Marcel Hänggi
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Lügen Lügen nennen und Fakten Fakten

10/2/2020

 
Man kann sich die Energie sparen, Wahrheitsverleugner*innen zu widersprechen – was sie nicht wahrhaben wollen, wollen sie nicht wahrhaben. Aber wenn sogar ein bildungspolitisches Blog, das sich mit dem Namen eines Aufklärers (Condorcet) schmückt, einem Klimaleugner eine Plattform bietet, muss man widersprechen. – Meine Replik auf das leugnerische Pamphlet «Klimadiskurs – Sapere aude!» von Hans-Jürgen Bandelt auf condorcet.ch am 10. Februar 2020. 

Sehr geehrter Herr Bandelt: Wissen Sie, was Niederschläge sind?
Die «Condorcet»-Redaktion hat mich gebeten, auf Ihren Beitrag «Klimadiskurs – Sapere aude!» zu replizieren. Die Anfrage erreicht mich mitten in einer Projektwoche an meiner Schule zum Thema «Fake news». Wir thematisieren unter anderem den Klima- … nun, ich will es mal so nennen wie Sie: «-diskurs». Ich zeige den Schüler*innen unter anderem, wie man lügen kann, ohne im engen Sinne Unwahres zu behaupten. Ihr Beitrag liefert – danke auch! – ein schönes Beispiel: «Natürlich ist CO2 ein Treibhausgas», schreiben Sie (Schüler*innen aufgepasst: eine concessio!), «obwohl Wasserdampf viel wirkmächtiger ist». Das ist richtig für den natürlichen Treibhauseffekt – für den anthropogenen Treibhauseffekt (von dem Sie schreiben) aber irrelevant. Wissen Sie, warum? Wenn zu viel Wasser im Himmel ist, fällt es runter. Man nennt das Niederschlag. Dagegen reichert sich vom Menschen ausgestoßenes CO2 in der Atmosphäre an. Den Unterschied versteht auch ein Mathematiker ohne Klimafachwissen, nicht wahr?
In meiner Projektwoche verwende ich das «Weltwoche»-Spezialheft «Klimawandel für die Schule» vom Juli 2019 – dafür wurde es ja gemacht. Es «argumentiert» wie Sie. Und jetzt halten Sie sich fest: Ich sage den Schüler*innen nicht «Das ist eine Sichtweise unter anderen, bilden Sie sich bitte Ihre eigene Meinung». Ich stelle auch nicht die Aufgabe, festzustellen, ob die «Weltwoche» lüge. Ich untersuche mit den Schüler*innen, wie sie lügt – beispielsweise eben dadurch, dass sie Dinge sagt, die nicht in engem Sinne unwahr und doch vollkommen falsch sind.

Das ist meine Verantwortung als Lehrer eines Gymnasiums, das der Wissenschaft verpflichtet ist. Ich will den Schüler*innen eine kritische Sicht auf die Wissenschaften lehren – wie ich sie in meinen Jahren als Wissenschaftsjournalist pflegte. Und da ist es entscheidend, zwischen Wissenschaftskritik und Antiwissenschaft unterscheiden zu können.

Sie simulieren einen kritischen Blick auf die Wissenschaften, wenn Sie erwähnen, dass das IPCC «von der Politik errichtet» wurde. Das kann ja nur schief herauskommen! (Als hätte «die Politik» ein Interesse an einem wissenschaftlichen Gremium, das ihr immer wieder vorhält, wie sie versagt.) Da ist Ihre Hauptquelle, ein Buch von Fritz Vahrenholt, natürlich viel glaubwürdiger als die Klimawissenschaftler*innen, die doch alle – alle! denn es herrscht ja Konsens – von «der Politik» korrumpiert sind, denn Vahrenholt war ja nur Manager bei so interessefreien Unternehmen wie Shell oder RWE. (Ach, Vahrenholt war sogar selber mal Politiker? Na, wir wollen nicht kleinlich sein!)

