debattiert wird, ob man Mohammed karikieren dürfe. Als ginge es darum –
und nicht um den Kontext dieser Karikaturen: «Jyllands-Posten»
veröffentlichte diese mit dem klaren Ziel, eine Menschengruppe zu
provozieren, gegen die die Zeitung seit Jahren anschreibt. Und als die
Provokation nicht zündete, suchte die Redaktion hartnäckig, bis sie in
einem fundamentalistischen Kopenhagener Imam endlich jemanden fand, der
die gewünschte Reaktion zeigte und eine Hasskampagne gegen Dänemark
lostrat (siehe WOZ Nr. 6/06). Selten war in einem Konflikt so
offensichtlich, wie die AufwieglerInnen beider Seiten sich dankbar in
die Hände arbeiten.
die «Weltwoche». Am 12. Januar druckte sie drei Mohammed-Karikaturen
nach – «als erste deutschsprachige Zeitschrift», wie sich Chefredaktor
Jürg Wildberger heute brüstet. Dummerweise übersahen es fast alle. So
schrieb der «Tages-Anzeiger» letzten Samstag, «NZZ am Sonntag» und
«Blick» hätten die Karikaturen nachgedruckt, ebenso stand es in einem
Communiqué des Presserats, und auch die WOZ vergass in ihrer
Chronologie des Konflikts die «Weltwoche».
Provozieren und nicht gehört werden, das ärgert. Deshalb hat
«Jyllands-Posten» weiter gestochert, und deshalb gibt die «Weltwoche»
in der Ausgabe vom 9. Februar einen drauf. Nicht, dass sie mit ihrer
Position allein wäre im Schweizer Blätterwald. Aber die Schärfe ihres
Tons ist einzigartig.
Auslandschef Eugen Sorg weist darauf hin, dass die Provokation der
Karikaturen spontan nicht gewirkt habe, dass «die Empörung gezielt
hochgepeitscht» wurde. Richtig. Nur übersieht Sorg, dass daran die
dänische Zeitung sehr aktiv mitwirkte. Doch wer den Konflikt als Kampf
(oder gar Krieg) der Kulturen wahrnimmt, für den gibt es nur Schwarz
oder Weiss, «wir» oder «sie». Wer die «eigene» Seite zu kritisieren
wagt, wird so zum Verharmloser des Feindes – Sorg spottet über die
«Dschihadversteher». Ausgerechnet er: Selten hat ein Journalist einen
Erz-Dschihadi derart verklärt wie der damalige «Magazin»-Redaktor Sorg
den afghanischen Kriegsfürsten Massud kurz vor dessen Ermordung 2001.
Hanspeter Born liefert in derselben «Weltwoche»-Ausgabe ein krudes
Elaborat aus Demografie, Sozialdarwinismus, markigen Worten (Europa sei
«verweichlicht»; die «Lunte zum Brand von Europa» glimme), gewürzt mit
Thesen von Machiavelli und Oswald Spengler. MuslimInnen
bezeichnet Born als Leute, die «nichts dabei finden, wenn islamistische
Websites Videos von der blutigen Enthauptung von Geiseln zeigen».
Sein Hauptargument: EuropäerInnen haben zu wenig Kinder – vor hundert
Jahren lebte ein Viertel der Weltbevölkerung in Europa, heute nur noch
11,5 Prozent –, während sich die Bevölkerung islamischer Länder in
derselben Zeit von 150 auf 1200 Millionen verachtfachte (indem er für
EuropäerInnen relative, für MuslimInnen absolute Zahlen verwendet,
stellt Born den Effekt viel drastischer dar, als er ist). Das
aufgeklärte Europa sei deshalb «auf dem besten Weg dazu, Selbstmord zu
begehen». Als würde die Aufklärung vererbt; als wären Werte eine Frage
des (wie man das einst nannte) Blutes. Als wären nicht die grössten
Katastrophen des 20. Jahrhunderts von «Kindern der Aufklärung»
ausgelöst worden. (Analog zu Born argumentierte übrigens die serbische
Propaganda ab den achtziger Jahren, die behauptete, Serbien werde an
der höheren Reproduktionsrate der AlbanerInnen zugrunde gehen.)
Das ist islamophobe Hetze. Das Echo auf diesen Vorwurf liefert die
«Weltwoche» vorweg: Viele tadelten eben lieber eine «hypothetische
„Islamophobie“» als die Ermordung braver Leute wie Theo van Gogh, und
Kritik an den Karikaturen sei «vorauseilende Akzeptanz der
schariatischen Zumutung». Das sind Totschlagargumente, die jede Kritik
abschmettern: «für uns» oder «gegen uns», es gibt kein Dazwischen.
Und das ist Kriegsrhetorik.
Marcel Hänggi