Schön. Aber falsch. Und zwar so offensichtlich falsch, dass man sich wundert, wie erfahrungsresistent die Effizienzhoffnung ist. Denn schon ein flüchtiger Blick in die Technikgeschichte zeigt: Die Menschheit verbraucht bei allen technischen Fortschritten stets mehr Energie. Nein: Mehr Effizienz führt nicht immer zu weniger Verbrauch. Nein: Technischer Fortschritt führt nicht immer zu mehr Effizienz. Und nein: Effizienz lässt sich nicht klar messen.
Sinkende Effizienz des Automobils
Das Automobil müsste eigentlich die größten Effizienzfortschritte gemacht haben, denn in keine andere Technik flossen in den letzten Jahrzehnten so viele Forschungs- und Entwicklungsgelder. Tatsächlich ist der Wirkungsgrad der Motoren markant gestiegen. Das vor hundert Jahren häufigste Modell, der Ford T, verbrauchte 12 Liter Benzin auf hundert Kilometer. Ein typisches Auto von heute verbraucht halb so viel und ist mithin pro Kilometer doppelt so effizient. Höher fällt die Effizienzsteigerung aus, wenn man den Trick der offiziellen Verbrauchskennzeichnung anwendet: Die setzt nämlich den Verbrauch in Bezug zum Fahrzeuggewicht. Ist ein heutiges Auto dreimal so schwer und verbraucht halb so viel Benzin wie die der Ford T, ist es in dieser Logik sechsmal so effizient! Und zieht man in Betracht, dass die »Tin Lizzie« 20 PS leistete, ist der Effizienzsprung noch größer.
Ganz anders sieht es aus, wenn man die Effizienz im Nutzungszusammenhang betrachtet – nicht als Effizienz des Geräts Auto, sondern als Effizienz eines Systems aus Fahrzeugen, Straßen, Raumstrukturen, Mobilitätsgewohnheiten. In den letzten hundert Jahren sind die durchschnittlichen Weglängen – gerade auch als Folge der Massen-Automobilisierung – um grob geschätzt den Faktor 15 gewachsen. Um von zu Hause an den Arbeitsplatz zu gelangen, muss ich heute durchschnittlich einen 15-mal so langen Weg zurücklegen. Um aber mit einem Auto, das pro Kilometer halb so viel verbraucht, 15-mal so weit zu fahren, verbraucht man natürlich viel mehr Energie: Das heutige Auto ist mithin, gemessen an der Wegeinheit, viel weniger effizient! (Abgesehen davon, dass vor hundert Jahren kaum jemand mit dem Auto zur Arbeit fuhr.)
Segelschiffe und Pferdestärken
Gewiss: Man kann die Geschichte der Menschheit als eine stets steigender Energieeffizienz schreiben (und solange man im Auge behält, dass dies nur eine Möglichkeit der Geschichtsschreibung unter vielen ist, ist das auch ganz aufschlussreich). Aber die Effizienz, die vor allem zählte, war noch einmal eine andere als die, von denen bisher die Rede war. Nicht, zu welchem Anteil die in einem Energieträger enthaltene Energie genutzt wird, war entscheidend. Entscheidend war, bisher nutzlose Energien zu nutzen und dadurch die Leistung, die eine menschliche Arbeitskraft zu erbringen vermag (rund 100 Watt), zu steigern. Selbst eine äußerst ineffiziente Nutzung bisher brach liegender Energiereserven konnte in diesem Sinne effizient sein.
Seit Alters waren die Wasser- und die Windkraft die wichtigsten körperfremden Quellen mechanischer Energie. Sie trieben alle Arten von Mühlen an und der Wind auch Fortbewegungsmittel: Segelschiffe vor allem, aber in China beispielsweise gab es auch leistungsfähige Segel-Schubkarren. Sie waren eine äußerst effiziente Transporttechnik, vor allem wenn man berücksichtigt, wie wenig Energie die Erstellung von Pfaden für Schubkarren benötigte im Vergleich zum Bau wagentauglicher Chausseen.
