Lassen sich also bald Diamanten kaufen ohne das Risiko, dass man damit Kriege finanziert? Kaum, wie verdeckte Recherchen der «Weltwoche» zeigen. Wir boten Diamanthändlern in Genf – Hauptumschlagplatz für afrikanische Händler – Steine zweifelhafter Herkunft an. Das Fazit ist erschreckend: Acht von elf Händlern hätten die Steine gekauft.
Drei Steine und eine Geschichte öffnen mir seine Tür: Auf einer Reise durch die Elfenbeinküste lernte ich einen Diamanthändler kennen. Ich kaufte ihm drei Steine ab und liess sie in Holland schleifen. Ich könne beim gleichen Händler jederzeit grössere Mengen Rohdiamanten gleicher Qualität günstig kaufen und suche nun Abnehmer in der Schweiz.
Was der Genfer Händler nicht weiss: Die Geschichte ist erfunden. Echt sind allerdings die drei Steine ausgezeichneter Qualität; die insgesamt 0,6 Gramm reinen Kohlestoffs haben an der Börse einen Wert von rund 20 000 Dollar**. Damit liessen sich mehrere westafrikanische Kindersoldaten mit Waffen ausrüsten. Genau zu diesem Zweck werden sierra-leonische Diamanten über die Elfenbeinküste ins Ausland geschafft. Von Leuten, die auf ihren Raubzügen massenweise Zivilisten verstümmeln. Was jeder Diamantenhändler weiss.
Denn in die Weltmedien gelangte das Thema Konfliktdiamanten bereits 1999 dank einer Öffentlichkeitskampagne verschiedener regierungsunabhängiger Organisationen (NGOs). Eine von der Uno eingesetzte Expertenkommission zeigte vergangenen Sommer, wie der Diamanthandel der Unita-Rebellen trotz Embargo den Krieg in Angola weiterhin finanziert. Im Mai flammte der Krieg in Sierra Leone wieder auf, die Rebellen griffen die Uno-Friedenstruppe an. Dazu kam, dass der grösste Rohdiamanthändler, De Beers, seine Kartellpolitik aufgegeben hat und vermehrt für Diamanten werben will (siehe Artikel unten). Was Konsequenzen hat für Steine, «an denen Blut klebt». Denn diese sind ein schlechtes Marketinginstrument. In der trägen Branche, die traditionell noch mit Handschlag und Barzahlung arbeitet, findet allmählich ein Umdenken statt. «Bis 1999 leugnete die Diamantindustrie das Problem der Konfliktdiamanten», schreibt eine vor drei Wochen erschienene Uno-Studie, die sich mit der Umsetzung der Sanktionen gegen die sierra-leonischen Rebellen befasst.
Dank dem Druck branchenkritischer NGOs arbeiten Regierungen und die Uno an einem Zertifizierungssystem. Innert kürzester Zeit wurden fälschungssichere Zertifikate für Steine aus Angola und Sierra Leone geschaffen. Das Zertifizierungssystem soll auf rund ein Dutzend weitere «sensible» afrikanische Staaten ausgedehnt werden. Dadurch soll der Handel mit Konfliktdiamanten unterbunden werden – mithin genau solche Geschäfte wie der von mir dem Genfer Händler O.N. vorgeschlagene Deal.
Die Schweiz hat sich als wichtiges Zwischenhandelsland den Uno-Sanktionen angeschlossen. Ab dem 1. Februar 2001 erfüllt die Eidgenossenschaft eine der Empfehlungen des jüngsten Expertenberichts und wird die Pflicht zur Deklaration des Ursprungslandes einführen. Bisher wurde nur das unmittelbare Herkunftsland erfasst – eine in den meisten Ländern gängige Praxis, die es einem leicht machte, Diamanten zu «waschen».
Die Wirkung staatlicher Gesetze ist indes begrenzt. Der Staat kann nur die Grenzübergänge kontrollieren; kein Metalldetektor kann Diamanten orten. Um diese Lücke zu stopfen, ist deshalb die Branche gefordert. Youri Steverlynck, Sprecher des Diamantenrats (HRD), der Dachorganisation des weltgrössten Handelsplatzes, Antwerpen, räumt ein, dass es eine absolute Gewähr für saubere Diamanten nie geben wird. «Unser Ziel ist aber, den Handel mit Konfliktdiamanten im grossen Stil zu stoppen.» Bisher habe noch nie ein Händler wegen Zuwiderhandlung gegen die gesetzlichen oder brancheneigenen Vorschriften geächtet werden müssen. Konfliktdiamanten machten nur einen kleinen Teil des weltweiten Handelsvolumens aus, kaum ein Händler wolle dafür ein Berufsverbot riskieren.
Hehre Versprechen, von denen in der Praxis wenig zu spüren ist, wie unsere Recherchen zeigen. Unter den angefragten Händlern waren elf grundsätzlich an einem Gelegenheitsankauf interessiert – oder an unserem Angebot, grössere Mengen roher Steine der gleichen Quelle zu beschaffen. Von diesen elf lehnten drei den Kauf der Steine ab, «weil wir», wie ein Händler es formulierte, «auf keinen Fall mit unserem Geschäft Kriege finanzieren wollen». Die andern acht hatten nichts gegen den Kauf von Steinen dubioser Herkunft einzuwenden.
O.N., der am Kauf grösserer Mengen roher Steine interessiert war und familiär beste Beziehungen zum Diamantgewerbe in Antwerpen hat, gab an, in Belgien «jeden Stein, egal woher», verkaufen zu können. Er komme gerade von einem Treffen mit Händlern, welche Diamanten aus der Elfenbeinküste per Diplomatenpost nach Europa brächten. K.I., wie O.N. israelischer Staatsangehöriger und ebenfalls am Kauf grosser Mengen Rohsteine interessiert, empfahl mir, «nichts von all dem zu glauben, was in der Zeitung über Sanktionen geschrieben wird». M.P., Inhaber eines grossen Juweliergeschäfts im Zentrum von Genf, kauft nur geschliffene Steine. Auf meine Bemerkung, ich hätte kein Herkunftszertifikat, reagierte er ungeduldig: «Wenn Sie bei einer Bank eine grosse Menge Geld anlegen wollen, müssen Sie die Herkunft des Geldes deklarieren. Für geschliffene Diamanten gibt es noch kein solches Gesetz (Das Embargo richtet sich nur gegen Rohsteine, Anmerkung der Red.). Zeigen Sie mir die Steine, ich mache Ihnen ein Angebot und zahle bar.»
Trotz Boykottgefahr scheint die Branche das Problem nicht in den Griff zu kriegen. Offensichtlich ist weiterer Druck von Seiten der Konsumenten nötig. Allein, diese haben das Thema «Blutdiamanten» noch kaum erkannt: Eine Umfrage unter Juwelieren der Zürcher Bahnhofstrasse ergab, dass noch nie ein Kunde nach der Herkunft eines Steines gefragt hat.
* Die Namen aller genannten Diamantaires und Juweliere sind der Redaktion bekannt. Die Initialen werden aus rechtlichen Gründen verändert wiedergegeben
** Die Diamanten, die uns zu unseren Recherchen dienten, wurden vor Ausbruch der westafrikanischen Bürgerkriege roh in Guinea gekauft.
Marcel Hänggi