> Videomitschnitt des Vortrags auf Youtube (50 Minuten)
Vortrag auf Einladung des österreichischen Umweltbundesamts und der Universität für Bodenkultur (BoKu) am 17. März 2016 in Wien in der Reihe «Mut zur Nachhaltigkeit». 2016 ist das Uno-Jahr der Hülsenfrüchte. Auch wenn das kaum jemand wusste: Hülsenfrüchtler (Leguminosen) sind nicht nur für die Ernährung sehr wichtig. Ihr gezielter Anbau – in Europa ab ungefähr 1500, auf anderen Kontinenten teilweise schon sehr viel früher – war eine der ganz großen Innovationen der Menschheitsgeschichte. Und doch ist an der landläufigen Fortschrittsgeschichte der «Agrarrevolution», die durch die gezielten Fruchtfolge mit Leguminosen in Gang kam, vieles schief. Die Rede von den «fortschrittlichen» und den «rückständigen» Anbausysteme verstellt den Blick darauf, dass die Geschichte der (Kultur-) Techniken immer Alternativen kennt und nie geradlinig verläuft.
> Videomitschnitt des Vortrags auf Youtube (50 Minuten) Das Landesmuseum widmet dem Dada-Jubiläum eine viel gelobte Ausstellung. Diese drischt kräftig Phrasen – wo Dada doch gerade auch ein Protest gegen Worthülsen war. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 25. Februar 2016 und «Ausstellungskritik» vom 25. Februar 2016. Verstehen Sie das: «jolifanto bambla ô falli bambla grossiga m’pfa habla horem»? Natürlich nicht: Das ist der Anfang von Hugo Balls Dada-Gedicht «Karawane». Verstehen Sie das: «Hundert Jahre Dada. Der Vergleich zwischen heute und damals zeigt: Krisen und Katastrophen, Technikeuphorie und Allmachtsphantasien führen zu Ekstasen und Radikalisierung»? Das ist ein Text in der Ausstellung «Dada Universal» im Zürcher Landesmuseum. – Verstehen Sie ihn wirklich? «Innovative», «promising», «excellent», «groundbreaking» – was geschieht, wenn sich die Forschung immer stärker an der Privatwirtschaft orientiert, spiegelt sich in einem Sprachgebrauch, der zum PR-Jargon verkommt. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 14. Januar 2016 Man sollte nicht ernst nehmen, wer sagt, er «glaube, dereinst alle Probleme der Welt lösen zu können». Den zitierten Satz hat aber Eric Schmidt im Jahr 2012 geäussert, und Schmidt wird nicht nur ernst genommen: Das Unternehmen, dem Schmidt vorsteht – es heißt Google –, gilt Wirtschafts- wie WissenschaftspolitikerInnen rund um den Erdball als Paradebeispiel eines guten Unternehmens; das Biotop, in dem Machbarkeitsphantasien wie diejenige Schmidts gedeihen – das Silicon Valley –, als nachahmenswerte Erfolgsgeschichte. Die Welt beschliesst, ein Zeitalter zu beenden. Das Abkommen von Paris ist ein riesiges Versprechen – das gilt es nun einzufordern. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Man riskiert ja, überoptimistisch zu sein, wenn man aus der Euphorie heraus schreibt. Und die Euphorie war gross in Paris, nachdem Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius, der Präsident der Uno-Klimakonferenz, am Samstagabend das Abkommen von Paris für beschlossen erklärt hatte. An der anschliessenden Party tanzten spröde Verhandlerinnen ausgelassen mit Politanalysten von Umweltorganisationen.
Die Ziele des Klimaabkommens von Paris sind gut, findet Kevin Anderson vom Tyndall Center for Climate Change Research. Aber kaum jemand sei sich wirklich bewusst, wie schwierig es schon ist, die Ziele zu erreichen – und eine verharmlosende Wissenschaft trage ihren Teil zum Schlamassel bei. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 17. Dezember 2015 Es war im Spätsommer während meiner Recherchen zum Bericht des Weltklimarats IPCC, als ich zwei-, dreimal mit Kevin Anderson mailte. Ich wollte ihn interviewen, doch kam das Interview schliesslich nicht zustande – er war sehr beschäftigt und ich hatte schliesslich auch so genug Material. Dabei hatte er mich neugierig gemacht. Angesprochen auf das IPCC – dem er nicht angehört –, schrieb er mir, er sei ein grosser Fan dieses Gremiums. Um gleich zu relativieren: Das gelte vor allem für dessen naturwissenschaftlichen Aussagen und viel weniger für den Rest. Kevin Anderson ist Professor für Energie und Klimawandel an der Universität Manchester und Vizedirektor des Tyndall Center for Climate Change Research. Er ist nicht nur einer der renommiertesten Klimaforscher; er ist auch einer, der sich deutlicher als andere öffentlich äussert. Am zweitletzten Tag der UN-Klimakonferenz in Paris geben er und vier Kollegen in einem berstend gefüllten Saal des Konferenzgeländes eine Pressekonferenz. Die fünf sind sich einig: Es ist gut, anerkennt die Politik die Notwendigkeit, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen (das sind 0,5 Grad über dem heutigen Niveau), doch der Vertrag bleibt weit dahinter zurück, dies zu gewährleisten.