Segelschiffe wurden stets leistungsfähiger und effizienter, besonders in Europa seit dem 15. Jahrhundert. Das erlaubte den Europäern, ihr Kolonialreich zusammenzuräubern. Zu ihren besten Zeiten erbrachten Segelschiffe die 200-fache Leistung dessen, was die Mannschaft hätte leisten können, anders gesagt: Es hätte für dieselbe Leistung 200-mal so viele Ruderer gebraucht, wie sich Matrosen auf dem Schiff befanden (trotzdem koexistierten die »ineffizienten« Galeeren bis weit in die Neuzeit mit den Segelschiffen).
Den Bewohnern Amerikas brachte solch technischer Fortschritt in erster Linie Tod und Verderben – aber einigen Überlebenden wiederum gewaltige Effizienzsprünge. Die Prärie-Indiander kamen dank den europäischen Siedlern zu einem neuen Energiekonverter: dem Pferd. Es wandelte die Biomasse-Energie des Präriegrases in kinetische Energie (Geschwindigkeit) um, die man einsetzte, um Nahrungsenergie in Form von Büffelfleisch zu erjagen. Der Weg von der im Gras gespeicherten Sonnenenergie bis zur Nahrungsenergie des Fleisches war zwar, drückte man ihn in Zahlen aus, grotesk ineffizient, wandelte aber eine sonst nutzlose in eine hochwertige Energie um. War die Jagd bisher ein Gemeinschaftsunternehmen gewesen, das man sich selten leistete, konnte nun ein Jäger allein mehrere Büffel pro Jagdzug erledigen. Aus friedlichen und egalitären Kulturen wurden die stark hierarchischen Kriegerkulturen der Sioux oder Cheyenne, die die Folie für die Wildwestfilme abgaben.
Dampfmaschinen und Sklaven
In Europa machte man sich derweil daran, Pferde (und andere tierische Energielieferanten) durch kohlefressende Superpferde zu ersetzen. 1712 baute der englische Schmied Thomas Newcomen die erste Dampfmaschine. Sie war etwa so effizient wie der heutige SUV, der ein Kind in den Kindergarten fährt: ein Promille. Die Steigerung seither ist eindrücklich: Moderne Dampfturbinen-Kohlekraftwerke wandeln über 40, kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke über 50 Prozent der in den Brennstoffen enthaltenen Energie in elektrischen Strom um, und wenn die Abwärme genutzt wird, kann der Wirkungsgrad theoretisch 100 Prozent erreichen.
Doch die Effizienzgeschichte der Dampfmaschine – dieser ersten Maschine, die thermische (Wärme) in kinetische Energie (Arbeit) umzuwandeln vermochte – war nicht gradlinig. In den 1760er bis 1780er Jahren erfand der schottische Mechaniker James Watt die Dampfmaschine neu. Er trug dazu bei, ihre Effizienz vom Promille- in den Prozentbereich zu steigern. Eine seiner Neuerungen allerdings verbesserte den Wirkungsgrad nicht etwa, sondern senkte ihn. Newcomens »atmosphärische« Dampfmaschine verrichtete nur dann Arbeit, wenn ihr Kolben sich senkte; Watts »doppelwirkende« Maschine verrichtete beim Hin- wie beim Rückweg des Kolbens Arbeit. Das war attraktiv, weil man für die selbe Leistung nur eine halb so große Maschine brauchte. Aber es war (ein bisschen) weniger effizient.
Die Leistung pro Maschine war wichtiger als die Effizienz dieser Leistung: So war es auch, als die Dampfmaschine im 19. Jahrhundert die an sich viel effizienteren Wasser- und Windmühlen zu ersetzen begann. Und sie trug nun dazu bei, dass eine seit der Antike stets gleich ineffiziente Energienutzung ihre grausame Spitze erreichte: die Sklavenausbeutung. Denn die dampfbetriebenen Textilfabriken diesseits des Atlantik verarbeiteten stets mehr Baumwolle, die jenseits des Atlantik in Zwangsarbeit produziert wurde. In den USA schnellte die Zahl der Sklaven zwischen 1790 und 1860 von 660 000 auf fast 4 Millionen hoch. Modern und effizient daran war nur eines: die Organisation der Ausbeutung.
Effizienter mehr verbrauchen
Noch ein Paradox: In ihren ersten Jahrzehnten war die ineffiziente Dampfkraft vollends unwirtschaftlich. Die erste Dampfmaschine auf dem Kontinent wurde 1722 im slowakischen Königsberg aus Prestigegründen erstellt und bald schon wieder aufgegeben, weil sie sich nicht rechnete, und noch einer Dampfmaschine, die Friedrich der Große 1785 im Hettstedter Kupferschieferbergwerk bauen ließ, ging es gleich. Einzig im Vereinigten Königreich war es anders, und das hatte keine technischen, sondern wirtschaftspolitische Gründe: Hier verteuerten die Getreidegesetze die Primärenergie der Pferdegöpel. Es war ein versteckter Strafzoll auf die konkurrierende Energie – quasi eine EEG-Abgabe –, die es der Dampfmaschine erlaubte, sich so weit zu entwickeln, dass sie schließlich ohne diese Unterstützung kommerziell erfolgreich war.
Aber auch wenn die Effizienz nicht einfach stets zunahm: Im Großen und Ganzen entwickelten sich die Wirkungsgrade in der Geschichte eindrücklich – und mit den immer besseren Wirkungsgraden stieg der Energieverbrauch. Dass der Verbrauch nicht trotz, sondern wegen der Effizienzgewinne steige, postulierte 1865 der Ökonom William Stanley Jevons: »Es ist eine völlige Gedankenverwirrung anzunehmen, die effiziente Verwendung von Brennstoffen sei gleichbedeutend mit einem reduzierten Verbrauch. Das genaue Gegenteil ist wahr.« Den eindrücklichsten Beleg seiner These erlebte Jevons nicht mehr: Als im frühen 20. Jahrhundert Glühbirnen mit Wolfram- statt Kohlefasern auf den Markt kamen, fürchteten die Elektrizitätswerke um ihren Umsatz, denn die neuen Glühbirnen waren viermal effizienter. Aber es geschah das Gegenteil des Befürchteten: Elektrisches Licht wurde plötzlich für viel mehr Leute erschwinglich, und der Umsatz der Elektrizitätswerke explodierte geradezu.
Jevons war einer der Begründer der bis heute dominanten neoklassischen Schule der Ökonomie. Aber sein Paradoxon vergaß die Neoklassik schnell wieder – bis es, nun mit Namen »Rebound«, seit den 1980er Jahren allmählich wieder zum Forschungsthema wurde. Rebound umfasst mehrere Effekte, die dafür sorgen, dass Effizienzgewinne nur teilweise in Einsparungen resultieren und in manchen Fällen – wie von Jevons postuliert – sogar zu Mehrverbrauch führen: Eine effizienter erbrachte Dienstleistung kostet weniger, wird also mehr nachgefragt. Spart man dennoch Energie, kann man das Geld für anderes ausgeben, was ebenfalls Energie verbraucht. Und spart man nun immer noch, wirkt die eingesparte Energie auf dem Markt wie ein zusätzliches Angebot, das den Preis senkt – und somit die Nachfrage ankurbelt.
Heute dringt das Wissen um Reboundeffekte sogar langsam in die Energiepolitik ein, die wissenschaftliche Literatur dazu ist umfangreich. Eine Studie des UK Energy Research Center kommt zum Schluss, direkte Reboundeffekte vernichteten in den Bereichen Verkehr, Heizung und Kühlung wahrscheinlich unter 30 Prozent des Sparpotenzials von Effizienzsteigerungen; in allen anderen Bereichen falle der direkte Rebound wesentlich geringer aus. Die Schätzungen der indirekten Reboundeffekte dagegen liegen weit auseinander und hängen wesentlich davon ab, wo die Systemgrenze der Betrachtung gezogen wird. Man kommt der Wahrheit wohl recht nahe, wenn man feststellt: Energie, die auf den Markt gelangt, wird auch verbraucht.