Schüler*innen sollen lernen, sich eine Meinung zu bilden: unbedingt! Eine Voraussetzung dafür ist, zwischen Meinungen und Tatsachen unterscheiden zu können. Wenn ein Schüler in einer Prüfung beispielsweise schreibt, Schillers Wilhelm Tell bilde historische Tatsachen ab, so ist das falsch – obgleich viele «meinen», es sei so. Es ist keine Meinungssache. Die wichtigste Strategie der Wissenschaftsleugner*innen liegt, wie Naomi Oreskes und Eric Conway aufgezeigt haben, darin, genau diesen Unterschied zwischen Meinung und Tatsache zu verschleiern. Die Wissenschaftshistoriker zitieren aus einem Strategiepapier eines PR-Beraters der Tabakindustrie, der angeheuert wurde, um den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs zu leugnen: «Doubt is our product». Die Klimaleugner*innen folgen dem gleichen Drehbuch; es sind teilweise dieselben Personen, die schon im Auftrag der Tabakindustrie gegen gutes Geld logen. Sie wollen gar keine kohärente Gegenerzählung bieten – eine solche gibt es nicht –; es genügt ihnen, Zweifel zu säen, so dass der falsche Eindruck zurückbleibt, es gebe da eine wissenschaftliche Kontroverse.

Sehr geehrter Herr Bandelt, ich will die «Condorcet»-Leser*innen nicht damit langweilen, jeden Ihrer Fehler richtigzustellen. Interessanter ist, wie Sie (ob bewusst oder unbewusst) das Drehbuch des Leugnens befolgen. Gleich zu Beginn framen Sie den «Klimadiskurs» als eine Glaubenssache, spicken ihn mit einem beliebigen Philosophenzitat und diffamieren die Klimawissenschaft en passant als eine «sogenannte». Und ich gratuliere Ihnen: Die «Condorcet»-Redaktion ist darauf reingefallen. «Der Klimawander [sic] sei zwar unbestritten, über Ursachen, Folgen und sinnvolle Massnahmen gibt es aber grosse Meinungsverschiedenheiten», schreibt sie im Lead zum Beitrag. Ich muss Sie da vor dem Lead in Schutz nehmen: Dass der Klimawandel unbestritten sei, sagen Sie ja gar nicht, da mildert die Redaktion Ihren Beitrag für ihre Leser*innenschaft etwas ab. Im Nebensatz verwendet die Redaktion statt des Konjunktivs bereits den Indikativ, hat Ihre Sicht also schon verinnerlicht – und übernimmt Ihr Framing: dass die Ursachen des Klimawandels Meinungssache «ist». (Der Lead schreibt auch von «sinnvollen Maßnahmen», über die man tatsächlich streiten kann – aber davon handelt Ihr Beitrag ja nicht.)

Die «Condorcet»-Redaktion hat nicht nachgefragt, warum Sie ausgerechnet dort keine Quelle angeben, wo Sie schreiben, der Klimaforscher Stefan Rahmstorf habe gesagt, die globale Erwärmung sei «zu mehr als 100%» vom Menschen verursacht. Das ist, sehr geehrter Herr Bandelt, auch eine der rhetorischen Strategien, die ich mit meinen Schüler*innen anschaue: Man unterstelle dem Gegner eine dumme Aussage, um dann auf diese Popanz einzudreschen. Ein Zitat ohne Quellenangabe: In einer Schülerarbeit gäbe das Notenabzug.

Ich habe als Lehrer eine Verantwortung, Lügen Lügen zu nennen und Fakten Fakten. Redaktionen haben dieselbe Verantwortung, die «Condorcet»-Redaktion hat sie nicht wahrgenommen. – Höre ich da jemanden «Meinungsfreiheit!» rufen? So ist das halt im Lehrerleben: Irgendeinen gibt’s immer, der’s nicht verstanden hat.
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Marcel Hänggi unterrichtet Deutsch am Mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium Rämibühl in Zürich. Er war jahrelang Umweltjournalist und hat Bücher zu Klimapolitik und Technikgeschichte publiziert. Er ist Mitinitiant der Gletscher-Initiative. 

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​
    Zürich


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