Marcel Hänggi
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Das Rad wegerfinden

28/11/2012

 
Von der Wichtigkeit von Techniken 
Technischer Wandel ist kein linearer Vorgang. Ob sich eine neue Technik als Fortschritt herausstellt, hängt meist mehr von gesellschaftlichen als von technischen Faktoren ab. Das zeigt die NZZ-Serie «Alles neu?» anhand von historischen Beispielen auf. Teil VIII meiner monatlichen Technikkolumne in der NZZ.

BildDem Wagen überlegen: das Kamel (c) Wikimedia
«Man soll das Rad nicht neu erfinden», sagt die Redewendung: Das Rad gilt, nebst der (sehr viel älteren) Beherrschung des Feuers, als Grundtechnik menschlicher Zivilisation schlechthin. Für das Feuer ist das gewiss richtig – aber für das Rad?

Viele Kulturen nutzten das Rad nicht oder nicht zu Transportzwecken, darunter die Hochkulturen des präkolumbianischen Amerika (obwohl beispielsweise die Azteken Spielzeugwägelchen kannten). Mehr noch: Der persisch-arabisch-berberische Kulturraum gab die Technik des Warentransports auf Rädern, die er einst gekannt hatte, zugunsten des Kamels für mehr als ein Jahrtausend auf.

Das geschah in der Zeit, als das Römische Reich zerfiel, und so liegt es nahe, darin ein Zeichen zu sehen, dass dieser Kulturraum sich auch technisch im Niedergang befand (eine Sichtweise, zu der islamfeindliche Autoren wie der einflussreiche Wirtschaftshistoriker David Landes neigen). Aber die Kenntnis des Rades ging keineswegs verloren: Syrische Christen beispielsweise nutzten Wagen für religiöse Prozessionen – aber nur dafür, und das Wasserrad entwickelte sich unter islamischer Herrschaft entscheidend weiter.

Nein: Das Kamel als Lasttier hatte gegenüber dem Wagen offenbar Vorteile, die unter den gegebenen klimatisch-geografischen Bedingungen entscheidend waren; Vorteile, die die europäischen Lasttiere (Esel, Maultier, Pferd) nicht im selben Masse hatten, so dass der Wagentransport nie aus Europa verschwand. Das Kamel gibt Fleisch, Milch und Wolle – dazu war es ursprünglich domestiziert worden –, und es kann weite Strecken ohne Fressen und Saufen zurücklegen.

Um den Wechsel vom Wagen zum Packkamel zu verstehen, muss man die Transporttechniken im Kontext ihrer Infrastruktur betrachten – Strassen im einen, Karawansereien im anderen Fall. Das Römische Imperium hatte Fernstrassen aus militärischen Gründen gebaut und unterhalten. Als das wegfiel, lag der Entscheid zugunsten eines Lasttiers nahe. Hatte das Kamel dem Wagen erst einmal den Rang abgelaufen, gab es wiederum wenig Anreiz, Strassen zu unterhalten. Ohne Wagen konnte man in dieser heissen Gegend Städte mit engen, verwinkelten Gassen bauen, die schattig waren und starke Winde brachen; waren die Städte aber erst einmal so gebaut, war für Wagen kein Durchkommen mehr.

Gewiss: Heute hat sich auch in dieser Gegend der Lastwagen gegen Kamelkarawanen durchgesetzt. Den entscheidenden Vorteil brachte dem Rad aber erst eine sehr junge Technik: der Motor.

Laut dem Technikhistoriker George Basalla kam die Idee, das Rad sei eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit, auch in Europa erst im späten 19. Jahrhundert auf. Denn vorher wurden Waren auch hier nur zum kleineren Teil auf Rädern transportiert. Im Gebirge war man auch im Westen auf Packtiere angewiesen, und wo immer man konnte, transportierte man Waren auf Schiffen oder treidelte sie auf nicht schiffbaren Bächen. Wer als europäischer Herrscher des 18. und frühen 19. Jahrhunderts die Transportinfrastruktur seines Landes verbessern wollte, liess Kanäle, nicht Strassen oder Schienen bauen.

Wir neigen dazu, Techniken zu überschätzen, die in unserer eigenen Kultur wichtig sind, und zu übersehen, inwieweit sie ihre Wichtigkeit den spezifischen Rahmenbedingungen dieser Kultur verdanken. Diese Sichtweise macht blind für Alternativen – und überheblich im Blick auf andere Kulturen. Das Rad ist nur ein Beispiel.

Marcel Hänggi

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    Autor

    Marcel Hänggi
    ​

    Journalist und Buchautor
    dipl. Gymnasiallehrer​
    Dr. phil. h.c.
    ​
    Zürich


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