Zwischen Tradition und Moderne – die Schweiz in den 1920er Jahren: Das Auto setzt sich durch
1. Krisenzeit
2. Modernisierung der Lebenswelt
3. Der Siegeszug des Automobils
3.1 Quellengruppe 1: Widerstand
3.2 Quellengruppe 2: Faszination
Viele Autobegeisterte in den 1920er Jahren waren Journalisten und Schriftsteller (und ein paar Schriftstellerinnen). Sie warben kräftig für das Automobil. Ebenfalls zur Popularisierung trugen Autorennen bei sowie die Postautos: Zwischen 1920 und 1930 stellte die PTT auf den meisten ihrer Linien von Pferdekutschen auf Autos um. Privatautos waren etwas für Reiche, dank der Post konnten alle Auto fahren.
• Felix Moeschlin war Kolumnist der Basler National-Zeitung. Wie drückt sich in seinen Texten (Quelle 1) die Begeisterung für das Auto aus?
• Wie zeigt sich die Faszination für das Auto in dem Plakaten, die für Autorennen werben (Quellen 2 und 3)? Wie in den Plakaten für die Postautos (Quellen 4 und 5)?
• Wenden Sie an, was Sie über Quellenkritik / Quellenanalyse gelernt haben!
Quelle 1: Kolumnen von Felix Moeschlin
28. November 1921. Wenn die Notwendigkeit und Nützlichkeit einer Auflösung der Städte, einer Dezentralisierung der Wohnungen eingesehen wird, so muß auch das kleine und billige Motorfahrzeug als dienliches Mittel anerkannt werden. Unser Volk könnte nur gewinnen, wenn es in größerem Maße Motorfahrer würde. Wir dürfen getrost unser Tempo noch um etliches steigern, ohne den Verlust unserer gepriesenen Beschaulichkeit befürchten zu müssen. Zum Begriff des europäischen Menschen gehört der Motor. Man muß darum seine Verwendung verbilligen, seine Verbreitung fördern. (…)
5. Oktober 1922. In Zürich ist die «Initiative für vermehrten Schutz vor den Motorfahrzeugen» mit 12,000 Unterschriften statt der erforderlichen 5000 zustandegekommen. Vergeblich sucht man nach Bestrebungen, die die Vermehrung des billigen ökonomischen Familienfahrzeuges bezwecken. Die Versuche, das elektrische Automobil allgemein einzuführen, sind gescheitert. Die Schweiz hat sich wieder einmal die Möglichkeit entgehen lassen, eine eingeführte Kraft, das Benzin, durch eine einheimische Kraft zu ersetzen. Mit einem planmäßig durchgeführten Netz von Ladestationen wäre die Verwendung des Elektromobils in großem Maß stabe möglich gewesen. Man zieht es vor, die elektrische Kraft zu exportieren. Was aber die Motorfahrzeuge im allgemeinen betrifft, so weiß man nichts besseres – als sich vor ihnen schützen zu lassen!
28. Dezember 1924. Die Beratung des Automobilgesetzes wird in zwanzig Jahren sicherlich zu den kulturhistorischen Merkwürdigkeiten gerechnet werden. Automobilismus und Bolschewismus sind beide gleich gut geeignet, dem vereinten Widerstand sonst sehr uneiniger Parteien zu rufen. Unsere Nationalräte sind Fußgänger, es läßt sich nicht daran zweifeln. Die Straße den Fußgängern, das ist die Parole. Man findet zwar nicht den Mut, den Gebrauch von Vollgummi für Lastautomobile zum Nutzen der Straßen, der Anwohner und der Lastautomobile selber heute schon zu untersagen. Dafür wird man um so beredter, wenn es sich um die Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern und um die «tunliche» Freihaltung der Fahrbahn handelt. Man weiß nicht, soll man traurig werden oder lächeln, wenn man hört, daß auch ein Mann wie Gelpke [Rudolf Gelpke, baselstädtischer Nationalrat der BGB (Vorläuferpartei der SVP)] zu den Ratsmitgliedern gehört, denen 50 Kilometer ein Schreckgespenst und die Straßenmitte das heilige Besitztum aller guten, aufrechten Schweizer bedeutet. Wie lange wird es noch gehen, bis man bei uns anfängt, für das billige Automobil zu kämpfen, statt das Automobilwesen zu verteuern und zu erschweren?