Veranden und Siesta
Trotz Rebound: Sektoriell können Effizienzsteigerungen sehr wohl zu Einsparungen führen, etwa im Gebäudebereich, wo der Heizenergieverbrauch dank besserer Dämmungen sinkt. Allerdings war es in diesem Bereich in der Nachkriegszeit auch zu besonders großen Effizienzverlusten gekommen. Die Zentralheizung brachte dieselbe Temperatur in alle Zimmer, während man früher die Häuser so baute, dass die Stube neben der Küche lag, so dass eine Feuerstelle Ofen und Herd gleichzeitig heizte, und in den darüber liegenden Schlafzimmern war es dank der aufsteigenden Restwärme nicht ganz kalt, aber deutlich kühler. In heißen Ländern konnte man die Hitze auf Veranden besser aushalten; mit der Kühltechnik begannen diese architektonische Anpassung ans Klima zu verschwinden. Dasselbe gilt für die Siesta – die wohl effizienteste Technik des Umgangs mit hohen Temperaturen.
Und parallel zu allen technischen Fortschritten ist die Effizienz der Energiegewinnung selbst seit Beginn des Zeitalters der fossilen Energien stetig gesunken. Im 17. Jahrhundert konnte ein Kumpel Kohle schürfen, die 500 mal so viel Energie enthielt, wie er bei seiner Arbeit umsetzte. Heute liegt der »Energy Return on Energy Invested« (EROEI) der Kohle noch bei etwa 80:1. Beim Erdöl sank dieser Wert im 20. Jahrhundert von etwa 100:1 auf deutlich unter 20:1. Es sind Beispiele dafür, was Ökonomen das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens nennen: Die besten Vorräte sind erschöpft und man muss schlechter zugängliche anzapfen. Der Atomstrom übrigens hat, alles einberechnet, nie mehr als einstellige Werte erzielt.
Die unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz bemerkenswerteste Erfindung der Moderne war das Fahrrad: Es machte die menschliche Fortbewegung viel energieeffizienter, ohne dafür eine andere Energiequelle zu brauchen. Von dieser Ausnahme abgesehen, könnte man die Geschichte der Technik als eine Abfolge von Techniken beschreiben, die zwar in sich stets effizienter werden – aber stets ineffizienter waren als ihre Vorgängertechniken: Von Wind- und Wassermühlen und Pferdegöpeln zur Dampfmaschine. Von kurzen Wegen zu autogerechten Landschaften. Von Siesta und Veranda zur Klimaanlage. Von Einweckgläsern zum Kühlschrank. Und von Wäscheleine und Wäscheklammer zum elektrischen Wäschetrockner.
Null geht nicht
Energieeffizienz, das war einmal der Name eines schönen Versprechens. Zumindest aus ökologischer Sicht könnten man das ganze Thema aber aus den Energiedebatten streichen. Für den Klimawandel zählt, wie viel Kohlenstoff zu CO2 verbrannt wird und nicht, wie effizient das geschieht. Und angesichts der Notwendigkeit, die CO2-Emissionen auf null zu senken, sind auch der effizienteste Verbrennungsmotor, die effizienteste Ölheizung und das effizienteste Kohlekraftwerk die falschen Techniken.
Es gibt keinen Grund, Energieträger, deren Nutzung die menschliche Zivilisation bedrohen, überhaupt auf den Markt zu lassen. Das Pariser Klimaabkommen postuliert im Grunde nichts anderes als ein Verbot fossiler Energieträger für die zweite Jahrhunderthälfte; der CO2-Emissionshandel ist nichts anderes als ein wenn auch äußerst untauglicher Versuch, diese Energieträger zu rationieren. Ein Energieangebot, das nicht auf den Markt gelangt, kann keine Reboundeffekte auslösen. Und ob die noch zugelassene Energie dann effizient oder ineffizient verbraucht wird, ob sie ersetzt oder eingespart wird, das kann man – auch aus wirtschaftsliberaler Sicht – getrost dem Markt überlassen.