es sich in Form dreier Arme, die sich nicht treffen und die Automassen stattdessen von Norden durch den Milchbucktunnel an die Limmat, von Süden auf Betonstelzen über die Sihl ins Sihlhölzli und von Westen zum Hardturm erbrechen. Ein Tunnelschacht unter dem Hauptbhf. liegt brach.

Manche erkannten den Unsinn früh. 1974 lehnte der Kt. Zürich eine Anti-Y-Volksinitiative ab. Die StädterInnen hätten sie angenommen: Überfahren lassen wollte man sich schon damals lieber nicht. Eine zweite Initiative scheiterte 1977. 1981 empfahl die sog. Kommission Biel, das Y aufzugeben. Trotzdem blieb das Zeichen in den Jahresberichten des Bundesamts für Strassen (Astra) bis 2019 untot. Erst im Jahresbericht 2020 fehlt der Begriff «Ypsilon». Stattdessen ist auf einem Kärtchen ein «Stadttunnel» verzeichnet. Dieser findet sich im kant. Richtplan schon länger und soll von der Allmend Brunau bis Dübendorf führen (9 km) und mit anderen erstaunlichen Ideen aus selbigem Richtplan verbunden werden: Seetunnel (falls der Stadttunnel nicht kommen sollte), Adlisberg-, Wehrenbach-, Seebeckentunnel. Aus dem dreiarmigen Y würde ein mehrarmiges unterirdisches chines. Schriftzeichen. Dem jüngsten Vorschlag eines FDP-Gemeinderats, den Nordstummel des Y als Autobahnbrücke mitten über die beliebte Lettenbadi an der Limmat zu verlängern, kommt vor allem das Verdienst zu, die Unlösbarkeit des P. einmal mehr zu illustrieren.

Derweil löst die Stadt lebensnähere P.e und plant einen Velotunnel im brachliegenden Y-Tunnelschacht unter dem Hauptbahnhof. Dafür hat sie für 20 Jahre die Bewilligung unter der Bedingung, dereinst die Rückbaukosten der Veloinfrastruktur zu übernehmen. So hat der Stadttunnel vorerst keinen Platz – dass in den 2040er Jahren noch jemand einen Velo- durch einen Autotunnel wird ersetzen wollen, glaubt schon heute niemand mehr.

Gegen die Alternative Seetunnel wiederum spricht u. a., dass dessen Portale in Quartieren zu liegen kämen, in denen besonders viele WählerInnen jener Partei wohnen, die diesen Tunnel gern hätte. Auch diese Leute haben den Verkehr anderer lieber nicht vor der eigenen Haustür (→ Problem-Zone). So kommt die Logik «Strassen gegen Verkehr» ans Ende ihrer Tage. Zürich hat 2020 den Rosengartentunnel abgelehnt, einen unbeholfenen Versuch, das Quartier Wipkingen von den Verkehrsmassen zu entlasten, die das unvollständige Y auskotzt. Am grössten war die Ablehnung im betroffenen Quartier (→ Problem-Viertel). Der Bieler Westast ist tot, Luzern will die Spange Süd nicht, am Genfersee stossen neue Autobahnzubringer auf heftigen Widerstand. Es sieht aus, als verstünden immer mehr Leute, dass die Verautobahnisierung der Schweiz P.e nicht gelöst, sondern vielmehr befördert hat.

Der reifste Lösungsvorschlag bezieht sich nicht spezifisch auf Zürich, passt aber überall. Er steht im Anfang 2020 vorgestellten «Klima-Aktionsplan» (→ Klimaproblem) der Klimastreikbewegung und besticht durch Eleganz: Es seien die Verkehrsflächen für den motorisierten Individualverkehr zu halbieren. 

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​Mitarbeiter Schweizerische Energie-Stiftung
    ​
    Zürich


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