11. Oktober 1925. Die Landstraße feiert derweil Triumphe. Sie erlebt nacheinander erst den Reisenden, dann die Fracht, jetzt das Geschäft. Der «Migros»-Vertrieb in Zürich ist bei uns der erste Versuch, die Straße in ein Ladenlokal zu verwandeln und die teure Ladenmiete zu sparen. Jedermann kann sich die verschiedenen Zukunftsmöglichkeiten aus malen. W as danach kommt, ist die Straße als Wohnort: Das Uebernachten der Reisenden im Automobil. Undsoweiter! Nicht nur die Direktionen der Eisenbahnen werden in den nächsten Jahren dank dem Automobil etliches zu denken haben …
Felix Moeschlin: Eidgenössische Glossen, Erlenbach 1929.
28. November 1921. Wenn die Notwendigkeit und Nützlichkeit einer Auflösung der Städte, einer Dezentralisierung der Wohnungen eingesehen wird, so muß auch das kleine und billige Motorfahrzeug als dienliches Mittel anerkannt werden. Unser Volk könnte nur gewinnen, wenn es in größerem Maße Motorfahrer würde. Wir dürfen getrost unser Tempo noch um etliches steigern, ohne den Verlust unserer gepriesenen Beschaulichkeit befürchten zu müssen. Zum Begriff des europäischen Menschen gehört der Motor. Man muß darum seine Verwendung verbilligen, seine Verbreitung fördern. (…)
5. Oktober 1922. In Zürich ist die «Initiative für vermehrten Schutz vor den Motorfahrzeugen» mit 12,000 Unterschriften statt der erforderlichen 5000 zustandegekommen. Vergeblich sucht man nach Bestrebungen, die die Vermehrung des billigen ökonomischen Familienfahrzeuges bezwecken. Die Versuche, das elektrische Automobil allgemein einzuführen, sind gescheitert. Die Schweiz hat sich wieder einmal die Möglichkeit entgehen lassen, eine eingeführte Kraft, das Benzin, durch eine einheimische Kraft zu ersetzen. Mit einem planmäßig durchgeführten Netz von Ladestationen wäre die Verwendung des Elektromobils in großem Maß stabe möglich gewesen. Man zieht es vor, die elektrische Kraft zu exportieren. Was aber die Motorfahrzeuge im allgemeinen betrifft, so weiß man nichts besseres – als sich vor ihnen schützen zu lassen!
28. Dezember 1924. Die Beratung des Automobilgesetzes wird in zwanzig Jahren sicherlich zu den kulturhistorischen Merkwürdigkeiten gerechnet werden. Automobilismus und Bolschewismus sind beide gleich gut geeignet, dem vereinten Widerstand sonst sehr uneiniger Parteien zu rufen. Unsere Nationalräte sind Fußgänger, es läßt sich nicht daran zweifeln. Die Straße den Fußgängern, das ist die Parole. Man findet zwar nicht den Mut, den Gebrauch von Vollgummi für Lastautomobile zum Nutzen der Straßen, der Anwohner und der Lastautomobile selber heute schon zu untersagen. Dafür wird man um so beredter, wenn es sich um die Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern und um die «tunliche» Freihaltung der Fahrbahn handelt. Man weiß nicht, soll man traurig werden oder lächeln, wenn man hört, daß auch ein Mann wie Gelpke [Rudolf Gelpke, baselstädtischer Nationalrat der BGB (Vorläuferpartei der SVP)] zu den Ratsmitgliedern gehört, denen 50 Kilometer ein Schreckgespenst und die Straßenmitte das heilige Besitztum aller guten, aufrechten Schweizer bedeutet. Wie lange wird es noch gehen, bis man bei uns anfängt, für das billige Automobil zu kämpfen, statt das Automobilwesen zu verteuern und zu erschweren?
11. Oktober 1925. Die Landstraße feiert derweil Triumphe. Sie erlebt nacheinander erst den Reisenden, dann die Fracht, jetzt das Geschäft. Der «Migros»-Vertrieb in Zürich ist bei uns der erste Versuch, die Straße in ein Ladenlokal zu verwandeln und die teure Ladenmiete zu sparen. Jedermann kann sich die verschiedenen Zukunftsmöglichkeiten aus malen. W as danach kommt, ist die Straße als Wohnort: Das Uebernachten der Reisenden im Automobil. Undsoweiter! Nicht nur die Direktionen der Eisenbahnen werden in den nächsten Jahren dank dem Automobil etliches zu denken haben …
Felix Moeschlin: Eidgenössische Glossen, Erlenbach 1929.
Quelle 2: Werbeplakat von Niklaus Stoecklin von 1927.
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Quelle 3: Werbeplakat aus dem Jahr 1930.
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