Illustration © Republik
Software-Tools helfen: Damit kann ich Aufträge so planen, dass die App sie zum gewünschten Termin an meine Klasse verschickt. Das ist äusserst praktisch – und führt dazu, dass ich eigentlich immer arbeite (man kann einmal bereitgestellte Aufträge jederzeit ändern, verbessern; perfekt sind sie ja nie …). Staffan B. Linder hat es vor fünfzig Jahren beschrieben: Zeitsparende Innovationen «sparen» keine Zeit, sondern lassen einen in dieselbe Zeit mehr reinstopfen.
Effizienz ist ein lebensfeindliches Prinzip.
Zu Beginn des Fernunterrichts wollte ich meiner Klasse möglichst viel Freiheit lassen: Arbeiten Sie, wann Sie wollen! Aber ich stellte rasch um und unterrichte nun viel per Videokonferenz. Sähe ich nur noch die schriftlichen Arbeiten meiner Schülerinnen und Schüler, die ich unter ständigem latentem Stress zu korrigieren versuche: Mein Bild von ihnen wäre bald ziemlich verzerrt. Ich muss meine Klasse sehen und hören, und auch die Klasse braucht den direkten Austausch. Zudem ist es für Kinder und Jugendliche schwierig, sich selber eine Tagesstruktur geben zu müssen und sich dann auch daran zu halten. Meine elfjährige Tochter verzweifelt immer wieder, weil sie es nicht geschafft hat, die selbst gesetzten Zeiten einzuhalten.
Immerhin kann ich sie unterstützen. Was ist mit den Kindern, deren Eltern nicht helfen können – weil sie immer noch ausser Haus arbeiten, weil sie nicht Deutsch können oder fachlich überfordert sind?
Die positive Überraschung des Fernunterrichts ist das Gefühl, meinen Schülerinnen und Schülern nähergekommen zu sein. Sie kommentieren meine Aufträge mit Emojis. In den fünf Minuten, bis alle in eine Videokonferenz eingewählt sind, smalltalken wir. Dreimal pro Woche erteile ich einen kleinen Schreibauftrag; oft geht es darum, die Lockdown-Erfahrung zu reflektieren (hier ein paar Auszüge, von der Klasse selbst gelayoutet). Fast alle erledigen die Aufgabe, auch ohne die extrinsische Motivationskeule der Noten. Während sich in einer typischen Lektion Präsenzunterricht vielleicht ein Drittel der Klasse zu Wort meldet, habe ich so von fast jeder und jedem eine Wortmeldung und gebe jeder und jedem ein kleines, persönliches Feedback. Es schafft ein Gefühl, gemeinsam eine aussergewöhnliche Situation zu erleben.
Ein Schüler hat mich gefragt, ob ich die Klasse weiterhin mit Schreibaufträgen versorgen könne, wenn meine Stellvertretung zu Ende sei; das seien Highlights seiner Lockdown-Wochen.
Made my day! 😊