Ich treffe Kevin Anderson am Tag vor der Pressekonferenz zu einem Kaffee. Ab dem 28. November berichte ich für die WOZ täglich über die Uno-Klimakonferenz COP21 – zunächst von Zürich aus, ab dem 8. Dezember aus dem Konferenzzentrum in Paris. 14.12.2015: Gratisäpfel und Zuludiplomatie. Eine Nachlese 13.12.2015: Deal! 12.12.2015: Endgame 11.12.2015: «Hohe Ambitionen» 10.12.2015: Fast ein bisschen Euphorie 9.12.2015: Furcht erregender Klimawandel 8.12.2015: Protestieren in Zeiten des Ausnahmezustands 7.12.2015: Neoliberales Klimaregime 6.12.2015: Die übersehene Katastrophe 5.12.2015: Nachträge: Lobbying – Freihandel – Loss & Damages – Verhandlungsverlauf – «Privatisierung des Gemeinwohls» – 1 Grad wärmer 4.12.2015: Das Kleine als das wirklich Grosse 3.12.2015: Das Erdölzeitalter ist nicht die Steinzeit – Carbon Inequalities, Bill Gates 2.12.2015: Schon ein Grad wärmer, erst ein Grad wärmer 1.12.2015: Es sind nicht alle lieb & gut 30.11.2015: Alles was Sie wissen müssen 29.11.2015: Je suis Jocelyne 28.11.2015: Das Schweizer Paris-Mandat: Hat da jemand etwas falsch verstanden? Worum geht es in der Klimapolitik? Wie wäre das Problem zu lösen? Ist eine Lösung realistisch? – Alles, was Sie vor dem Klimagipfel in Paris wissen müssen. – «Aargauer Zeitung» vom 26. November 2015 1992 beschlossen die Uno-Mitglieder, eine «gefährliche Störung des Klimasystems» abzuwenden. Seither versuchen sie, diese Absicht in konkrete Politik umzusetzen. Der Pariser Klimagipfel soll im Dezember ein entsprechendes Abkommen aushandeln – nachdem der Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen an dieser Aufgabe scheiterte. Bisher hat die ganze Diplomatie wenig gefruchtet; der Treibhausgas-Ausstoß hat sich in den letzten 23 Jahren nur beschleunigt. Weil das Problem zu komplex ist? Nein: Weil es so entwaffnend einfach ist und die Entscheidungsträger alles tun, um die einfachen Wahrheiten nicht sehen zu müssen. Eine Klärung in acht Antworten. Langsam beginnt die Politik zu entdecken, wie wichtig eine ganz andere Verkehrspolitik gerade angesichts des Klimawandels wäre. Bis das Velo aber über einzelne Städte hinaus als Verkehrsmittel ernst genommen wird, ist es noch ein weiter Weg. – Beitrag zum Klima-Schwerpunkt im Velojournal Nr. 6/2015.
Im Oktober haben die EU-Transportminister eine «Deklaration über das klimafreundliche Radfahren» verabschiedet. (ganzen Artikel als PDF runterladen).
Im Dezember wollen die Uno-Mitglieder in Paris einmal mehr versuchen, die Klimakatastrophe abzuwenden. Eine wichtige Diskussionsgrundlage bietet ihnen dabei der Bericht des Weltklimarats IPCC. Dieser sagt: Das Ziel ist erreichbar – aber nur unter unrealistischen Annahmen. Doch was taugt die Arbeit des hochgleobten Gremiums, wenn es um Lösungen geht? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 8. Oktober 2015 und «Telepolis» vom 28. November 2015. Wenn sich die Uno-Mitglieder im Dezember in Paris treffen, haben sie eine klare Zielvorgabe: Sie sollen ein Abkommen auf den Weg bringen, das geeignet ist, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf 2 oder allenfalls 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das überhaupt noch zu erreichen? Manche meinen nein. Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur, hat die 2-Grad-Grenze als ein «nettes Utopia» bezeichnet (das so nett notabene nicht wäre – schon bei 2 Grad Erwärmung wären viele Folgen verheerend). VW trickst – die Behörden reagieren. Motorradhersteller tun genau das Gleiche – die Behörden tun nichts. – WOZ Die Wochenzeitung vom 1. Oktober 2015 Software, die Prüfsituationen erkennt und dafür sorgt, dass ein Fahrzeug jeden Emissionstest besteht – während es sonst um ein Vielfaches dreckiger ist: Tönt das nach dem Unternehmensskandal des Jahres? Gewiss. Doch was VW mit seinen Dieselautos tat, um Abgasvorschriften zu umgehen, tun auch die Hersteller von Motorrädern, um sich über Lärmgrenzen hinwegzusetzen. Sie geben sich wenig Mühe, ihr Tun zu verheimlichen: Der «Sound» ist ein Werbeargument, und niemand hat sie bisher gebremst.
Im Rahmen einer Recherche (der daraus resultierende Artikel erscheint am 8. Oktober in der WOZ) über das Intergovermental Panel on Climate Change (IPCC) interviewte ich kürzlich Anthony Patt, Professor für Klimaschutz an der ETH Zürich und IPCC-Hauptautor. Tony hat ein sehr viel tieferes Verständnis von technologischem Wandel, als es die meisten seiner IPCC-Autorenkollegen – mehrheitlich (neoklassische) Ökonomen – haben, und in den meisten Punkten waren wir uns einig. Trotzdem entwickelte sich aus dem Interview ein Gespräch, und in einem Punkt habe ich Tony widersprochen.
Kurz später publiziert Tony einen Post auf dem Zukunftsblog der ETH, in dem er auf unser Gespräch zu sprechen kommt – und einer der zentralen Aussagen seines eben publizierten Buchs neu überdenkt. Soll niemand sagen, Wissenschafsjournalisten sollten sich aufs Kolportieren des Wissens der Fachleute beschränken, da allfällige Kritik für die Wissenschaft sowieso irrelevant sei (vgl. hier, Seite 1)! MOBILITY PRICING – Das Bundesamt für Strassen hat eine Anhörung zum Thema Mobility Pricing durchgeführt. Die Linke sieht darin eine verursachergerechte Abgabe, ÖkonomInnen eine marktwirtschaftliche Massnahme. Beides beruht auf einem grundlegenden Missverständnis. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 10. September 2015 / «Infosperber» vom 11. September 2015 Auf den ersten Blick ist es erwartbar langweilig: Das Bundesamt für Strassen (Astra) wollte mit einer Anhörung die Meinungen zum so genannten Mobility Pricing ergründen – also zu einer Steuerung des Verkehrsaufkommens mittels Gebühren. Zur Linken findet man das grundsätzlich gut, auch wenn man es gern griffiger hätte, als es das Astra vorschlägt; der Rechten ist die Vorstellung eines steuernd in den Verkehr eingreifenden Staats ein Gräuel. Das erste «selbstfahrende Auto» auf Schweizer Strassen war ein Medienereignis. Es mache den Strassenverkehr sicherer und ökologischer, hiess es allenthalben. Wirklich? – »Velojournal« Nr. 4 (Juli) / 2015 Nun ist da also, als Schweizer Premiere, eines jener Autos durch Zürichs Strassen gefahren, die allenthalben als das bezeichnet werden, was Auto-Mobile ihrem Namen nach schon lange zu sein vorgeben: selbstfahrend. Dem Telekommunikationsunternehmen, das an der Jungfernfahrt beteiligt war, ist ein PR-Coup gelungen.
ACHTUNG: DIESER TEXT WIRD AUF MOBILGERÄTEN WOMÖGLICH NICHT KORREKT DARGESTELLT! Nüchtern-pragmatisch und grenzenlos optimistisch zugleich, antiromantisch und Wildnis-verliebt, rhetorisch progressiv und völlig apolitisch: Ein «ökomodernistisches Manifest» aus Kalifornien bezirzt mit merkwürdigem intellektuellem Sex-Appeal. – WOZ Die Wochenzeitung vom 9. Juli 2015 Ein im April publiziertes «Ecomodernist Manifesto» aus dem Umfeld des Thinktanks The Breakthrough Institute postuliert, katastrophale Folgen des Klimawandels und anderer Umwelprobleme seien nur durch forcierten technischen Fortschritt abzuwenden. Gelinge das, so könne das Anthropozän – das Zeitalter, in dem der Mensch der bestimmende Umweltfaktor ist – eine bessere Welt bringen.
Eine sehr kalifornische, schöne Idee. Leider sind die meisten zentralen Punkte von Problemanalyse wie Lösungsvorschlägen falsch. – Hier, in Ergänzung zu meinem Artikel in der WOZ, eine Kritik, Punkt für Punkt. Serge Latouche ist der Vordenker der französischen Décroissance-Bewegung, die das Wachstum zurückfahren will. Im Interview mit der Wochenzeitung verrät er, warum er nicht an einen verträglichen Kapitalismus glaubt und weshalb er als Ökonom nicht viel von der Ökonomie hält. – WOZ Die Wochenzeitung vom 9. April 2015. WOZ: Herr Latouche, wenn sich WachstumsbefürworterInnen und -kritikerInnen streiten, überzeugen mich meist beide Seiten – immer dann, wenn sie erklären, wieso ihr Gegenüber irrt: Es leuchtet ein, dass es kein unendliches Wachstum in einer endlichen Welt geben kann. Aber es leuchtet auch ein, dass die Wirtschaft ohne Wachstum nicht funktioniert.
Serge Latouche: Das ist richtig. Wir leben in einer Wachstumsgesellschaft, die auf der Wachstumsökonomie beruht. Und eine Wachstumsgesellschaft ohne Wachstum, das geht tatsächlich nicht. Vielerorts wächst die Wirtschaft heute aber nicht mehr oder kaum mehr. Doch die Politik will das nicht sehen, und so fährt man fort, vom Wachstum zu sprechen, das man wieder ankurbeln müsse, statt eine neue Gesellschaft zu denken. Das wäre ein grosser Sprung – aber er ist unausweichlich. |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
Alle
|