Zwischen Tradition und Moderne – die Schweiz in den 1920er Jahren: Das Auto setzt sich durch
1. Krisenzeit
2. Modernisierung der Lebenswelt
3. Der Siegeszug des Automobils
Erfunden wurde das Auto im späten 19. Jahrhundert, zu einem Massenverkehrsmittel wurde es in den 1950er Jahren. Nur Reiche konnten sich in den 1920ern ein Auto leisten. Es war ein anderes Gerät, das in diesem Jahrzehnt zum Massenverkehrsmittel aufstieg: das Velo. Es gab sehr viel mehr Fahrräder als Autos auf den Straßen, wie diese undatierte Aufnahme aus dem Zürich der Zwischenkriegszeit zeigt.
Trotzdem waren die 1920er Jahre ein entscheidendes Jahr für das Automobil in der Schweiz. Ende der 1920er Jahre, schreibt der Historiker Christoph Maria Merki, «verschwand der Widerstand gegen das Automobil (…) und machte einer breiten Akzeptanz Platz». Seine Automobilgeschichte endet denn auch 1930. Die 1920er Jahre bereiteten den Boom der 1950er vor – das gilt auch für andere Techniken des 20. Jahrhunderts.
In den 1920er Jahren stellte die PTT (die damalige staatlich Gesellschaft Post Telephon Telegraph) ihre Alpenposten von Pferdekutschen auf Postautos um. Dank den Postautos konnten auch Leute, die nicht reich waren, Auto fahren. Autorennen begeisterten Massen. Der Widerstand war vielerorts zu Beginn des Jahrzehnts heftig, aber er schwand. Die Zahl der Autos nahm um den Faktor sieben zu. Eine so starke relative Zunahme des Automobilbestands in der Schweiz gab es in keinem anderen Jahrzehnt.
Das Velo war zwar für weitaus mehr Menschen das wichtigste Verkehrsmittel als das Auto, aber die Autofahrer (über 90 Prozent der Autofahrenden waren Männer) waren einflussreicher. Für das Auto musste man neue Straßen bauen; für das Auto brauchte es neue Gesetze – nicht für das Velo. 1921 erhielt der Bund die Kompetenz, Straßenverkehrsgesetze zu erlassen; es dauerte dann allerdings noch bis 1932. Das Motorfahrzeug- und Fahrradgesetz von 1932 schaffte dann aber gleich jegliches Tempolimit ab – inner- und außerorts; die Autofahrer mussten lediglich die Geschwindigkeit «den Verhältnissen anpassen».
Autos töteten in den späteren 1920er Jahren mehr Menschen pro Jahr als heute (2018), obwohl es heute rund 100 mal mehr Autos gibt. Das Verhältnis von Autos zu Todesopfern war nie höher; pro Jahr tötete jedes 250. Auto einen Menschen.
> weiterführende Literatur:
Christoph Maria Merki: Der holprige Siegeszug des Automobils 1895–1930, Wien 2002.