Marcel Hänggi
  • Texte
  • Bücher
    • Weil es Recht ist
    • La fin de l'âge du pétrole …
    • Null Öl. Null Gas. Null Kohle
    • Fortschrittsgeschichten >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Ausgepowert >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Wir Schwätzer im Treibhaus >
      • Inhalt
      • Pressestimmen
    • Cui bono
    • Beiträge in Sammelbänden
  • Climate Update
  • Vorträge, Podien
  • Ausstellungstexte
  • Unterricht, Bildung
    • 2025 Universität Luzern Seminar Klimapolitik
    • Projekte Deutschunterricht
    • Projekte Geschichtsunterricht
    • 2020 Universität Freiburg Geschichte schreiben
    • 2019 MAZ Statistik und Studien
    • 2007 - 2016 MAZ CAS Wissenschaftsjournalism >
      • 4 Ein Leitfaden zur kritischen Würdigung wissenschaftlicher Resultate
    • Leitfaden Vortragen
  • Beratung
  • Forschung
  • Politik
  • Positionspapiere
  • über mich
  • Kontakt
  • Datenschutz

Die perfekte «saubere» Energierevolution

26/9/2012

 
Indianer und Pferd
Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil VI meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ.

BildDas Pferd als Kern der Machokultur. Karl Bodmer: Pferderennen, 1836.
Younger Bear: «Ich habe eine Frau und vier Pferde.» 

Little Big Man: «Ich habe ein Pferd und vier Frauen.»

​Der prototypische Indianer reitet, führt Krieg, lebt nomadisch im Tipi, jagt, kennt steile Hierarchien, ist ein Macho – und frönt der Vielweiberei. Der Indianer, wie man ihn aus Wildwest-Filmen und -Romanen kennt – und wie ihn der Film «Little Big Man», aus dem obiger Dialog stammt, parodiert –, orientiert sich am historischen Vorbild der Prärieindianer (Sioux, Cheyennes…) des 19. Jahrhunderts. Diese Kultur ist das Resultat einer Energierevolution.

Träger der Energierevolution war das Pferd, das die Indianer im 17. und 18. Jahrhundert von den weissen Siedlern übernahmen. Das Pferd ist ein Energiekonverter: Es wandelt niederwertige Energie in Form von Biomasse (Präriegras) in kinetische Energie (Bewegung) um, die der Jäger wiederum nutzt, um hochwertige Biomasse-Energie (Büffelfleisch) zu seiner Ernährung zu jagen.

Neue und bessere Energienutzungen gelten landläufig als Inbegriff technischen Fortschritts. Und aus technischer Sicht war das Pferd ein enormer Fortschritt: Bis dahin war die Büffeljagd aufwendige Teamarbeit gewesen. Die Tiere, die schneller laufen können als Menschen, wurden eingekreist und beispielsweise über eine Felswand getrieben. Nun war der reitende Jäger schneller als seine Beute, und ein einziger Jäger konnte auf einem Jagdzug bis zu fünf Büffel erlegen.

Es war eine Energierevolution, wie sie sich heute viele erträumen: Sie nutzte eine erneuerbare Primärenergie – Gras –, und diese Nutzung stand zu nichts in Konkurrenz, weil die Weiten der Prärie von den Menschen bisher nicht genutzt worden waren. Selbst Büffel gab es ausreichend – sie gerieten erst ernsthaft in Bedrängnis, als Weisse sie im 19. Jahrhundert massenhaft abzuschlachten begannen, nicht zuletzt, um den Indianern die Lebensgrundlage zu entziehen.

Doch was machte das Pferd mit der Gesellschaft? Die Prärieindianer waren einst sesshafte Gartenbauern mit flachen Hierarchien, die friedlich am Rande der Prärie lebten. Man lebte vor allem vegetarisch, jagte ein bisschen Kleintiere und ab und zu einen Büffel. Das Pferd setzte dem ein Ende. Es «veränderte das Ideal des Mannes: weg vom stoischen, geduldigen und geschickten Jäger, der mit dem Langbogen und zu Fuss jagte, hin zum tollkühnen Reiter, der die Lanze schwingt, um seine Beute zu erlegen», schrieb der Soziologe Fred Cottrell in seinem Standardwerk «Energy and Society». Nun konnte enormes Prestige anhäufen, wer das beste Pferd besass. Gemeinschaftsarbeit wurde unwichtig. Weil Jagen Männersache war, die Frauen aber Fleisch und Leder verarbeiteten und die Pferde betreuten, brauchte ein erfolgreicher Jäger mehrere Frauen. Pferde- und Frauenraub verschafften einem Mann Respekt, und mit dem Energieüberschuss, den das Pferd mit sich brachte, konnte man Kriege führen (noch bevor die Ausrottungskriege der weissen Siedler gegen die Indianer begannen).

Eine neue (Kultur-) Technik, und sei sie als Technik «an sich» unproblematisch, bringt eine Gesellschaft nicht automatisch weiter, und mehr «saubere» Energie macht eine Gesellschaft nicht automatisch besser: Das ist so trivial, dass man es kaum zu schreiben wagt. Und doch erstaunt, wie wenig in einer Zeit, da alle von Energie sprechen, in Betracht gezogen wird, dass eine Gesellschaft auch unter einem Zuviel an Energie leiden kann.

Marcel Hänggi

Comments are closed.

    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​
    Zürich


    Themen

    Alle
    Architektur
    Atomenergie
    Bevoelkerung
    Bildung
    Cern
    Coronapandemie
    Demokratie
    Emissionshandel
    Energie
    EPF Lausanne
    ETH Zuerich
    Gentechnik
    Geschichte
    Interview
    Journalismus
    Klimabewegung
    Klimakonferenz Kopenhagen 2009
    Klimakonferenz Paris 2015
    Klimapolitik
    Klimaskeptiker
    Krieg Und Frieden
    Landwirtschaft
    Migration
    Ökonomie
    Physik
    Porträt
    Recht
    Religion
    Reportage
    Rezension
    Suffizienz
    Synthetische Biologie
    Technik
    Technikkolumne NZZ
    Umwelt
    Umweltblog Newsnet
    Uni Zürich
    Verkehr
    Vortrag
    Wanderungen
    Wirtschaftswachstum
    Wissenschaft
    Wissenschaftsgeschichte
    Wissenschaft Und Industrie

Proudly powered by Weebly