Andersrum gesagt: Man erhofft sich, die Gefährlichkeit und Ineffizienz des Autos würden durch Hightech ein wenig gemildert. Als könnte man nicht beide Ziele schon längst ganz low-technisch verfolgen – wenn man denn wollte. So könnte man das Naheliegende tun und aufhören, Fahrzeuge zuzulassen, die schneller fahren können als erlaubt. Offensichtlich will man (das heisst: wollen Autobauerinnen, Autofahrer, Gesetzgeberinnen) nicht.
Der Irrsinn eines imponiergeräts
Ein Auto ist nicht in erster Linie deshalb energieineffizient, weil sein Fahrer keinen Ecodrive-Kurs besucht hat. Sondern weil es, um seine durchschnittlich hundert Kilo Fracht zu transportieren, zunächst sein eigenes Gewicht bewegen muss, also das Fünfzehn-, Zwanzigfache des Frachtgewichts. Und weil sein Motor so viel wie 150 und mehr Arbeitspferde zu leisten vermag. Das ist Irrsinn, der nur deshalb nicht als solcher erscheint, weil man sich daran gewöhnt hat. Oder vielleicht muss man sagen: Das wäre Irrsinn, wenn das Auto ein Werkzeug des Transports wäre. Das ist es aber bestenfalls in zweiter Linie. In erster Linie ist das Auto seit seiner Erfindung nie etwas anderes gewesen als Spielzeug, Freiheitssurrogat oder Imponiergerät. Wer das übersieht, trägt nichts Brauchbares zur Verkehrsdebatte bei.
Imponieren wird man mit einem «selbstfahrenden Auto» gewiss können – solange die Technik noch neu und exklusiv ist. Wer aber auf der Strasse seine Freiheit sucht und spielen will, wird sich das Fahren kaum vom Autopiloten abnehmen lassen. Ich erinnere mich an eine TV-Sendung mit Ständerat Filippo Lombardi, nachdem dieser wieder einmal wegen zu schnellen Fahrens gebüsst worden ist. Er wolle sich ja an die Verkehrsregeln halten, sagte Lombardi, aber manchmal vergesse er sich halt. Auf die Frage, weshalb er denn nicht einen Tempomaten verwende, reagierte er entrüstet: Er lasse sich doch nicht seine Freiheit rauben!
Seis drum: Morgen und übermorgen wird das völlig autonome Auto noch nicht Alltag sein. Das werde noch lange dauern, sagte ETH-Robotikprofessor Roland Siegwart gegenüber der «NZZ». Schon in zehn Jahren könnten indes selbstparkierende Autos Realität sein, wie Siegwart selber sie zu entwickeln versucht: «Die Idee ist, dass Pendler mit dem Auto zum Bahnhof fahren können.»
Ist «der Mensch» das Problem?
Mehr ÖV-Passagiere dank selbstparkierender Autos? Unsinn. Der Wiener Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher hat gezeigt, dass der Weg vom Parkplatz zum Zielort entscheidend ist für die Wahl des Verkehrsmittels. Müsste der Fahrer diesen Weg nicht mehr selbst zurücklegen, gewänne das Auto erheblich an Attraktivität. Noch gruseliger erscheint freilich die symbolische Dimension dieser Vision: Vorankommen, ohne sich selbst bewegen zu müssen, war immer schon eine Art zu behaupten, man gelte mehr: Der Herr reitet, der Knecht geht zu Fuss. Und wer wirklich mehr gelten will, geht nicht einmal die paar Schritte in den Stall zu Fuss, sondern lässt sich sein Pferd vom Knecht vor die Tür führen. Der Autopilot im selbstparkierenden Auto gibt den Stallknecht, aber im Übrigen reitet der Herr nach wie vor selber: Das ist der perfekte Herrenreitertraum.
Das Interview in der «NZZ» war übrigens überschrieben mit: «Das grösste Sicherheitsproblem ist der Mensch». Wenn das Gerät Auto zu gefährlich ist, um von Menschen mitten unter Menschen bedient zu werden – dann braucht es vielleicht nicht in erster Linie eine weitere technische Aufrüstung. Dann ist es vermutlich einfach das falsche Gerät