Nachhaltig quer-gedacht
Begriffe und Konzepte im Umfeld der «Nachhaltigkeit» erkennen und hinterfragen
Seminar am House of Competence des Karlsruher Institut für Technologie
Sommersemester 2016
Sommersemester 2016
Hausarbeit / Referat
Positionen / Konzepte in der Umwelt-/Nachhaltigkeitsdebatte
Die Umweltbewegung – oder allgemeiner: das Nachdenken der Menschen über ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt – hat in ihrer Geschichte sehr heterogene und teilweise widersprüchliche Positionen hervorgebracht. Beispielsweise stehen sich gegenüber:
- technokratische Positionen vs. Positionen, die eine Veränderung gesellschaftlicher Systeme in Richtung Nachhaltigkeit im Auge haben;
- konservative Positionen, für die es darum geht, vergangene Zustände umweltverträglichen Lebens wieder herzustellen, vs. progressive, die auf Schaffung eines neuen Zustandes abzielen;
- misanthrope Positionen, die die «Natur» / «Wildnis» gegen («den») Menschen schützen wollen vs. Menschenrechtspositionen, für die der Kampf gegen die Ausbeutung der Umwelt auch ein Kampf zur Emanzipation der Menschen ist;
- technikoptimistische Positionen, für die Technik ein wesentlicher Bestandteil einer künftigen, umweltverträglichen Welt ist, vs. technikpessimistische Positionen, für die Technik vor allem Teil des Problems darstellt
und so weiter.
Eine gute Globalgeschichte der Umweltbewegungen ist Joachim Radkau: Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte, München 2011.
Die Umweltbewegung – oder allgemeiner: das Nachdenken der Menschen über ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt – hat in ihrer Geschichte sehr heterogene und teilweise widersprüchliche Positionen hervorgebracht. Beispielsweise stehen sich gegenüber:
- technokratische Positionen vs. Positionen, die eine Veränderung gesellschaftlicher Systeme in Richtung Nachhaltigkeit im Auge haben;
- konservative Positionen, für die es darum geht, vergangene Zustände umweltverträglichen Lebens wieder herzustellen, vs. progressive, die auf Schaffung eines neuen Zustandes abzielen;
- misanthrope Positionen, die die «Natur» / «Wildnis» gegen («den») Menschen schützen wollen vs. Menschenrechtspositionen, für die der Kampf gegen die Ausbeutung der Umwelt auch ein Kampf zur Emanzipation der Menschen ist;
- technikoptimistische Positionen, für die Technik ein wesentlicher Bestandteil einer künftigen, umweltverträglichen Welt ist, vs. technikpessimistische Positionen, für die Technik vor allem Teil des Problems darstellt
und so weiter.
Eine gute Globalgeschichte der Umweltbewegungen ist Joachim Radkau: Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte, München 2011.
Aufgabe
Wählen Sie eines der oben kurz angerissenen Konzepte (wir verteilen die Themen im Seminar). Präsentieren Sie das Konzept an unserer nächsten Sitzung (Dauer Ihres Vortrags: je nach Teilnehmerzahl; wir legen das im Seminar fest).
Für 2 ECTS-Punkte verfassen Sie zudem ein kurzes schriftliches Handout zu Ihrem Vortrag, 1 bis 2 Seiten.
Für 3 ECTS-Punkte verfassen Sie eine ausführlichere schriftliche Hausarbeit (Umfang: 25.000 bis 30.000 Anschläge exkl. Inhaltsverzeichnis und Literaturliste); Abgabetermin nach Absprache.
Lassen Sie sich von den folgenden Fragen leiten:
- Was sind die wesentlichen Elemente des Konzepts?
- Inwiefern trüge eine Umsetzung des Konzepts zur Lösung ökologischer Probleme bei?
- Welches sind die wichtigsten Protagonisten, Autoren, Bücher…?
- Welche Elemente des Konzepts werden kontrovers diskutiert, was sind die wichtigsten Kritikpunkte, welches die Gegenargumente? Gibt es eigentliche Gegenkonzepte?
- Auf welchen (expliziten und impliziten) Annahmen beruht das Konzept, was für ein Verständnis vom Menschen, von Natur, Kultur, Gesellschaft etc. liegt ihm zugrunde?
- Wie bewerten Sie persönlich das Konzept?
Für 2 ECTS-Punkte verfassen Sie zudem ein kurzes schriftliches Handout zu Ihrem Vortrag, 1 bis 2 Seiten.
Für 3 ECTS-Punkte verfassen Sie eine ausführlichere schriftliche Hausarbeit (Umfang: 25.000 bis 30.000 Anschläge exkl. Inhaltsverzeichnis und Literaturliste); Abgabetermin nach Absprache.
Lassen Sie sich von den folgenden Fragen leiten:
- Was sind die wesentlichen Elemente des Konzepts?
- Inwiefern trüge eine Umsetzung des Konzepts zur Lösung ökologischer Probleme bei?
- Welches sind die wichtigsten Protagonisten, Autoren, Bücher…?
- Welche Elemente des Konzepts werden kontrovers diskutiert, was sind die wichtigsten Kritikpunkte, welches die Gegenargumente? Gibt es eigentliche Gegenkonzepte?
- Auf welchen (expliziten und impliziten) Annahmen beruht das Konzept, was für ein Verständnis vom Menschen, von Natur, Kultur, Gesellschaft etc. liegt ihm zugrunde?
- Wie bewerten Sie persönlich das Konzept?
Überblick
Die folgenden Themen sind vergeben:
• Neuere Ansätze in Architektur und Städteplanung (Julia)
• Malthusianismus (Lena und Christian)
• Buen vivir (Sumak kawsay) / Glücksökonomie (Matthias und Mira)
• Subsistenzwirtschaft / Ernährungssouveränität / Solidarische Landwirtschaft (Carolin und Marie)
• Formen zukunftsfähiger Mobilität (Hannah)
• Gemeingüterwirtschaft (Meike)
• 2000-Watt-Gesellschaft (Robin und Benjamin)
• Handwerk / FabLab / Repair Café / Obsolescence-Kritik (Ayfer und Linda)
nicht vergeben sind:
• Limits to growth
• Heutige Wachstumskritik / Degrowth / Postwachstum vs. Green Growth / Green Economy / Green New Deal
• Environmental Justice
• Conviviality
• Transition Town, Permakultur, Sozialutopismus
Die folgenden Themen sind vergeben:
• Neuere Ansätze in Architektur und Städteplanung (Julia)
• Malthusianismus (Lena und Christian)
• Buen vivir (Sumak kawsay) / Glücksökonomie (Matthias und Mira)
• Subsistenzwirtschaft / Ernährungssouveränität / Solidarische Landwirtschaft (Carolin und Marie)
• Formen zukunftsfähiger Mobilität (Hannah)
• Gemeingüterwirtschaft (Meike)
• 2000-Watt-Gesellschaft (Robin und Benjamin)
• Handwerk / FabLab / Repair Café / Obsolescence-Kritik (Ayfer und Linda)
nicht vergeben sind:
• Limits to growth
• Heutige Wachstumskritik / Degrowth / Postwachstum vs. Green Growth / Green Economy / Green New Deal
• Environmental Justice
• Conviviality
• Transition Town, Permakultur, Sozialutopismus
Neuere Ansätze in Architektur und Städteplanung (Julia)
Das moderne Paradigma der Architektur und Städteplanung, wie es etwa vom Congrès International d’Architecture Moderne (mit, als bekanntestem Protagonisten, Le Corbusier) seit 1928 propagiert wurde, war die Trennung der Funktionen. Eine Stadt sollte ihre Viertel zum Wohnen, zum Arbeiten, für die Freizeit haben; großzügige Verkehrsachsen verbinden diese Stadtteile; die moderne Stadt ist «autogerecht». Planstädte wie Brasilia oder Chandigarh wurden nach diesem Modell gebaut – so, wie es sich ihre Väter vorstellten, haben sie nie funktioniert, und aus ökologischer wie sozialer Sicht sind solche Städte alles andere als nachhaltig.
Heute setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass gerade die Durchmischung wichtig ist. Städte müssen menschengerecht sein – was aber nicht möglich ist, wenn sie gleichzeitig autogerecht sein wollen. Für diesen Ansatz steht beispielsweise das Laufen Manifesto for a Humane Design Culture. Jan Gehl ist ein prominenter Vertreter einer neuen Art von Stadtplanung (Städte für Menschen, Berlin 2015).
Eine verwandte Richtung ist die Vernakuläre Architektur: Hier geht es darum, alte, allenfalls vergessene Techniken des Bauens wieder zu beleben und zu modernisieren – und zwar möglichst so, dass die späteren Bewohner beim Bau ihrer Häuser selbst mitarbeiten können. Siehe dazu die Website Learning from Vernacular der EPF Lausanne und mein Text «Wer Bambus hat, braucht keinen Stahl». Eine konkrete Anwendung ist das Projekt Nestown[http://nestown.org] – eine Musterstadt, anhand derer in Äthiopien, einem Land ohne urbane Tradition, zahlreiche Städte neu gegründet werden sollen. Die erste Nestown-Stadt, Buranest, ist derzeit am Entstehen.
Siehe zum Thema auch: Sybille Bauriedl et al. (Hg.): Stadtzukünfte denken. Nachhaltigkeit in europäischen Stadtregionen, München 2008.
Malthusianismus (Lena und Christian)
Eine der ältesten Positionen einer «Umweltdebatte» avant la lettre ist Robert Malthus: An Essay on the Principle of Population, 1798. Das Bevölkerungswachstum als Hauptursache der Umweltzerstörung taucht als Topos bis heute immer wieder auf. In der Schweiz gab es 2014 sogar eine Abstimmung über ein malthusianisches Volksbegehren (das aber an der Urne chancenlos war).
Prominentester und aggressivster Fürsprecher dieser Position ist Paul R. Ehrlich (teilweise zusammen mit seiner Frau Anne Ehrlich), etwa in The Population Bomb, 1968.
Eine kritische Theorie- und Wirkungsgeschichte des Malthusianismus ist Eric B. Ross: The Malthus Factor. Poverty, Politics and Population in Capitalist Development, Dorset 2000 (online: www.thecornerhouse.org.uk/resource/malthus-factor).
Ein kurzer Aufsatz von mir ist Marcel Hänggi: «I=PAT – Formel und Fetisch», in: Balthasar Glättli und Pierre-Alain Niklaus:Die unheimlichen Ökologen. Sind zu viele Menschen ein Problem?, Zürich 2014 (online www.mhaenggi.ch/texte/die-unheimlichen-okologen-sind-zu-viele-menschen-das-problem).
Die wohl extremste Gegenposition zum Malthusianismus ist Cesare Marchetti: «10 to the 12th. A Check on the Carrying Capacity of Earth», in: Energy 4 (1974), S.1107–1117.
Buen vivir (Sumak kawsay) / Glücksökonomie (Matthias und Mira)
In den letzten Jahren sind einige Ansätze in der Umweltdebatte aufgetaucht, die ein «gutes» resp. «glückliches» Leben ins Zentrum stellen: Von den andinen indigenen Kulturen stammt das Konzept des Buen vivir (auf Quechua: Sumak kawsay), das Ecuador und Bolivien in ihren Verfassungen verankert haben; einer der prominentesten Protagonisten idt der ehemalige ecuadorianische Energieminister Alberto Acosta. In den ökonomischen Wissenschaften hat der Zweig der Glücksökonomie einige Aufmerksamkeit erlangt, und das Königreich Bhutan orientiert sich am «Bruttonationalglück».
Das alles ist im Grunde trivial: Eine Gemeinschaft soll ihren Mitgliedern ein gutes Leben ermöglichen. Es ist aber inkompatibel mit der Wachstumsgesellschaft, in der wir leben: In der Wachstumsgesellschaft zählt nicht das Gut, sondern lediglich das Besser; nicht das Genug, sondern das Mehr. Es gibt in der Ökonomie Stimmen, die beklagen, es gehe den Menschen der reichen Nationen zu gut – so dass sie sich nicht mehr genug anstrengten, um die Wirtschaft am wachen zu halten. Der Begriff des «Bruttonationalglücks» ist natürlich als Gegenbegriff zum «Bruttonationalprodukt» konzipiert.
Doch die Idee des guten Lebens ist dem «westlichen» Denken nicht fremd. Für einen der Väter des abendländischen Denkens, Aristoteles, stand die Eudaimonia im Zentrum. Und gerade das liberale Denken interessierte sich in seinen Anfängen für das Glück: Die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung garantiert ihren Bürgern das Recht, nach ihrem Glück zu streben (the pursuit of happiness). Die liberalen Utilitaristen des 19. Jahrhunderts sahen im «höchsten Glück für die höchste Zahl von Menschen» das Ziel der Politik. Mit ihren Versuchen, Glück zu messen und zu maximieren – das sie mit der modernen Glücksforschung und mit Bhutans Bestrebungen teilen – sind sie aber der Logik eines Wachstumsgesellschaft schon nicht mehr fern.
Inwiefern ist ein Konzept wie das Buen vivir in einer westlich-individualistischen Welt anschlussfähig? Kann es tatsächlich einen Beitrag zut Lösung der globalen Umweltprobleme leisten? Was taugt insbesondere das mit dem Buen vivir verbundene Konzept der Mutter Erde (Pachamama), für das westliche Denker wie Bruno Latour oder Slavoj Žižek nur Hohn und Spott übrig haben?
Tipp: Für das Buen vivir ist – laut Natalia Sierra – Reziprozität das entscheidende Fundament der Gesellschaft. Zur Reziprozität siehe u.a. zwei Autoren, die mit Buen vivir an sich nichts am Hut haben: Der Ethnologe David Graeber beschreibt in Schulden. Die ersten 5000 Jahre (Stuttgart 2012) die Reziprozität als eine Grundform menschlicher Beziehungen in allen Kulturen; für den Soziologen Richard Sennett ist die Reziprozität unter den möglichen Austauschbeziehungen zwischen Menschen eine wenig machtbelastete Form (Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält, München 2012, namentlich Seiten 103 bis 122).
Subsistenzwirtschaft / Ernährungssouveränität / Solidarische Landwirtschaft (Carolin und Marie)
Subsistenzwirtschaft ist eine auf Selbstversorgung statt auf den Markt orientierte Wirtschaft. Sie ist der historische Normalfall, und noch heute praktiziert ein großer Teil der Landwirte weltweit Subsistenzwirtschaft: Sie bauen an, was sie und ihre Familie brauchen, sowie zusätzlich vielleicht ein oder wenige «Cash Crops», die sie auf dem Markt verkaufen, um mit dem Erlös die Dinge zu kaufen, die sie nicht selber produzieren können. Im historischen Normalfalls war und ist Subsistenzwirtschaft aber auch eine prekäre Lebensform; jede schlechte Ernte konnte und kann Hunger zur Folge haben. Aus konventionell-ökonomischer Sicht ist Subsistenzwirtschaft höchst ineffizient. Effizient wäre es, wenn jeder das produziert, worin er die größten «komparativen Kostenvorteile» erzielt (nach einer Theorie von David Ricardo). Mit dem Erlös seiner Produktion kann er sich das, was er zum Leben braucht, in größerer Menge auf dem Markt kaufen, als er es selber produzieren könnte. Ein einflussreicher Entwicklungsökonom, der die Subsistenzwirtschaft als rückständig kritisiert, ist heute etwa der Peruaner Hernando de Soto.
Die «Grüne Revolution» (ab den 1960er Jahren) zielte unter anderem auf eine Zerschlagung von Subsistenzstrukturen in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ab, ebenso die Strukturanpassungsprogramme von IMF und Weltbank in den 1980er und 1990er Jahren. Auch der Integration von Kolonien in den kapitalistischen Welthandel ging jeweils eine Zerschlagung von Subsistenzstrukturen voraus. Mit wie viel Gewalt dies verbunden war, zeigt eindrücklich der Historiker Sven Beckert in seinem Buch King Cotton. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus, München 2014 (namentlich Kapitel 11). Und auch die schlimmste Hungersnot aller Zeiten hatte mit einer Zerschlagung von Subsistenzstrukturen zu tun: Sie war die Folge des «Großen Sprungs nach vorn» (1958 bis 1961) im China Maos.
Ob die «Grüne Revolution» mehr Fluch oder mehr Segen war, wird bis heute kontrovers diskutiert (eine gute Darstellung ist z.B. John H. Perkins: Geopolitics and the Green Revolution. Wheat, Genes, and the Cold War, New York 1997. Die Strukturanpassungsprogramme werden heute auch innerhalb von IMF und Weltbank als verfehlt kritisiert (was nicht heißt, dass die entsprechenden Rezepte aus den Entwicklungsprogrammen und den Köpfen von Entwicklungsökonomen verschwunden seien); siehe dazu zum Beispiel: The World Bank: World Development Report 2008: Agriculture for Development, Washington 2008, namentlich Seite 138, oder Walden Bello: Politik des Hungers, Berlin/Hamburg 2010. Die als Promotoren der «Grünen Revolution» gegründeten internationalen Agrarforschungszentren des Weltbank-nahenCGIAR verfolgen heute teilweise nach wie vor den alten, Subsistenz-feindlichen, zum Teil aber auch einen explizit Subsistenz-freundlichen Kurs. Groß angelegte wissenschaftliche Berichte wie der IAASTD («Weltagrarbericht») oder die Trade and Environment Review 2013 der UNCTAD, Wake up before it Is too Late, fordern eine Neubewertung und Re-Orientierung der Landwirtschaft in Richtung Kleinbauerntum und Subsistenz. Der seit 1996 von der Kleinbauerngewerkschaft La Via Campesina propagierte Ansatz der Ernährungssouveränität, der unterdessen in den Verfassungen mehrerer Staaten verankert ist, steht der Subsistenzwirtschaft positiv gegenüber.
Ein Gegenkonzept dazu ist der Ansatz, den die Alliance for a New Green Revolution vor Africa (AGRA) verfolgt, die maßgeblich von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung verfolgt wird (hier ein ausgezeichneter kritischer Artikel über das Wirken dieser Stiftung im Gesundheitsbereich in Afrika: Zack Ohemeng Tawiah et al.: How donor campaigns are setting the fight against malaria back, in: Zam Magazine, October 2015).
Die Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft betrachtet Landwirtschaft ausdrücklich als eine gemeinschaftliche Form des Produzierens von Nahrung. Unter Umgehung des Zwischenhandels, gehen Bürger Verträge mit Landwirten in ihrer Region ein, die das Risiko zwischen Landwirt und Verbraucher teilen; einen Teil des Kaufpreises leisten sie in Form von Arbeit. Initiativen solidarischer Landwirtschaft sind in den letzten Jahre vielerorts entstanden (http://www.solidarische-landwirtschaft.org/), so auch bei Karlsruhe. Das beste mir bekannte Buch zum Thema stellt Initiativen aus der Schweiz vor: Bettina Dyttrich und Giorgio Hösli: Gemeinsam auf dem Acker. Solidarische Landwirtschaft in der Schweiz, Zürich 2015.
Formen zukunftsfähiger Mobilität (Hannah)
Die Art und Weise, wie Menschen und Güter sich bewegen respektive bewegt werden, wird (muss) sich in näherer Zukunft radikal ändern – darüber besteht einigermaßen Konsens unter Autor/innen, die sich mit dem Thema befassen. Die meisten der zahlreichen Szenarien zum Verkehr der Zukunft enthalten zwei wesentliche technische Elemente: andere Antriebsarten für Fahrzeuge (elektrisch, Brennstoffzellen); neue, «smarte» Steuerungstechniken (womöglich Algorithmus-gestützte Mautsysteme, das sogenannte «Mobility Pricing»; «autonome» Autos). Aber selten fragt eines dieser Szenarien, was solche Steuerungssysteme für gesellschaftliche Implikationen haben, und selten stellen die Szenarien die dem Verkehr zugrunde liegenden städtebaulichen, raumplanerischen, politischen, kulturellen und ökonomischen Strukturen infrage. Das äußert sich allein schon in der Terminologie: Sehr häufig ist von «Mobilität» die Rede, wenn eigentlich «Verkehr» gemeint ist («Mobilität» klingt halt besser); und Innenstädte mit Fahrverbot heißen «verkehrsfrei», dabei wimmelt es ja gerade dort von Menschen (die ersten Straßenverkehrsgesetze hatten noch zum Zweck, den «Verkehr» – und damit waren die Fußgänger gemeint! – vor den Fahrzeugen zu schützen!).
Ein Szenario, das tiefer geht, ist in Karlsruhe entstanden: Wolfgang Schade et al.: VIVER – Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland, Fraunhofer ISI 2011. Drei sehr unterschiedliche Szenarien skizzierte ein Autorenkollektiv im Auftrag der Stadt Zürich: Zürichs Verkehr 2050 – Eckpunktbilder, Zürich 2009. Der Automobilsoziologe John Urry und der Schriftsteller Kingsley Dennis haben 2009 über die Welt After the Car geschrieben; die Vision eines dank Algorithmen umweltverträglichen Verkehrs erscheint hier wenig wünschbar. Ebenfalls vor einer Algorithmus-gesteuerten Zukunft warnt der Humangeograf Stephen Graham im Paper «Software-sorted Geographies», in: Progress in Human Geography, 29 (2005), pp. 562-580. Interessant auch die Website des jungen Verkehrsökonomen Martin Randelhoff zukunft-mobilitaet.net.
Ich selber habe öfter über das Thema geschrieben – so in Ausgepowert das Kapitel «Raum und Zeit» (hier zum Download) sowie in Fortschrittsgeschichten das Kapitel «Tempo». Einen Versuch, Mobilität in Abgrenzung zu Verkehr zu definieren, enthält mein Zeitungsartikel zum Mobility Pricing «Am Schwanz aufgezäumt», in: Wochenzeitung vom 11. September 2015. Schon in die Jahre gekommen, aber brilliant, was die Kulturgeschichte des Autos angeht, ist Wolfgang Sachs' Die Liebe zum Automobil, Reinbek 1984. Als Philosoph der Geschwindigkeit hat Paul Virilio in zahlreichen Büchern Interessantes zum Thema beigetragen.
So unterschiedliche Städte wie Curitiba in Brasilien, Kopenhagen oder Bogotà haben sich in den letzten Jahren stark von der Fixierung auf den Autoverkehr wegentwickelt, hin zu Fuß- und Fahrradverkehr sowie ÖPNV. Beachten Sie dazu auch die Bücher von Jan Gehl, dem «Vater» des «Kopenhagener Modells», insbesondere Städte für Menschen, Berlin 2015.
Eine sehr gute Online-Ressource zum Thema ist die Website www.zukunft-mobilitaet.net des Verkehrswirtschafts-Studenten an der TU Dresden Martin Randelhoff.
Eine Frage, die mich besonders umtreibt: Schaut man sich an, was geistes- oder sozialwissenschaftliche Analysen des Systems Automobil ergeben, so fällt die Bilanz meist vernichtend aus (sehen Sie sich insbesondere die Lemmate «Mobilität» und «Straße» im Handbuch «Vom Menschen» (herausgegeben von Christoph Wulf, Weinheim 1997, an!). Das Radikalste, was sich technisch orientierte Verkehrsvisionen vorstellen zu mögen scheinen, ist eine Optimierung des Automobils – an seine Ersetzung durch eine weniger dysfunktionale Technim oder gar seine Überflüssigmachung durch geeignete Siedlungsstrukturen scheint kaum ein Verkehrsingenieur zu denken. Wie kommt das, finden Sie Antworten darauf?
Gemeingüterwirtschaft (Meike)
In den letzten Jahren geriet die Gemeingüterwirtschaft vermehrt in den Fokus des umweltpolitischen Debatte. Denn, klar: Wenn mehrere das selbe Ding benutzen, braucht es weniger Dinge. Jahrhundertelang waren gemeinschaftlich bewirtschaftete Flächen in der Landwirtschaft (Allmenden / commons) normal; in der Alpwirtschaft existieren viele solcher Gemeinschaftsalpen bis heute. Aus orthodox-ökonomischer Sicht ist Gemeinschaftsbesitz aber schlecht; die Auflösung der Allmenden – die vor allem im England des 18. Jahrhunderts forciert wurde; siehe dazu das Kapitel «Klee» in meinem Buch Fortschrittsgeschichten – habe massive Ertragssteigerungen gebracht. 1968 publizierte Garret Hardin im Wissenschaftsmagazin Science den einflussreichen Artikel The Tragedy of the Commons; die «Tragik der Allmende» ist seither ein stehender Begriff. Hardin argumentierte, dass Nutzer einer Allmende Anreize hätten, diese zu übernutzen: Schicken sie mehr Kühe auf die Weide, als diese verträgt, so verteilt sich der Schaden auf alle Nutzer; der Nutzen dagegen fällt bei ihm alleine an. Die Sozialwissenschafterin Elinor Ostrom zeigte in ihren empirischen Forschungen jedoch, dass es vielen Allmendsystemen nicht nur gelingt, die «Tragik der Allmende» abzuwenden, sondern dass sie oft sogar besser funktionieren als Gemeinbesitz. Die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Ostrom 2009 (sie ist bis heute die einzige Frau die diesen Preis erhalten hat) löste einen gewissen Boom der Gemeingüterforschung aus. Eine der eifrigsten Autorinnen zu dem Thema im deutschen Sprachraum ist Silke Helfrich, die dazu auch ein Blog betreibt.
Auch in Ansätzen wie Transition Town usw. (s. unten) spielt Gemeinschaftbesitz eine wichtige Rolle.
Außerdem kam im Windschatten dieses Ansatzes zunehmend die Idee der «Sharing Economy» auf; Jeremy Rifkin ist ein eifriger Verfechter (Access. Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt/Main 2000). Geschäftsmodelle wie Uber oder Airbnb beruhen darauf. Aber geht es da wirklich um neue Formen von Gemeinschaft und um eine «nachhaltigere» Nutzung von Dingen – oder ist es nicht vielmehr die Vereinnahmung des Gedankens des Teilens durch eine neue Form von Superkapitalismus?
2000-Watt-Gesellschaft (Robin und Benjamin)
In den 1990er Jahren im Umfeld der ETH-Zürich entstanden, ist die 2000-Watt-Gesellschaft ein Konzept, das seither zumindest in der Schweiz eine beachtliche Aufmerksamkeit genießt; mehrere Gemeinden – darunter als größte die Stadt Zürich – haben sich dan Anstreben der 2000-Watt-Gesellschaft zum offiziellen Ziel gesetzt. Die Grundidee dahinter ist eine der Suffizienz: Selbst wenn es möglich wäre, beliebig viel Energie umweltfreundlich bereitzustellen, ist das nicht ertrebenswert: Zu viel Energieverbrauch ist nicht gut für eine Gesellschaft. Angestrebt wird deshalb ein kontinuierlicher Energieverbrauch von 2 Kilowatt pro Person oder, anders gesagt, 48 Kilowattstunden pro Tag und Person. Zum Vergleich: Eine menschliche Arbveitskraft leistet ungefähr 100 Watt; würden die 2000 Watt von Menschen erbracht, müsstren also für jede Person rund um die Uhr 20 weitere Personen körperlich arbeiten. Gegenwärtig liegt der Verbrauch etwa in Zürich bei 6000 Watt pro Person, wobei diese Zahl die so genannte Grauenergie nicht beinhaltet – also die Energie, die für die Herstellung der Güter aufgewendet wird, die importiert werden. Als die Idee entstand, lag der weltweite Energieverbrauch bei ungefähr 2000 Watt pro Person (heute sind es ungefähr 2500). Die Schweiz war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine «1000-Watt-Gesellschaft» und überschritt die 2000-Watt-Grenze um 1960.
Die Väter der 2000-Watt-Gesellschaft bauten auf eine Idee des Brasilianers José Goldemberg auf, der postulierte, 1000 Watt würden für ein gutes Leben genügen – die Verdoppelung der Wattzahl sollte die Sache für Europäer realistischer machen. Goldenberg veröffentlichte 1985 seinen Aufsatz «Basic Needs and Much More with One Kilowatt per Capita», in: Ambio Nr. 14, Seiten 190-200. Die Arbeit enthält einen wichtigen Graphen: Goldemberg korrelierte einen Indikator für Lebensqualität und den Energieverbrauch pro Kopf für verschiedene Länder und stellte fest: Bis 1000 Watt Energieverbrauch pro Person steigt die Lebensqualität mit steigendem Energieverbrauch; oberhalb der 1000 Watt flacht die Kurve ab, so dass noch mehr Energie keine bessere Lebensqualität mehr zur Folge hat. Der Verein Neustart Schweiz, eine Art Transition-Town-Bewegung der Schweiz, setzt sich heute die 1000-Watt-Gesellschaft zum Ziel.
Die 2000-Watt-Idee hat eine «offizielle» Website im ETH-Umfeld; wobei man den Eindruck hat, dass sich manche an der ETH heute lieber wieder von dieser Idee verabschieden möchten, die ihnen etwas altmodisch vorkommt. Die Website www.2000watt.ch wird vom Verein Energiestadt und EnergieSchweiz, dem Energieprogramm des Bundesamts für Energie, betrieben.
Die Stadt Zürich – wo sich in einer Volksabstimmung drei Viertel aller Stimmenden für die 2000-Watt-Gesellschaft aussprachen (vielleicht ohne sich viel darunter vorstellen zu können), hat eine Broschüre zum Thema herausgegeben (in Zürich ist das mehr als eine schöne Absichtserklärung: Jedes größere Bau- und Planungsvorhaben wird heute auf seine 2000-Watt-Tauglichkeit geprüft – was noch lange nicht heißt, dass das Ziel erreicht wird).
Handwerk / FabLab / Repair Café / Obsolescence-Kritik (Ayfer und Linda)
Richard Sennett ist einer der interessantesten Soziologen der Gegenwart. In seinen Büchern Handwerk und Zusammenarbeit untersucht er, was Gesellschaften zusammenhält – trotz unterschiedlichen Interessen, Weltanschauungen, Lebenssituationen. Er sagt, das geschehe vor allem in der Zusammenarbeit, und im Handwerk sieht er eine besonders wirksame Form von Zusammenarbeit. Mit Nachhaltigkeit hat das alles zunächst nichts zu tun, oder besser gesagt: Es geht um «soziale Nachhaltigkeit». Doch eine neue Kultur des Handwerks, eine neue Kultur des Materiellen wäre auch ökologisch schonend.
Das Ökologische und das Soziale verbinden Repair Cafés und FabLabs – Orte, wo sich Menschen treffen, um gemeinsam Dinge zu bauen und zu reparieren – und sich damit unabhängiger zu machen. Auch Karlsruhe hat sein FabLab: www.fablab-karlsruhe.de. Diese Orte bilden eine Gegenbewegung zur geplanten Obsoleszenz / zum geplanten Verschleiß der Industrie. Zur geplanten Obsoleszenz siehe das sehr spannende Buch von Giles Slade: Made to Break. Technology and Obsolescence in America, London 2006. In Deutschland gibt es die Anti-Obsoleszenz-Initiative «Murks? Nein danke!».
Limits to Growth (nicht vergeben)
Sie haben die Wachstumskritik nicht erfunden, aber The Limits to Growth. A report for the Club of Rome s project on the predicament of mankind von Donella und Dennis Meadows und Jorgen Randers sorgte 1972 erstmals für breite Debatten über den an sich trivialen Umstand, dass jegliches Wachstum früher oder später an Grenzen stößt. Die Publikum fiel genau in die Zeit, in der der Umwelthistoriker Joachim Radkau die Geburt der «Ära der Ökologie» verortet, und die Ölpreiskrise von 1973 verlieh dem Buch zusätzliche Brisanz. Aber auch der Umstand, dass die Autoren und die Autorin mit Computermodellen arbeiteten – damals etwas sehr Neues –, war für die Wahrnehmung des Berichts nicht unwesentlich.
Heutige Kritik an den «Limits to Growth» verweise vor allem darauf, dass zentrale Vorhersagen des Berichts bis heute nicht eingetroffen seien; statt dass die Grenzen des Wachstums erreicht worden seien, gäbe es ein «Wachstum der Grenzen» – der technische Fortschritt schiebe die Grenzen des Möglichen stets weiter hinaus.
Es gab von Anfang an aber auch Kritik am technokratischen Ansatz des Berichts. Siehe dafür stellvertretend:
Hans Magnus Enzensberger und Karl Markus Michel: «Zur Kritik der politischen Ökologie», in: Kursbuch 33. Ökologie und Politik oder Die Zukunft der Industrialisierung, 1973.
Heutige Wachstumskritik / Degrowth (Décroissance) / Postwachstum vs. Green Growth / Green Economy / Green New Deal (nicht vergeben)
Heute kommt die Kritik am Fetisch Wirtschaftswachstum der orthodoxen (neoklassischen) Ökonomie nicht mehr wie 1972 aus der Kybernetik, sondern vor allem aus heterodoxen Schulen der Wirtschaftswissenschaften, namentlich der Ökologischen Ökonomik. Deren Begründer Nicholas Georgescu-Roegen (1906-1994) versuchte, die Gesetze der Thermodynamik in der Ökonomie zu berücksichtigen. Parallel zur akademischen Wachstumskritik ist in den letzten Jahren die Degrowth- / Décroissance-Bewegung entstanden (siehe z.B. degrowth.de).
Wichtige Autoren der akademischen Wachstumskritik sind:
- Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, München 2011
- Hans Christoph Binswanger: Die Wachstumsspirale. Geld, Energie und Imagtination in der Dynamik des Martkprozesses, Marburg 2006 (ein umfassendes, anspruchsvolles Werk eines dezidiert liberalen Ökonomen)
- Diverse Werke von Herman Daly.
Eine kritische Theoriegeschichte des Wirtschaftswachstums bietet Fred Luks: Die Zukunft des Wachstums. Theoriegeschichte, Nachhaltigkeit und die Perspektiven einer neuen Wirtschaft, Marburg 2011.
Mit der Frage, wie gesellschaftliche Systeme in einer Welt ohne Wirtschaftswachstum aussehen könnten, befasst sich Irmi Seidl und Angelika Zahrnt: Postwachstumsgesellschaft, Marburg 2010
Eine Kritik der Wachstumskritik aus der Umweltbewegung heraus ist Ralf Fücks: Intelligent wachsen. Die grüne Revolution, München 2013
Websites (Blogs) zum Thema: wachstum-im-wandel.de/magazin, www.postwachstum.de
Ein ganz anderer Ansatz ist der Ansatz, der unter Namen wie Green Economy / Green Growth / Green New Deal vertreten wird. Wenn Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig ist – so diese Position –, dann müssen wir nicht das Wachstum abschaffen, sondern es «grün» gestalten. Ja, gerade der Umbau der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Wirtschaft kann der künftige Wachstumsmotor sein.
Wichtigste Fürsprecherin der Grünen Ökonomie ist die OECD: Towards Green Growth, 2011 (onlinewww.oecd.org/env/towards-green-growth-9789264111318-en.htm).
Eine Kritik daran ist Thomas Fatheuer / Lili Fuhr / Barbara Unmüßig: Kritik der grünen Ökonomie, München 2015
Siehe auch die Websites www.endlich-wachstum.de sowie solution.ecovillage.org/de.
Environmental Justice / Climate Justice (nicht vergeben)
Häufig wird Umweltschutz als ein Luxusanliegen der Reichen betrachtet: Wenn man sonst keine Sorgen mehr hat, kümmert man sich um schöne Landschaften und seltene Tiere. Anti-environmentalistische Positionen in Nord und Süd unterstellen umweltpolitischen Bemühungen oft eine neo-kolonialistische Tendenz: Die Reichen, die selber durch Umweltzerstörungen reich geworden sind, wollen den Armen ihr Recht auf Entwicklung bestreiten. Das Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber es übersieht beispielsweise, dass wichtige Vertreter/innen der Umweltbewegung eben gerade in Ländern des globalen Südens leben und sich auch gegen Armut engagieren – etwa Vandana Shiva und Sunita Narain in Indien, Nnimmo Bassey im Nigeria oder Alberto Acosta in Ecuador.
Der Ansatz der Environmental Justice fragt nach der ungleichen Verteilung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und erkennt gerade darin eine Fortsetzung kolonialistischer Herrschaftslogiken. Eine Überwindung der umweltzerstörerischen Wirtschaftsform ist ein emanzipatorisches Anliegen; Umweltpolitik ist immer auch Machtkritik.
Aber was heißt »gerecht«? Am Beispiel der CO2-Emissionen gefragt: Ist es gerecht, wenn alle ihre Emissionen um gleich viel senken müssen (»Grandfathering«)? Ist es gerecht, wenn alle vom verbleibenden »CO2-Budget« gleich viel verbrauchen dürfen? Ist es gerecht, wenn diejenigen, die in der Vergangenheit wenig CO2 ausgestoßen haben, dafür am noch verbleibenden Budget einen höheren Anteil bekommen? Ist es gerecht, wenn ein Bewohner der Arktis mehr CO2 ausstoßen darf als eine Bewohnerin der Tropen, weil es hier weniger zu heizen gibt als dort?
Stellvertretend für diese Position: Vandana Shiva: Soil not Oil. Environmental Justice in a Time of Climate Crisis, Cambridge MA 2008 (deutsch: Leben ohne Erdöl. Eine Wirtschaft von unten gegen die Krise von oben, Zürich 2009). Siehe auch die Website des Climate Justice Caucus der Harvard University.
Conviviality / appropriate technology / intermediate technology / vernacular architecture (nicht vergeben)
Heute werden die 1970er Jahre oft belächelt als eine Zeit einer Steinzeit-Umweltschutzbewegung. Ich halte das für vollkommen ungerechtfertigt. Die 1970er Jahre hatten dem heutigen Umweltdiskurs vor allem voraus, dass damals politisch bewusster diskutiert wurde. Einer dieser sehr politischen Umweltautoren (nebst anderen wie Jacques Ellul, Hans Jonas, André Gorz, Ernst F. Schumacher usw.) war Ivan Illich (vor allem: Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik, Reinbek 1975, und Die sogenannte Energiekrise oder Die Lähmung der Gesellschaft. Das sozial kritische Quantum der Energie, Reinbek 1974). Illich prägte den Begriff der «konvivialen Technik». Technik ist, seit es Menschen gibt, ambivalent (was auch in Mythen zum Ausdruck kommt – so ist etwa Hephaistos, der griechische Gott des Handwerks, ein Krüppel); sie schafft und die zerstört. Ivan Illich stellt fest, es gebe in vielen Bereichen Schwellen. Würden die überschritten, kippe die Technik ins Zerstörerische. Eine konviviale Technik ist eine, die den Menschen dient, die ihre Benutzer nicht im Griff hat, sondern von ihnen eingesetzt, abgeändert, repariert werden kann.
Die Idee ist in der Geschichte der Technikkritik auch unter anderen Namen aufgetaucht – als «appropriate technology» oder, bei Ernst Friedrich Schumacher (Small Is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß, 1973), als «intermediate technology». In der Architektur ist mitunter von «vernacular architecture» die Rede.
Ihr diametral entgegengesetzt ist die Idee des Ecomodernism, entstanden im Umfeld des kalifornischen Breakthrough Institute: 2015 publizierte das Institut sein Ecomodernist Manifesto. Die Vorstellung einer Technik, die nicht alle ihre Möglichkeiten ausschöpfe, sei romantisch und rückwärtsgewandt; gerade angesichts der Umweltkrisen brauchten wir alles, was verfügbar sei – inklusive Atomkraft und Gentechnik. Zu den Köpfen hinter dem Ecomodernism gehören Leute wie Stewart Brand aus dem Umfeld der kalifornischen Computerhippies, die einst links waren (und sich wohl heute noch so sehen), aber mittlerweilen mit dem libertären Flügel der republikaner sympathisieren (aus der selben Ecke stammt die Zeitschrift Wired). (Eine interessante Ideologiekritik des Umfelds von Brand bietet Fred Turner: From counterculture to cyberculture. Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism, Chicago 2006. Zu den prominenten Kritikern des Ansatzes gehört auch Evgeny Morozov, beispielsweise mit To Save Everything, Click Here. Technology, solutionism and the urge to fix problems that don't exist, New York 2013. Meine eigene kurze Kritik des Ecomodernism befindet sich hier.) Übrigens gehört auch der Wissenschaftsphilosoph Bruno Latour zu den Kritikern des Ecomodernism, was nicht ohne Ironie ist, berufen sich die Ecomodernisten doch gerade gerne auf ihn.
Transition-Town-Bewegung; Permakultur; bolo'bolo; Sozialutopismus (nicht vergeben)
Einer der größten Mutmacher, die ich in den letzten Jahren las, war das Buch Transition Town von Rob Hopkins (deutsch unter dem etwas verkürzten Titel Enrgiewende, Berlin 2008, erschienen). Hopkins zeigt, wie Städte ökologisch nachhaltig werden könnten – und zwar so, dass man sofort Lust hat, das zu wiederholen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Transition-Town-Bewegungen weltweit. Hopkins greift Ideen der Permakultur auf und überträgt sich aus der Landwirtschaft in andere Felder der Gesellschaft.
Ganz nah verwandt mit dem Transiation-Town-Ansatz ist das, was P.M. (richtiger Name: Hans Widmer) 1984 in seinem Buch bolo'bolo skizzierte. Heute sind mehrere Genossenschaftssiedlungen in der Schweiz bolo'bolo-inspiriert, so das Kraftwerk1, die Kalkbreite oder Mehr als Wohnen. P.M. publiziert immer noch; ich empfehle vor allem das leicht zu lesende Neustart Schweiz (2008), das sich auch auf Deutschland und andere Länder übertragen lässt. Neustart Schweiz heißt mittlerweile auch ein Verein, der sich die Umsetzung von P.M.s Ideen vorgenommen hat. Das Soziale und das Ökologisch gehen stets Hand in Hand.
Transition Town wie auch bolo'bolo / Neustart Schweiz stehen in der alten Tradition der Sozialutopien. Einer der bekanntesten frühen Vertreter war Charles Fourier im frühen 19. Jahrhundert. In seiner Welt würde man heute eher nicht leben wollen – aber seine Ideen sind interessant. Fourier fand schon damals, es gebe ja genug zum Leben, es brauche kein weiteres Wirtschaftswachstum – und es genüge deshalb, wenn jeder Bewohner zwei Stunden im Tag arbeite; der rest des Tages ist Zeit für Muße.
Die Stadt Zürich – wo sich in einer Volksabstimmung drei Viertel aller Stimmenden für die 2000-Watt-Gesellschaft aussprachen (vielleicht ohne sich viel darunter vorstellen zu können), hat eine Broschüre zum Thema herausgegeben (in Zürich ist das mehr als eine schöne Absichtserklärung: Jedes größere Bau- und Planungsvorhaben wird heute auf seine 2000-Watt-Tauglichkeit geprüft – was noch lange nicht heißt, dass das Ziel erreicht wird).
Handwerk / FabLab / Repair Café / Obsolescence-Kritik (Ayfer und Linda)
Richard Sennett ist einer der interessantesten Soziologen der Gegenwart. In seinen Büchern Handwerk und Zusammenarbeit untersucht er, was Gesellschaften zusammenhält – trotz unterschiedlichen Interessen, Weltanschauungen, Lebenssituationen. Er sagt, das geschehe vor allem in der Zusammenarbeit, und im Handwerk sieht er eine besonders wirksame Form von Zusammenarbeit. Mit Nachhaltigkeit hat das alles zunächst nichts zu tun, oder besser gesagt: Es geht um «soziale Nachhaltigkeit». Doch eine neue Kultur des Handwerks, eine neue Kultur des Materiellen wäre auch ökologisch schonend.
Das Ökologische und das Soziale verbinden Repair Cafés und FabLabs – Orte, wo sich Menschen treffen, um gemeinsam Dinge zu bauen und zu reparieren – und sich damit unabhängiger zu machen. Auch Karlsruhe hat sein FabLab: www.fablab-karlsruhe.de. Diese Orte bilden eine Gegenbewegung zur geplanten Obsoleszenz / zum geplanten Verschleiß der Industrie. Zur geplanten Obsoleszenz siehe das sehr spannende Buch von Giles Slade: Made to Break. Technology and Obsolescence in America, London 2006. In Deutschland gibt es die Anti-Obsoleszenz-Initiative «Murks? Nein danke!».
Limits to Growth (nicht vergeben)
Sie haben die Wachstumskritik nicht erfunden, aber The Limits to Growth. A report for the Club of Rome s project on the predicament of mankind von Donella und Dennis Meadows und Jorgen Randers sorgte 1972 erstmals für breite Debatten über den an sich trivialen Umstand, dass jegliches Wachstum früher oder später an Grenzen stößt. Die Publikum fiel genau in die Zeit, in der der Umwelthistoriker Joachim Radkau die Geburt der «Ära der Ökologie» verortet, und die Ölpreiskrise von 1973 verlieh dem Buch zusätzliche Brisanz. Aber auch der Umstand, dass die Autoren und die Autorin mit Computermodellen arbeiteten – damals etwas sehr Neues –, war für die Wahrnehmung des Berichts nicht unwesentlich.
Heutige Kritik an den «Limits to Growth» verweise vor allem darauf, dass zentrale Vorhersagen des Berichts bis heute nicht eingetroffen seien; statt dass die Grenzen des Wachstums erreicht worden seien, gäbe es ein «Wachstum der Grenzen» – der technische Fortschritt schiebe die Grenzen des Möglichen stets weiter hinaus.
Es gab von Anfang an aber auch Kritik am technokratischen Ansatz des Berichts. Siehe dafür stellvertretend:
Hans Magnus Enzensberger und Karl Markus Michel: «Zur Kritik der politischen Ökologie», in: Kursbuch 33. Ökologie und Politik oder Die Zukunft der Industrialisierung, 1973.
Heutige Wachstumskritik / Degrowth (Décroissance) / Postwachstum vs. Green Growth / Green Economy / Green New Deal (nicht vergeben)
Heute kommt die Kritik am Fetisch Wirtschaftswachstum der orthodoxen (neoklassischen) Ökonomie nicht mehr wie 1972 aus der Kybernetik, sondern vor allem aus heterodoxen Schulen der Wirtschaftswissenschaften, namentlich der Ökologischen Ökonomik. Deren Begründer Nicholas Georgescu-Roegen (1906-1994) versuchte, die Gesetze der Thermodynamik in der Ökonomie zu berücksichtigen. Parallel zur akademischen Wachstumskritik ist in den letzten Jahren die Degrowth- / Décroissance-Bewegung entstanden (siehe z.B. degrowth.de).
Wichtige Autoren der akademischen Wachstumskritik sind:
- Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, München 2011
- Hans Christoph Binswanger: Die Wachstumsspirale. Geld, Energie und Imagtination in der Dynamik des Martkprozesses, Marburg 2006 (ein umfassendes, anspruchsvolles Werk eines dezidiert liberalen Ökonomen)
- Diverse Werke von Herman Daly.
Eine kritische Theoriegeschichte des Wirtschaftswachstums bietet Fred Luks: Die Zukunft des Wachstums. Theoriegeschichte, Nachhaltigkeit und die Perspektiven einer neuen Wirtschaft, Marburg 2011.
Mit der Frage, wie gesellschaftliche Systeme in einer Welt ohne Wirtschaftswachstum aussehen könnten, befasst sich Irmi Seidl und Angelika Zahrnt: Postwachstumsgesellschaft, Marburg 2010
Eine Kritik der Wachstumskritik aus der Umweltbewegung heraus ist Ralf Fücks: Intelligent wachsen. Die grüne Revolution, München 2013
Websites (Blogs) zum Thema: wachstum-im-wandel.de/magazin, www.postwachstum.de
Ein ganz anderer Ansatz ist der Ansatz, der unter Namen wie Green Economy / Green Growth / Green New Deal vertreten wird. Wenn Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig ist – so diese Position –, dann müssen wir nicht das Wachstum abschaffen, sondern es «grün» gestalten. Ja, gerade der Umbau der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Wirtschaft kann der künftige Wachstumsmotor sein.
Wichtigste Fürsprecherin der Grünen Ökonomie ist die OECD: Towards Green Growth, 2011 (onlinewww.oecd.org/env/towards-green-growth-9789264111318-en.htm).
Eine Kritik daran ist Thomas Fatheuer / Lili Fuhr / Barbara Unmüßig: Kritik der grünen Ökonomie, München 2015
Siehe auch die Websites www.endlich-wachstum.de sowie solution.ecovillage.org/de.
Environmental Justice / Climate Justice (nicht vergeben)
Häufig wird Umweltschutz als ein Luxusanliegen der Reichen betrachtet: Wenn man sonst keine Sorgen mehr hat, kümmert man sich um schöne Landschaften und seltene Tiere. Anti-environmentalistische Positionen in Nord und Süd unterstellen umweltpolitischen Bemühungen oft eine neo-kolonialistische Tendenz: Die Reichen, die selber durch Umweltzerstörungen reich geworden sind, wollen den Armen ihr Recht auf Entwicklung bestreiten. Das Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber es übersieht beispielsweise, dass wichtige Vertreter/innen der Umweltbewegung eben gerade in Ländern des globalen Südens leben und sich auch gegen Armut engagieren – etwa Vandana Shiva und Sunita Narain in Indien, Nnimmo Bassey im Nigeria oder Alberto Acosta in Ecuador.
Der Ansatz der Environmental Justice fragt nach der ungleichen Verteilung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und erkennt gerade darin eine Fortsetzung kolonialistischer Herrschaftslogiken. Eine Überwindung der umweltzerstörerischen Wirtschaftsform ist ein emanzipatorisches Anliegen; Umweltpolitik ist immer auch Machtkritik.
Aber was heißt »gerecht«? Am Beispiel der CO2-Emissionen gefragt: Ist es gerecht, wenn alle ihre Emissionen um gleich viel senken müssen (»Grandfathering«)? Ist es gerecht, wenn alle vom verbleibenden »CO2-Budget« gleich viel verbrauchen dürfen? Ist es gerecht, wenn diejenigen, die in der Vergangenheit wenig CO2 ausgestoßen haben, dafür am noch verbleibenden Budget einen höheren Anteil bekommen? Ist es gerecht, wenn ein Bewohner der Arktis mehr CO2 ausstoßen darf als eine Bewohnerin der Tropen, weil es hier weniger zu heizen gibt als dort?
Stellvertretend für diese Position: Vandana Shiva: Soil not Oil. Environmental Justice in a Time of Climate Crisis, Cambridge MA 2008 (deutsch: Leben ohne Erdöl. Eine Wirtschaft von unten gegen die Krise von oben, Zürich 2009). Siehe auch die Website des Climate Justice Caucus der Harvard University.
Conviviality / appropriate technology / intermediate technology / vernacular architecture (nicht vergeben)
Heute werden die 1970er Jahre oft belächelt als eine Zeit einer Steinzeit-Umweltschutzbewegung. Ich halte das für vollkommen ungerechtfertigt. Die 1970er Jahre hatten dem heutigen Umweltdiskurs vor allem voraus, dass damals politisch bewusster diskutiert wurde. Einer dieser sehr politischen Umweltautoren (nebst anderen wie Jacques Ellul, Hans Jonas, André Gorz, Ernst F. Schumacher usw.) war Ivan Illich (vor allem: Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik, Reinbek 1975, und Die sogenannte Energiekrise oder Die Lähmung der Gesellschaft. Das sozial kritische Quantum der Energie, Reinbek 1974). Illich prägte den Begriff der «konvivialen Technik». Technik ist, seit es Menschen gibt, ambivalent (was auch in Mythen zum Ausdruck kommt – so ist etwa Hephaistos, der griechische Gott des Handwerks, ein Krüppel); sie schafft und die zerstört. Ivan Illich stellt fest, es gebe in vielen Bereichen Schwellen. Würden die überschritten, kippe die Technik ins Zerstörerische. Eine konviviale Technik ist eine, die den Menschen dient, die ihre Benutzer nicht im Griff hat, sondern von ihnen eingesetzt, abgeändert, repariert werden kann.
Die Idee ist in der Geschichte der Technikkritik auch unter anderen Namen aufgetaucht – als «appropriate technology» oder, bei Ernst Friedrich Schumacher (Small Is Beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß, 1973), als «intermediate technology». In der Architektur ist mitunter von «vernacular architecture» die Rede.
Ihr diametral entgegengesetzt ist die Idee des Ecomodernism, entstanden im Umfeld des kalifornischen Breakthrough Institute: 2015 publizierte das Institut sein Ecomodernist Manifesto. Die Vorstellung einer Technik, die nicht alle ihre Möglichkeiten ausschöpfe, sei romantisch und rückwärtsgewandt; gerade angesichts der Umweltkrisen brauchten wir alles, was verfügbar sei – inklusive Atomkraft und Gentechnik. Zu den Köpfen hinter dem Ecomodernism gehören Leute wie Stewart Brand aus dem Umfeld der kalifornischen Computerhippies, die einst links waren (und sich wohl heute noch so sehen), aber mittlerweilen mit dem libertären Flügel der republikaner sympathisieren (aus der selben Ecke stammt die Zeitschrift Wired). (Eine interessante Ideologiekritik des Umfelds von Brand bietet Fred Turner: From counterculture to cyberculture. Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism, Chicago 2006. Zu den prominenten Kritikern des Ansatzes gehört auch Evgeny Morozov, beispielsweise mit To Save Everything, Click Here. Technology, solutionism and the urge to fix problems that don't exist, New York 2013. Meine eigene kurze Kritik des Ecomodernism befindet sich hier.) Übrigens gehört auch der Wissenschaftsphilosoph Bruno Latour zu den Kritikern des Ecomodernism, was nicht ohne Ironie ist, berufen sich die Ecomodernisten doch gerade gerne auf ihn.
Transition-Town-Bewegung; Permakultur; bolo'bolo; Sozialutopismus (nicht vergeben)
Einer der größten Mutmacher, die ich in den letzten Jahren las, war das Buch Transition Town von Rob Hopkins (deutsch unter dem etwas verkürzten Titel Enrgiewende, Berlin 2008, erschienen). Hopkins zeigt, wie Städte ökologisch nachhaltig werden könnten – und zwar so, dass man sofort Lust hat, das zu wiederholen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Transition-Town-Bewegungen weltweit. Hopkins greift Ideen der Permakultur auf und überträgt sich aus der Landwirtschaft in andere Felder der Gesellschaft.
Ganz nah verwandt mit dem Transiation-Town-Ansatz ist das, was P.M. (richtiger Name: Hans Widmer) 1984 in seinem Buch bolo'bolo skizzierte. Heute sind mehrere Genossenschaftssiedlungen in der Schweiz bolo'bolo-inspiriert, so das Kraftwerk1, die Kalkbreite oder Mehr als Wohnen. P.M. publiziert immer noch; ich empfehle vor allem das leicht zu lesende Neustart Schweiz (2008), das sich auch auf Deutschland und andere Länder übertragen lässt. Neustart Schweiz heißt mittlerweile auch ein Verein, der sich die Umsetzung von P.M.s Ideen vorgenommen hat. Das Soziale und das Ökologisch gehen stets Hand in Hand.
Transition Town wie auch bolo'bolo / Neustart Schweiz stehen in der alten Tradition der Sozialutopien. Einer der bekanntesten frühen Vertreter war Charles Fourier im frühen 19. Jahrhundert. In seiner Welt würde man heute eher nicht leben wollen – aber seine Ideen sind interessant. Fourier fand schon damals, es gebe ja genug zum Leben, es brauche kein weiteres Wirtschaftswachstum – und es genüge deshalb, wenn jeder Bewohner zwei Stunden im Tag arbeite; der rest des Tages ist Zeit für Muße.