Marcel Hänggi
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Kriegsrhetorik

16/2/2006

 
Medientagebuch zum Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 16. Februar 2006

Merkwürdig, wie viel anlässlich des Karikaturenstreits darüber 
debattiert wird, ob man Mohammed karikieren dürfe. Als ginge es darum –
und nicht um den Kontext dieser Karikaturen: «Jyllands-Posten»
veröffentlichte diese mit dem klaren Ziel, eine Menschengruppe zu 
provozieren, gegen die die Zeitung seit Jahren anschreibt. Und als die 
Provokation nicht zündete, suchte die Redaktion hartnäckig, bis sie in 
einem fundamentalistischen Kopenhagener Imam endlich jemanden fand, der 
die gewünschte Reaktion zeigte und eine Hasskampagne gegen Dänemark 
lostrat (siehe WOZ Nr. 6/06). Selten war in einem Konflikt so 
offensichtlich, wie die AufwieglerInnen beider Seiten sich dankbar in 
die Hände arbeiten.
Wenn es hierzulande ein Pendant zu «Jyllands-Posten» gibt, so ist es 
die «Weltwoche». Am 12. Januar druckte sie drei Mohammed-Karikaturen 
nach – «als erste deutschsprachige Zeitschrift», wie sich Chefredaktor 
Jürg Wildberger heute brüstet. Dummerweise übersahen es fast alle. So 
schrieb der «Tages-Anzeiger» letzten Samstag, «NZZ am Sonntag» und 
«Blick» hätten die Karikaturen nachgedruckt, ebenso stand es in einem 
Communiqué des Presserats, und auch die WOZ vergass in ihrer 
Chronologie des Konflikts die «Weltwoche».

Provozieren und nicht gehört werden, das ärgert. Deshalb hat 
«Jyllands-Posten» weiter gestochert, und deshalb gibt die «Weltwoche» 
in der Ausgabe vom 9. Februar einen drauf. Nicht, dass sie mit ihrer 
Position allein wäre im Schweizer Blätterwald. Aber die Schärfe ihres 
Tons ist einzigartig.

Auslandschef Eugen Sorg weist darauf hin, dass die Provokation der 
Karikaturen spontan nicht gewirkt habe, dass «die Empörung gezielt 
hochgepeitscht» wurde. Richtig. Nur übersieht Sorg, dass daran die 
dänische Zeitung sehr aktiv mitwirkte. Doch wer den Konflikt als Kampf 
(oder gar Krieg) der Kulturen wahrnimmt, für den gibt es nur Schwarz 
oder Weiss, «wir» oder «sie». Wer die «eigene» Seite zu kritisieren 
wagt, wird so zum Verharmloser des Feindes – Sorg spottet über die 
«Dschihadversteher». Ausgerechnet er: Selten hat ein Journalist einen 
Erz-Dschihadi derart verklärt wie der damalige «Magazin»-Redaktor Sorg 
den afghanischen Kriegsfürsten Massud kurz vor dessen Ermordung 2001.

Hanspeter Born liefert in derselben «Weltwoche»-Ausgabe ein krudes 
Elaborat aus Demografie, Sozialdarwinismus, markigen Worten (Europa sei 
«verweichlicht»; die «Lunte zum Brand von Europa» glimme), gewürzt mit 
Thesen von Machiavelli und Oswald Spengler. MuslimInnen 
bezeichnet Born als Leute, die «nichts dabei finden, wenn islamistische 
Websites Videos von der blutigen Enthauptung von Geiseln zeigen».

Sein Hauptargument: EuropäerInnen haben zu wenig Kinder – vor hundert 
Jahren lebte ein Viertel der Weltbevölkerung in Europa, heute nur noch 
11,5 Prozent –, während sich die Bevölkerung islamischer Länder in 
derselben Zeit von 150 auf 1200 Millionen verachtfachte (indem er für 
EuropäerInnen relative, für MuslimInnen absolute Zahlen verwendet, 
stellt Born den Effekt viel drastischer dar, als er ist). Das 
aufgeklärte Europa sei deshalb «auf dem besten Weg dazu, Selbstmord zu 
begehen». Als würde die Aufklärung vererbt; als wären Werte eine Frage 
des (wie man das einst nannte) Blutes. Als wären nicht die grössten 
Katastrophen des 20. Jahrhunderts von «Kindern der Aufklärung» 
ausgelöst worden. (Analog zu Born argumentierte übrigens die serbische 
Propaganda ab den achtziger Jahren, die behauptete, Serbien werde an 
der höheren Reproduktionsrate der AlbanerInnen zugrunde gehen.)

Das ist islamophobe Hetze. Das Echo auf diesen Vorwurf liefert die 
«Weltwoche» vorweg: Viele tadelten eben lieber eine «hypothetische 
„Islamophobie“» als die Ermordung braver Leute wie Theo van Gogh, und 
Kritik an den Karikaturen sei «vorauseilende Akzeptanz der 
schariatischen Zumutung». Das sind Totschlagargumente, die jede Kritik 
abschmettern: «für uns» oder «gegen uns», es gibt kein Dazwischen.

Und das ist Kriegsrhetorik.

Marcel Hänggi

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​Mitarbeiter Schweizerische Energie-Stiftung
    ​
    Zürich


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