Als sich gegen Ende der 1960er der Widerstand formierte, argumentierten manche Atomkraft-Befürworter brachial: «Die atomare Herausforderung. Wir stehen vor der Wahl: Fortschritt oder Untergang» hiess ein Buchtitel 1968. Untergegangen ist zwar niemand, weil er keine Atomkraftwerke baute. Und doch sollte sich das Diktum von der Unvermeidlichkeit des «Fortschritts» in anderer Weise erfüllen.
Noch 1956 sprach sich der deutsche Atomminister Franz-Josef Strauss gegen ein Bundes-Atomforschungszentrum aus, denn dessen Errichtung könnte «nicht nur Millionen verschlingen, sondern auch Jahre dauern.» Nur neun Jahre später sah sich die Bundesregierung «durch die Entwicklung der Kerntechnik gezwungen», ein Programm zu unterstützen, dessen Direktor Wolf Häfele martialisch verkündete, die Nutzung der Atomenergie gehöre «zum Sichbehaupten eines Volkes auch dann, wenn der Preis phantastisch sein wird.» Warnungen vor Risiken, die einst die Atomtechniker offen angesprochen hatten, fanden sich jetzt nur noch in den Schriften marginalisierter Atomgegner.
«In der Ära der vollendeten Fakten», schreibt der deutsche Historiker Joachim Radkau, «war es soweit, dass sich die Kerntechnik ihre Interessensbasis gleichsam selber geschaffen hatte.» Ist man einen Weg einmal weit genug gegangen, wird es immer schwieriger umzukehren, ohne das Gesicht zu verlieren. Das zeigt sich heute wieder am europäischen Kernfusions-Versuchsreaktor Iter, dessen Kosten aus dem Ruder laufen, während völlig offen ist, ob die Fusion je nutzbar wird. Aber aufgeben? Das wäre ein «Offenbarungseid, dass Europa zu gar keinen grossen Projekten mehr fähig ist», sagte der Vorsitzende des Energieausschusses des EU-Parlaments, Herbert Reul, im Jahr 2010. Nimmt man die Rede von der Unvermeidlichkeit einer Entwicklung ernst, wird sie zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung.