2. Lektüretipps (die Unterkategorien dieser Liste lassen sich nicht immer genau trennen!)
2.1. Wissenschafts- und Technikgeschichte
David Edgerton: The Shock of the Old. Technology and Global History since 1900. 244 Seiten. London 2006.
Ein tolles Buch zur Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts von einem führenden Technikhistoriker. Edgerton räumt mit einigen Vorstellungen über unsere «innovative» Gesellschaft auf: «Much what is written on the history of technology is for boys of all ages», lautet der schön polemische erste Satz. Edgerton fordert eine Betrachtung der Technik, die sich vom Fetisch Innovation löst und statt dessen fragt, wie Technik tatsächlich benutzt wird.
Ludwik Fleck: Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. 190 Seiten. Frankfurt/Main 1980 (Erstausgabe 1935).
Fleck war Bakteriologe und Wissenschaftshistoriker. Sein schmales, gut zu lesendes Werk, das erst 1980 «wiederentdeckt» wurde, ist ein Must für alle, die sich dafür interessieren, wie wissenschaftliches Wissen entsteht. Fleck zeigt am Beispiel der Entdeckung des Syphillis-Erregers, dass es den wissenschaftlichen Einzelkämpfer nicht gibt und wissenschaftliche Entdeckungen immer eine soziale Leistung sind.
Michael Hagner: Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung. Göttingen 2004. 375 Seiten.
Fallstudie einer schillernden Wissenschaftsdisziplin vom Zürcher (ETH-) Wissenschaftshistoriker.
Felix Hasler: Neuromythologie. Eine Streitschrift. Bielefeld, 2012 (Auszug)
Die Neurowissenschaft ist eines der boomenden Wissenschaftsfelder – wenn man die Aufmerksamkeit zum Maß nimmt, die sie erfährt. Hasler – der zehn Jahre in der Neuropsychopharmakologie forschte, bevor er in die Wissenschaftsgeschichte wechselte – zeigt, dass an der Selbstdarstellung der Disziplin sehr wenig dran ist – und: er hält die akademische Psychiatrie für «von der Pharmaindustrie gekauft». (Kurz und bündig: ein NZZ-Folio-Artikel Haslers aus dem Jahr 2015.)
Lily Kay: Das Buch des Lebens. Wer schrieb den genetischen Code? 541 Seiten. München 2001. (Who Wrote the Book of Life? A History of the Genetic Code, Stanford 2000).
Etwas vom Besten, was es in der neueren Wissenschaftsgeschichte gibt;
hochspannend, sehr anspruchsvoll. Kay, selber Molekularbiologin, untersucht minutiös, wie die Sprachmetaphorik in die Molekularbiologie Einzug hielt und zeigt die Einflüsse anderer Wissenschaften wie der Kybernetik.
Roy Porter: Die Kunst des Heilens. Eine medizinische Geschichte der Menschheit von der Antike bis heute. 818 Seiten. Heidelberg 2000.
Guter Überblick über die Welt-Medizingeschichte von einem der Großen seines Fachs (leider 2002 verstorben).
Joachim Radkau: Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis heute. 2008.
Radkau, Prof. em. der Uni Bielefeld, ist mein Lieblings-Technikhistoriker (und Umwelthistoriker) im deutschen Sprachraum.
Philipp Sarasin: Darwin und Foucault. Genealogie und Geschichte im Zeichen der Biologie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 456 Seiten.
Ein intelligenter, aber schwieriger Beitrag des Zürcher Historikers zum Darwinjahr 2009. Bemerkenswert ist, dass Sarasin darin eigene frühere Positionen kritisiert - das Buch ist auch eine Auseindandersetzung des Kulturwissenschaftlers Sarasin mit seinem Fach. Sarasin ist der Meinung, dass zwei extreme Positionen der Weltbetrachtung - der Biologismus (der Mensch lässt sich vollständig aus seiner Biologie erklären) und der Kulturalismus (alles ist Kultur), die sich gerne auf Darwin respektive Foucault berufen, ihre Kronzeugen verkürzt wahrnehmen. Foucault war nachweisbar ein Bewunderer Darwins.
Philip Sarasin: ‹Anthrax›. Bioterror als Phantasma. Frankfurt/Main 2004, 194 Seiten
Ausgehend von den Anthrax-Anschlägen nach 9/11 untersucht der Autor, wie eine Angst vor Bioterror, die Sarasin letztlich auf eine Science-Fiction-Lektüre Präsident Bush's zurückführt, die US-Politik bestimmt - und reflektiert dabei das Verhältnis von infektiologischer und martialischer Abwehrrhetorik.
Steven Shapin: Die wissenschaftliche Revolution. Frankfurt/Main 1998.
Knappe, leicht verständliche Darstellung der Ereignisse in der (damals so genannten) Naturphilosophie des 17. Jahrhunderts – Galilei, Newton usw., in der traditionell die Geburt modernen (wissenschaftlichen) Denkens erkannt wird. Erster Satz: «Die sogenannte wissenschaftliche Revolution hat es nie gegeben, und davon handelt dieses Buch.»
Dava Sobel: Longitude: The True Story of a Lone Genius Who Solved the Greatest Scientific Problem of His Time, New York 1995 (deutsch: Längengrad, Berlin 1996)
Ein Beispiel, wie sich Wissenschaftsgeschichte vor allem sehr schön erzählen lässt (das Buch wurde verfilmt).
Niklaus Stettler: Natur erforschen. Perspektiven einer Kulturgeschichte der Biowissenschaft an Schweizer Universitäten 1945–1975. Zürich 2002.
Interessante Studie über die Veränderung eines wissenschaftlichen Fachs in seinen Fragestellungen und seiner Organisation (die auch einiges über die Veränderungen der Forschungslandschaft in der Schweiz insgesamt erhellt).
Frank Uekötter: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. Göttingen 2010.
Sehr (für Nicht-Agrarhistoriker/innen wohl: zu) umfangreiche historische Studie über Agronomie und landwirtschaftliche Praxis im 20. Jahrhundert.
2.2. Wissenschafts- und Technikphilosophie
Paul Feyerabend: Gegen den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie. Frankfurt/Main 1976.
Hauptwerk des großen und erfrischenden Wissenschaftsphilosophen der Postmoderne (und Vater des «Anything goes»). Viel zitiert, oft missverstanden, wenig gelesen. Feyerabend war ETH-Prof, was nicht alle Kolleginnen und Kollegen an der ETH zu schätzen wussten…
Elisabeth Fox Keller: Liebe, Macht und Erkenntnis. Männliche oder weibliche Wissenschaft? Frankfurt/Main 2006.
Standardwerk feministischer Wissenschaftskritik.
Alfred Nordmann: Technikphilosophe zur Einführung. Hamburg 2008.
Wenn man «Einführung» nicht so versteht, dass es einfach zu lesen sei, hält das Buch, was der Titel verspricht.
Alan Sokal: Fashinoable Nonsense, New York 1998 (deutsch: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München 1999
Sokal war die zentrale Figur im so genannten «Science War» Ende der 1990er Jahre. Es war dem Physiker gelungen, einen Nonsense-Text, der den Jargon postmoderner (vor allem französischer) Wissenschaftsforschung in einem sehr renommierten sozialwissenschaftlichen Journal zu publizieren. In seinem Buch rechnet er ab mit einer von ihm als arrrogant und ignorant empfundenen Wissenschaftsforschung. Polemisch, anregend, kenntnisreich.
2.3. Soziologie der Wissenschaften und Technik
Peter Finke: Citizen Science. Das unterschätzte Wissen der Laien. München 2014.
Der Wissenschaftstheoretiker Finke plädiert dafür, Laien vermehrt in die Forschung miteinzubeziehen – ein provokativer, gut begründeter Angriff auf die hehre Idee von der völligen Autonomie der akademischen Wissenschaft.
Mike Fortun: Promising Genomics. Iceland and deCode Genetics in a World of Speculation. Berkeley / L.A. / London 2008
Der Life-Science-Historiker und Ethnologe Fortun zeichnet die Geschichte des höchst problematischen isländischen «deCode»-Forschungsprojekts nach. Ein ausgesprochen originelles (aber nicht einfach zu lesendes) Stück Wissenschaftsliteratur.
Michael Hagner (Hg.): Wissenschaft und Demokratie. Frankfurt/Main 2012.
Aufsatzsammlung zu einem spannungsreichen Verhältnis.
Bettina Heintz: Die Innenwelt der Mathematik. Zur Kultur und Praxis einer beweisenden Disziplin. 318 Seiten. Wien 2000.
Die Schweizer Wissenschaftssoziologin Heintz, eine Knorr-Cetina-Schülerin, wagt sich mit ihrer Laborforschung an die exakteste aller Wissenschaften. Sie zeigt, dass selbst eine so strenge Disziplin experimentiert, sich auf Intuition verlässt etc. Anspruchsvoll; ich nenne das Buch hier vor allem um zu zeigen, dass selbst die Mathe Gegenstand einer Wissenschaftssoziologie sein kann.
Bettina Heintz: Die Herrschaft der Regel. Zur Grundlagengeschichte des Computers. Frankfurt/Main 1993.
Leichter zu lesen als obiges von der selben Autorin.
Eric E. Johnson: «The Black Hole Case: The Injunction against the End of the World», in: Tennessee Law Review 76 (2009), Seiten 819-908. PDF: http://arxiv.org/pdf/0912.5480v2
Ein rechtswissenschaftliches Fachpaper, hochspannend und witzig geschrieben. Johnson untersucht die Frage, ob eine vorsorgliche Verfügung gegen den Teilchenbeschleuniger LHC vor Gericht eine Chance hätte und wie Gerichte mit dem Fall umgehen könnten. Dabei fasst er sehr gut informiert die Debatte um die Sicherheit des LHC am Cern zusammen. Seine Vorschläge, wie Gerichte mit einer Materie umgehen könnten, die sie inhaltlich nicht nachvollziehen können, taugt meines Erachtens auch für Wissenschaftsjournalisten! Siehe auch http://www.mhaenggi.ch/03_Wissenschaftspolitik/lhc_johnson.html.
Steven E. Jones: Against Technology. From the Luddites to Neo-Luddism. New York / London 2006.
Interessante Studie eines Literaturwissenschaftlers über Technikfeindschaft (und damit implizit auch: über Technik-Euphorie) in Geschichte und Gegenwart.
Philip Kitcher: Science, Truth, and Democracy. Oxford 2001.
Gilt als Standardwerk, aber auch als methodisch-theoretisch konservativ (hab's selber nicht gelesen.)
Karin Knorr Cetina: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, 384 Seiten. Frankfurt/Main 2002 (Epistemic Cultures. How the Sciences make Knowledge, Cambridge Mass. 1999).
Die an der Uni Konstanz lehrende Knorr ist eine Pionierin der Laborforschung – sie besucht Labors und untersucht deren Kultur mit ethnologischen Methoden. «Wissenskulturen» vergleicht die Kultur der Teilchenphysik am Cern mit der Kultur einer molekularbiologischen Forschungsgruppe. Spannend (die Unterschiede sind frappant), aber etwas sperrig geschrieben.
Monika Kurath: Wissenschaft in der Krise? Risikodiskurse über Gentechnik im transatlantischen Vergleich. 196 Seiten. Zürich 2005.
In ihrer Dissertation vergleicht Kurath, wie die Debatte über Agrar-Gentechnologie in der Schweiz respektive in den USA geführt wird und zeichnet nach, welche Ereignisse die Meinungsbildung beeinflusst haben. Sie widerspricht der Meinung, wer besser über Gentechnologie informiert sei, akzeptiere diese auch eher.
Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt/Main 2006.
Um nur eines der Bücher des Doyens der zeitgenössischen Science-and-Technology-Studies zu nennen. Latours Interesse gilt hier den «Quasiobjekten», die zwischen der Sphäre des «Natürlichen» und der des «Gesellschaftlichen» liegen und von der Moderne ausgeblendet wurden. Latour wird von vielen (Natur-) Wissenschafter als großer Provokateur und Scharlatan gesehen; eine Berufung nach Harvard scheiterte am Widerstand der Harvard-Profs – ein Missverständnis, wie ich meine.
Chris Mooney: The Republican War on Science. New York 2005.
Mooney zeichnet die Wissenschaftsfeindlichkeit – die Agnotologie – als politische Strategie der Rechten in den USA nach.
Evgeny Morozov: To Save Everything Click Here. The Folly of Technological Solutionism, Boston 2013 (deutsch: Smarte neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen, München 2013).
Ebenso brillante wie beißende Kritik des Glaubens an die Allmacht der (Informations-) Technik.
David Nye: Technology Matters. Questions to Live with. Cambridge, Mass./London 2007.
Leicht zu lesende, umfassende Einführung in Fragen der Technikbetrachtung, mit zahlreichen Beispielen aus der Technikgeschichte.
Naomi Oreskes / Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens, Weinheim 2015 (Original: The Merchants of Doubt, 2015)
Standardwerk zur «Agnotologie» – der gezielten Produktion von Unwissen zwecks Täuschung der öffentlichen Meinung, wie sie von Erdölkonzernen («der anthropogene Klimawandel ist bloße Spekulation») und Tabakunternehmen («Rauchen verursacht keinen Krebs») sowie von zahlreichen Think-Tanks betrieben wird.
Fred Turner: From counterculture to cyberculture. Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism, Chicago 2006.
Eine faszinierende Erzählung eines Wandels der linken kalifornischen Computerkids zu rechten (immer noch technikgläubigen) Wissenschaftsfeinden, am Beispiel des Computerhippies und Wired-Mitgründers Stewart Brand.
2.4. Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft
Marcia Angell: Der Pharma-Bluff. Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist. 288 Seiten. Bonn 2005. (The Truth about the Drug Industry. How they Deceive Us and what to Do About it. New York 2004).
Die ehemalige Chefredaktorin des New England Journal of Medicine beschreibt, wie massiv die Pharmaindustrie auf die klinische Forschung, die Kontrollbehörden und die Politik Einfluss nimmt. Hart im Urteil, verneint sie etwa die Frage, ob Big Pharma eine innovative Industrie sei. Das Buch erschien kurz vor dem Vioxx-Skandal; über Vioxx hat Angell in der «New York Review of Books» (8. Jnui 2006) publiziert: Your Dangerous Drugstore. Leider fast ausschließlich auf die USA fokussiert.
Michael Bürgi: Pharmaforschung im 20. Jahrhundert. Arbeit an der Grenze zwischen Hochschule und Industrie. Zürich 2011.
Wissenschaftshistorische Dissertation, die die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen in der Schweiz in einem bestimmten Bereich nachzeichnet. Ergänzt sich gut mit Niklaus Stettlers Studie Natur erforschen (s. oben).
Peter C. Gøtzsche: Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität. Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert. 2014.
Gøtzsche geht, wie der Titel schon zeigt, mit der Pharma (Industrie und Forschung) hart ins Gericht. Ich habe das Buch nicht gelesen.
Marcel Hänggi: Cui bono – Wer bestimmt, was geforscht wird? Eine Studie über die Beziehung zwischen öffentlicher Wissenschaft und Industrie in der Schweiz, Basel 2013
Hier zur Seite des Buchs, mit Link zum Gratis PDF-Download.
Sheldon Krimsky: Science in the Private Interest. Has the Lure of Profit Corrupted Biomedical Research? 247 Seiten. Lanham 2003.
Das Beste, was es über die Verflechtungen von Wissenschaft und Industrie gibt. Leider fast ausschließlich auf die USA bezogen. Viele Beispiele, leicht zu lesen. Ein Must für alle, die sich für wissenschaftspolitische Fragen interessieren.
Eric Lipton: «Food Industry Enlisted Academics in G.M.O. Lobbying War, Emails Show», in: New York Times, 5. September 2015
Ein aktueller Fall: E-Mails, deren Offenlegung Medienschaffende sowie eine NGO über den Freedom of Information Act erreicht haben, zeigen, wie Forscher/innen im Bereich der Agrargentechnik resp. der Bio-Landwirtschaft mit der Industrie zusammenarbeiteten – aufseiten der Gentech- wie auch der Bio-Industrie, wobei die Unterstützung letzterer nur einen kleinen Teil dessen ausmachte, was Monsanto & Co. ausgaben.
Philip Mirowski: Science-Mart. Privatising American Science. Cambridge Mass./London 2011.
Der Ökonom und Wissenschaftshistoriker und -philosoph ist ein zorniger Kritiker des Neoliberalismus und führt hier die Trends zur «Privatisierung» der Wissenschaften (vor allem) in den USA auf das neoliberale Denken zurück. Gut geschrieben, anspruchsvoll zu lesen; theoretisch viel fundierter als Krimsky.
Naomi Oreskes / Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens, Weinheim 2015 (Original: The Merchants of Doubt, 2015)
Standardwerk zur «Agnotologie» – der gezielten Produktion von Unwissen zwecks Täuschung der öffentlichen Meinung, wie sie von Erdölkonzernen («der anthropogene Klimawandel ist bloße Spekulation») und Tabakunternehmen («Rauchen verursacht keinen Krebs») sowie von zahlreichen Think-Tanks betrieben wird.
Marie-Monique Robin: Mit Gift und Genen. Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert, München 2009
Die französische Journalistin Robin hat zunächst für einen Dokfilm bei Arte recherchiert und danach ihre Erkenntnisse für dieses Buch verwendet. Darin geht es unter anderem auch darum, wie Monsanto gezielt Einfluss auf die Wissenschaften nimmt.
Hans Weiß: Korrupte Medizin. Ärzte als Komplizen der Konzerne. Köln 2008.
Über Interessenverstrickungen zwischen Medizinern und Pharmakonzerne - und wie diese Wissenschaft verfälschen. Der Autor ist ein medizinsoziologisch ausgebildeter Journalist, der auch mit verdeckter Recherche arbeitet.
2.5. Fallstudien
Florian Fisch: Ein Versuch. Genforschung zwischen den Fronten. Zürich 2013
Fallstudie zum Zürcher Gentechweizen-Freisetzungsversuch von Christoph Sautter (2004). Der Wissenschaftsjournalist Fisch schreibt aus klarer Pro-Gentech-Warte, aber mit dem Anspruch, «beide Seiten» zu Wort kommen zu lassen (gelesen habe ich sein Buch noch nicht).
Ludwik Fleck: Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache.
Entdeckung des Syphillis-Erregers; siehe oben unter 2.1.
Mike Fortun: Promising Genomics.
Der Fall «deCode Genetics», soziologisch; siehe oben unter 2.2.
Eric E. Johnson: «The Black Hole Case».
Der Umgan mit Risiken am Cern aus juristischer Sicht; siehe oben unter 2.2.
Karin Knorr Cetina: Wissenskulturen.
Labor-Ethnologie aus dem Cern sowie einem molekularbiologischen Forschungslabor; siehe oben unter 2.2.
Philip Sarasin: ‹Anthrax›. Bioterror als Phantasma.
Bioterror-Angst nach 9/11 und der Irakkrieg von 2003; siehe oben unter 2.1.
Dava Sobel: Longitude (deutsch: Längengrad)
Navigation in früher Neuzeit, filmtauglich erzählt; siehe oben unter 2.1.
David Edgerton: The Shock of the Old. Technology and Global History since 1900. 244 Seiten. London 2006.
Ein tolles Buch zur Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts von einem führenden Technikhistoriker. Edgerton räumt mit einigen Vorstellungen über unsere «innovative» Gesellschaft auf: «Much what is written on the history of technology is for boys of all ages», lautet der schön polemische erste Satz. Edgerton fordert eine Betrachtung der Technik, die sich vom Fetisch Innovation löst und statt dessen fragt, wie Technik tatsächlich benutzt wird.
Ludwik Fleck: Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. 190 Seiten. Frankfurt/Main 1980 (Erstausgabe 1935).
Fleck war Bakteriologe und Wissenschaftshistoriker. Sein schmales, gut zu lesendes Werk, das erst 1980 «wiederentdeckt» wurde, ist ein Must für alle, die sich dafür interessieren, wie wissenschaftliches Wissen entsteht. Fleck zeigt am Beispiel der Entdeckung des Syphillis-Erregers, dass es den wissenschaftlichen Einzelkämpfer nicht gibt und wissenschaftliche Entdeckungen immer eine soziale Leistung sind.
Michael Hagner: Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung. Göttingen 2004. 375 Seiten.
Fallstudie einer schillernden Wissenschaftsdisziplin vom Zürcher (ETH-) Wissenschaftshistoriker.
Felix Hasler: Neuromythologie. Eine Streitschrift. Bielefeld, 2012 (Auszug)
Die Neurowissenschaft ist eines der boomenden Wissenschaftsfelder – wenn man die Aufmerksamkeit zum Maß nimmt, die sie erfährt. Hasler – der zehn Jahre in der Neuropsychopharmakologie forschte, bevor er in die Wissenschaftsgeschichte wechselte – zeigt, dass an der Selbstdarstellung der Disziplin sehr wenig dran ist – und: er hält die akademische Psychiatrie für «von der Pharmaindustrie gekauft». (Kurz und bündig: ein NZZ-Folio-Artikel Haslers aus dem Jahr 2015.)
Lily Kay: Das Buch des Lebens. Wer schrieb den genetischen Code? 541 Seiten. München 2001. (Who Wrote the Book of Life? A History of the Genetic Code, Stanford 2000).
Etwas vom Besten, was es in der neueren Wissenschaftsgeschichte gibt;
hochspannend, sehr anspruchsvoll. Kay, selber Molekularbiologin, untersucht minutiös, wie die Sprachmetaphorik in die Molekularbiologie Einzug hielt und zeigt die Einflüsse anderer Wissenschaften wie der Kybernetik.
Roy Porter: Die Kunst des Heilens. Eine medizinische Geschichte der Menschheit von der Antike bis heute. 818 Seiten. Heidelberg 2000.
Guter Überblick über die Welt-Medizingeschichte von einem der Großen seines Fachs (leider 2002 verstorben).
Joachim Radkau: Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis heute. 2008.
Radkau, Prof. em. der Uni Bielefeld, ist mein Lieblings-Technikhistoriker (und Umwelthistoriker) im deutschen Sprachraum.
Philipp Sarasin: Darwin und Foucault. Genealogie und Geschichte im Zeichen der Biologie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 456 Seiten.
Ein intelligenter, aber schwieriger Beitrag des Zürcher Historikers zum Darwinjahr 2009. Bemerkenswert ist, dass Sarasin darin eigene frühere Positionen kritisiert - das Buch ist auch eine Auseindandersetzung des Kulturwissenschaftlers Sarasin mit seinem Fach. Sarasin ist der Meinung, dass zwei extreme Positionen der Weltbetrachtung - der Biologismus (der Mensch lässt sich vollständig aus seiner Biologie erklären) und der Kulturalismus (alles ist Kultur), die sich gerne auf Darwin respektive Foucault berufen, ihre Kronzeugen verkürzt wahrnehmen. Foucault war nachweisbar ein Bewunderer Darwins.
Philip Sarasin: ‹Anthrax›. Bioterror als Phantasma. Frankfurt/Main 2004, 194 Seiten
Ausgehend von den Anthrax-Anschlägen nach 9/11 untersucht der Autor, wie eine Angst vor Bioterror, die Sarasin letztlich auf eine Science-Fiction-Lektüre Präsident Bush's zurückführt, die US-Politik bestimmt - und reflektiert dabei das Verhältnis von infektiologischer und martialischer Abwehrrhetorik.
Steven Shapin: Die wissenschaftliche Revolution. Frankfurt/Main 1998.
Knappe, leicht verständliche Darstellung der Ereignisse in der (damals so genannten) Naturphilosophie des 17. Jahrhunderts – Galilei, Newton usw., in der traditionell die Geburt modernen (wissenschaftlichen) Denkens erkannt wird. Erster Satz: «Die sogenannte wissenschaftliche Revolution hat es nie gegeben, und davon handelt dieses Buch.»
Dava Sobel: Longitude: The True Story of a Lone Genius Who Solved the Greatest Scientific Problem of His Time, New York 1995 (deutsch: Längengrad, Berlin 1996)
Ein Beispiel, wie sich Wissenschaftsgeschichte vor allem sehr schön erzählen lässt (das Buch wurde verfilmt).
Niklaus Stettler: Natur erforschen. Perspektiven einer Kulturgeschichte der Biowissenschaft an Schweizer Universitäten 1945–1975. Zürich 2002.
Interessante Studie über die Veränderung eines wissenschaftlichen Fachs in seinen Fragestellungen und seiner Organisation (die auch einiges über die Veränderungen der Forschungslandschaft in der Schweiz insgesamt erhellt).
Frank Uekötter: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft. Göttingen 2010.
Sehr (für Nicht-Agrarhistoriker/innen wohl: zu) umfangreiche historische Studie über Agronomie und landwirtschaftliche Praxis im 20. Jahrhundert.
2.2. Wissenschafts- und Technikphilosophie
Paul Feyerabend: Gegen den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie. Frankfurt/Main 1976.
Hauptwerk des großen und erfrischenden Wissenschaftsphilosophen der Postmoderne (und Vater des «Anything goes»). Viel zitiert, oft missverstanden, wenig gelesen. Feyerabend war ETH-Prof, was nicht alle Kolleginnen und Kollegen an der ETH zu schätzen wussten…
Elisabeth Fox Keller: Liebe, Macht und Erkenntnis. Männliche oder weibliche Wissenschaft? Frankfurt/Main 2006.
Standardwerk feministischer Wissenschaftskritik.
Alfred Nordmann: Technikphilosophe zur Einführung. Hamburg 2008.
Wenn man «Einführung» nicht so versteht, dass es einfach zu lesen sei, hält das Buch, was der Titel verspricht.
Alan Sokal: Fashinoable Nonsense, New York 1998 (deutsch: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen, München 1999
Sokal war die zentrale Figur im so genannten «Science War» Ende der 1990er Jahre. Es war dem Physiker gelungen, einen Nonsense-Text, der den Jargon postmoderner (vor allem französischer) Wissenschaftsforschung in einem sehr renommierten sozialwissenschaftlichen Journal zu publizieren. In seinem Buch rechnet er ab mit einer von ihm als arrrogant und ignorant empfundenen Wissenschaftsforschung. Polemisch, anregend, kenntnisreich.
2.3. Soziologie der Wissenschaften und Technik
Peter Finke: Citizen Science. Das unterschätzte Wissen der Laien. München 2014.
Der Wissenschaftstheoretiker Finke plädiert dafür, Laien vermehrt in die Forschung miteinzubeziehen – ein provokativer, gut begründeter Angriff auf die hehre Idee von der völligen Autonomie der akademischen Wissenschaft.
Mike Fortun: Promising Genomics. Iceland and deCode Genetics in a World of Speculation. Berkeley / L.A. / London 2008
Der Life-Science-Historiker und Ethnologe Fortun zeichnet die Geschichte des höchst problematischen isländischen «deCode»-Forschungsprojekts nach. Ein ausgesprochen originelles (aber nicht einfach zu lesendes) Stück Wissenschaftsliteratur.
Michael Hagner (Hg.): Wissenschaft und Demokratie. Frankfurt/Main 2012.
Aufsatzsammlung zu einem spannungsreichen Verhältnis.
Bettina Heintz: Die Innenwelt der Mathematik. Zur Kultur und Praxis einer beweisenden Disziplin. 318 Seiten. Wien 2000.
Die Schweizer Wissenschaftssoziologin Heintz, eine Knorr-Cetina-Schülerin, wagt sich mit ihrer Laborforschung an die exakteste aller Wissenschaften. Sie zeigt, dass selbst eine so strenge Disziplin experimentiert, sich auf Intuition verlässt etc. Anspruchsvoll; ich nenne das Buch hier vor allem um zu zeigen, dass selbst die Mathe Gegenstand einer Wissenschaftssoziologie sein kann.
Bettina Heintz: Die Herrschaft der Regel. Zur Grundlagengeschichte des Computers. Frankfurt/Main 1993.
Leichter zu lesen als obiges von der selben Autorin.
Eric E. Johnson: «The Black Hole Case: The Injunction against the End of the World», in: Tennessee Law Review 76 (2009), Seiten 819-908. PDF: http://arxiv.org/pdf/0912.5480v2
Ein rechtswissenschaftliches Fachpaper, hochspannend und witzig geschrieben. Johnson untersucht die Frage, ob eine vorsorgliche Verfügung gegen den Teilchenbeschleuniger LHC vor Gericht eine Chance hätte und wie Gerichte mit dem Fall umgehen könnten. Dabei fasst er sehr gut informiert die Debatte um die Sicherheit des LHC am Cern zusammen. Seine Vorschläge, wie Gerichte mit einer Materie umgehen könnten, die sie inhaltlich nicht nachvollziehen können, taugt meines Erachtens auch für Wissenschaftsjournalisten! Siehe auch http://www.mhaenggi.ch/03_Wissenschaftspolitik/lhc_johnson.html.
Steven E. Jones: Against Technology. From the Luddites to Neo-Luddism. New York / London 2006.
Interessante Studie eines Literaturwissenschaftlers über Technikfeindschaft (und damit implizit auch: über Technik-Euphorie) in Geschichte und Gegenwart.
Philip Kitcher: Science, Truth, and Democracy. Oxford 2001.
Gilt als Standardwerk, aber auch als methodisch-theoretisch konservativ (hab's selber nicht gelesen.)
Karin Knorr Cetina: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, 384 Seiten. Frankfurt/Main 2002 (Epistemic Cultures. How the Sciences make Knowledge, Cambridge Mass. 1999).
Die an der Uni Konstanz lehrende Knorr ist eine Pionierin der Laborforschung – sie besucht Labors und untersucht deren Kultur mit ethnologischen Methoden. «Wissenskulturen» vergleicht die Kultur der Teilchenphysik am Cern mit der Kultur einer molekularbiologischen Forschungsgruppe. Spannend (die Unterschiede sind frappant), aber etwas sperrig geschrieben.
Monika Kurath: Wissenschaft in der Krise? Risikodiskurse über Gentechnik im transatlantischen Vergleich. 196 Seiten. Zürich 2005.
In ihrer Dissertation vergleicht Kurath, wie die Debatte über Agrar-Gentechnologie in der Schweiz respektive in den USA geführt wird und zeichnet nach, welche Ereignisse die Meinungsbildung beeinflusst haben. Sie widerspricht der Meinung, wer besser über Gentechnologie informiert sei, akzeptiere diese auch eher.
Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt/Main 2006.
Um nur eines der Bücher des Doyens der zeitgenössischen Science-and-Technology-Studies zu nennen. Latours Interesse gilt hier den «Quasiobjekten», die zwischen der Sphäre des «Natürlichen» und der des «Gesellschaftlichen» liegen und von der Moderne ausgeblendet wurden. Latour wird von vielen (Natur-) Wissenschafter als großer Provokateur und Scharlatan gesehen; eine Berufung nach Harvard scheiterte am Widerstand der Harvard-Profs – ein Missverständnis, wie ich meine.
Chris Mooney: The Republican War on Science. New York 2005.
Mooney zeichnet die Wissenschaftsfeindlichkeit – die Agnotologie – als politische Strategie der Rechten in den USA nach.
Evgeny Morozov: To Save Everything Click Here. The Folly of Technological Solutionism, Boston 2013 (deutsch: Smarte neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen, München 2013).
Ebenso brillante wie beißende Kritik des Glaubens an die Allmacht der (Informations-) Technik.
David Nye: Technology Matters. Questions to Live with. Cambridge, Mass./London 2007.
Leicht zu lesende, umfassende Einführung in Fragen der Technikbetrachtung, mit zahlreichen Beispielen aus der Technikgeschichte.
Naomi Oreskes / Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens, Weinheim 2015 (Original: The Merchants of Doubt, 2015)
Standardwerk zur «Agnotologie» – der gezielten Produktion von Unwissen zwecks Täuschung der öffentlichen Meinung, wie sie von Erdölkonzernen («der anthropogene Klimawandel ist bloße Spekulation») und Tabakunternehmen («Rauchen verursacht keinen Krebs») sowie von zahlreichen Think-Tanks betrieben wird.
Fred Turner: From counterculture to cyberculture. Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism, Chicago 2006.
Eine faszinierende Erzählung eines Wandels der linken kalifornischen Computerkids zu rechten (immer noch technikgläubigen) Wissenschaftsfeinden, am Beispiel des Computerhippies und Wired-Mitgründers Stewart Brand.
2.4. Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft
Marcia Angell: Der Pharma-Bluff. Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist. 288 Seiten. Bonn 2005. (The Truth about the Drug Industry. How they Deceive Us and what to Do About it. New York 2004).
Die ehemalige Chefredaktorin des New England Journal of Medicine beschreibt, wie massiv die Pharmaindustrie auf die klinische Forschung, die Kontrollbehörden und die Politik Einfluss nimmt. Hart im Urteil, verneint sie etwa die Frage, ob Big Pharma eine innovative Industrie sei. Das Buch erschien kurz vor dem Vioxx-Skandal; über Vioxx hat Angell in der «New York Review of Books» (8. Jnui 2006) publiziert: Your Dangerous Drugstore. Leider fast ausschließlich auf die USA fokussiert.
Michael Bürgi: Pharmaforschung im 20. Jahrhundert. Arbeit an der Grenze zwischen Hochschule und Industrie. Zürich 2011.
Wissenschaftshistorische Dissertation, die die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen in der Schweiz in einem bestimmten Bereich nachzeichnet. Ergänzt sich gut mit Niklaus Stettlers Studie Natur erforschen (s. oben).
Peter C. Gøtzsche: Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität. Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert. 2014.
Gøtzsche geht, wie der Titel schon zeigt, mit der Pharma (Industrie und Forschung) hart ins Gericht. Ich habe das Buch nicht gelesen.
Marcel Hänggi: Cui bono – Wer bestimmt, was geforscht wird? Eine Studie über die Beziehung zwischen öffentlicher Wissenschaft und Industrie in der Schweiz, Basel 2013
Hier zur Seite des Buchs, mit Link zum Gratis PDF-Download.
Sheldon Krimsky: Science in the Private Interest. Has the Lure of Profit Corrupted Biomedical Research? 247 Seiten. Lanham 2003.
Das Beste, was es über die Verflechtungen von Wissenschaft und Industrie gibt. Leider fast ausschließlich auf die USA bezogen. Viele Beispiele, leicht zu lesen. Ein Must für alle, die sich für wissenschaftspolitische Fragen interessieren.
Eric Lipton: «Food Industry Enlisted Academics in G.M.O. Lobbying War, Emails Show», in: New York Times, 5. September 2015
Ein aktueller Fall: E-Mails, deren Offenlegung Medienschaffende sowie eine NGO über den Freedom of Information Act erreicht haben, zeigen, wie Forscher/innen im Bereich der Agrargentechnik resp. der Bio-Landwirtschaft mit der Industrie zusammenarbeiteten – aufseiten der Gentech- wie auch der Bio-Industrie, wobei die Unterstützung letzterer nur einen kleinen Teil dessen ausmachte, was Monsanto & Co. ausgaben.
Philip Mirowski: Science-Mart. Privatising American Science. Cambridge Mass./London 2011.
Der Ökonom und Wissenschaftshistoriker und -philosoph ist ein zorniger Kritiker des Neoliberalismus und führt hier die Trends zur «Privatisierung» der Wissenschaften (vor allem) in den USA auf das neoliberale Denken zurück. Gut geschrieben, anspruchsvoll zu lesen; theoretisch viel fundierter als Krimsky.
Naomi Oreskes / Erik M. Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens, Weinheim 2015 (Original: The Merchants of Doubt, 2015)
Standardwerk zur «Agnotologie» – der gezielten Produktion von Unwissen zwecks Täuschung der öffentlichen Meinung, wie sie von Erdölkonzernen («der anthropogene Klimawandel ist bloße Spekulation») und Tabakunternehmen («Rauchen verursacht keinen Krebs») sowie von zahlreichen Think-Tanks betrieben wird.
Marie-Monique Robin: Mit Gift und Genen. Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert, München 2009
Die französische Journalistin Robin hat zunächst für einen Dokfilm bei Arte recherchiert und danach ihre Erkenntnisse für dieses Buch verwendet. Darin geht es unter anderem auch darum, wie Monsanto gezielt Einfluss auf die Wissenschaften nimmt.
Hans Weiß: Korrupte Medizin. Ärzte als Komplizen der Konzerne. Köln 2008.
Über Interessenverstrickungen zwischen Medizinern und Pharmakonzerne - und wie diese Wissenschaft verfälschen. Der Autor ist ein medizinsoziologisch ausgebildeter Journalist, der auch mit verdeckter Recherche arbeitet.
2.5. Fallstudien
Florian Fisch: Ein Versuch. Genforschung zwischen den Fronten. Zürich 2013
Fallstudie zum Zürcher Gentechweizen-Freisetzungsversuch von Christoph Sautter (2004). Der Wissenschaftsjournalist Fisch schreibt aus klarer Pro-Gentech-Warte, aber mit dem Anspruch, «beide Seiten» zu Wort kommen zu lassen (gelesen habe ich sein Buch noch nicht).
Ludwik Fleck: Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache.
Entdeckung des Syphillis-Erregers; siehe oben unter 2.1.
Mike Fortun: Promising Genomics.
Der Fall «deCode Genetics», soziologisch; siehe oben unter 2.2.
Eric E. Johnson: «The Black Hole Case».
Der Umgan mit Risiken am Cern aus juristischer Sicht; siehe oben unter 2.2.
Karin Knorr Cetina: Wissenskulturen.
Labor-Ethnologie aus dem Cern sowie einem molekularbiologischen Forschungslabor; siehe oben unter 2.2.
Philip Sarasin: ‹Anthrax›. Bioterror als Phantasma.
Bioterror-Angst nach 9/11 und der Irakkrieg von 2003; siehe oben unter 2.1.
Dava Sobel: Longitude (deutsch: Längengrad)
Navigation in früher Neuzeit, filmtauglich erzählt; siehe oben unter 2.1.