Plötzlich diese Definitionsmacht. Michael Hermann ist Geograf an der Uni Zürich. Er hat mit Kollegen der Universitäten Zürich und Bern die politischen Diagramme und Ratings zur Perfektion entwickelt. Der «Tages-Anzeiger» verwendet sie, die NZZ und «Le Temps» greifen darauf zurück. PolitikerInnen von links bis rechts stellen das Spinnennetz ihres Profils auf ihre Website. Für die «NZZ am Sonntag» erkürt Hermann die liberalsten NationalrätInnen, und im «Magazin» erklärt er, dass es in der Schweiz keinen Rechtsrutsch gegeben hat.
Die Politologie hat die Grafik entdeckt. Doch die beliebten Diagramme sind mit Vorsicht zu geniessen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 6. September 2007 Plötzlich diese Übersicht. Spinnennetzgrafiken zeigen auf einen Blick, wo die Kandidatin steht. Ranglisten zeigen, wer der Liberalste ist. Diagramme zeigen, wie sich die Gewichte im Parlament verschieben.
Plötzlich diese Definitionsmacht. Michael Hermann ist Geograf an der Uni Zürich. Er hat mit Kollegen der Universitäten Zürich und Bern die politischen Diagramme und Ratings zur Perfektion entwickelt. Der «Tages-Anzeiger» verwendet sie, die NZZ und «Le Temps» greifen darauf zurück. PolitikerInnen von links bis rechts stellen das Spinnennetz ihres Profils auf ihre Website. Für die «NZZ am Sonntag» erkürt Hermann die liberalsten NationalrätInnen, und im «Magazin» erklärt er, dass es in der Schweiz keinen Rechtsrutsch gegeben hat. ÖKOLOGISCHE ÖKONOMIE – Es gibt eine Wirtschaftswissenschaft jenseits von Kosten-Nutzen-Analysen und Wachstumsglaube. Sie hat mehr Fragen als Antworten. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. Juni 2007 Leipzig im Juni ist voll von Lindenblütenduft, das Wetter ist prächtig, und das Bach-Festival bietet Erstklassiges. Im Hörsaal des Umweltforschungszentrums fordert eine Referentin: «Wir brauchen eine Kultur der Faulheit.» Die ZuhörerInnen applaudieren, aber statt sich unverzüglich in einem Leipziger Park faul ins Gras zu legen, schwärmen sie zu den nächsten Vorträgen.
Ein neuer Forschungszweig entsteht – die synthetische Biologie. Wie präsentiert sie sich der Öffentlichkeit? Bis jetzt sehr ungeschickt. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. Juni 2007 Vom 24. bis zum 26. Juni traf sich an der ETH die Forschungsgemeinde der synthetischen Biologie zu ihrem dritten internationalen Kongress. Die synthetische Biologie ist ein junger Zweig der Biotechnologie. Sie versucht, Organismen künstlich herzustellen, die beispielsweise als Bioreaktoren Medikamente und andere Stoffe produzieren sollen. WOZ-Redaktor Marcel Hänggi referierte auf Einladung des Forums Genforschung der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) über «Die Wahrnehmung der synthetischen Biologie in der Öffentlichkeit». Wir publizieren einen Auszug aus seinem Referat. Anfang Februar erscheint der erste Teil des neuen IPCC-Berichts, der den Wissensstand der Klimaforschung darlegen will. Wie lösen die ForscherInnen diesen Anspruch auf einem politisch umkämpften Feld ein? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 25. Januar 2007 Am kommenden 2. Februar wird die Weltöffentlichkeit an einer Pressekonferenz in Paris über den aktuellen Stand des Wissens über den Klimawandel informiert. Es lädt ein: die Arbeitsgruppe I des International Panel on Climate Change (IPCC). Das IPCC hat sich die Aufgabe gestellt, periodisch – nunmehr zum vierten Mal seit 1990 – einen Überblick über das Wissen einer gesamten wissenschaftlichen Disziplin zu erstellen. Geht das überhaupt? Lässt sich ein Konsens einer gesamten Disziplin finden, noch dazu auf einem politisch so umstrittenen Feld wie der Klimaforschung? Ist die Konsenssuche der Disziplin nicht abträglich, da nur Dissens die Wissenschaft voranbringt? Das Nationale Forschungsprogramm 59 hätte das Freisetzungs-Moratorium nutzen können, um Risiken zu evaluieren. Aber das war wohl gar nie erwünscht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 23. November 2006 Die Weichen für die offizielle Schweizer Biosicherheitsforschung der nächsten Jahre sind gestellt. Ende Oktober entschied die Leitung des Nationalen Forschungsprogramms 59 «Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59), wer zur Einreichung eines Projektantrags eingeladen wird. Präsident Ernst Hafen will die ETH zur «weltbesten naturwissenschaftlich-technischen Universität» machen. Bis jetzt hat er vor allem seine Untergebenen verärgert. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. September 2006 Gut fünf Wochen nach Erscheinen dieses Portraits in der WOZ trat Ernst Hafen unter Druck der Professorenschaft als Präsident der ETH Zürich zurück. Dieses Portrait war der einzige kritische Text über Ernst Hafen in der Schweizer Presse bis unmittelbar vor Hafens Rücktritt. Der Text wurde 2007 mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet. Von einer angekündigten Revolution soll die Rede sein und von ihrem Revolutionär. Sowie von der dereinst «besten naturwissenschaftlich-technischen Hochschule der Welt». Zuerst aber ein bescheidenerer Superlativ: Die bekannteste Angehörige der ETH Zürich war diesen Winter Daniela Meuli. Die Sportstudentin gewann in Turin olympisches Gold. Ernst Hafen, ETH-Präsident seit dem 1. Dezember 2005, nannte in einer Rede anlässlich der ersten hundert Tage im Amt drei Punkte, die ihm gezeigt hätten, dass seine Schule top sei. Der dritte Punkt war Meulis Gold. «Es liegt in der Natur des Menschen, dass er immer vergleicht, und auch die Unis werden verglichen. So problematisch Ranglisten sein können, sie spielen in der Visibilität der Hochschule eine wichtige Rolle. Der Vergleich mit dem Sport liegt da natürlich auf der Hand.» Ein kleines Forschungsinstitut kämpft gegen die Macht der Agrokonzerne – mit den Waffen der ComputeranarchistInnen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. September 2006 Die Computerwelt kannte von Anfang an Leute, die ihr ambivalent gegenüber standen: begeistert von den Möglichkeiten der Informationstechnologie, aber skeptisch, was ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft angeht. In der Gentechnologie, namentlich der Agrargentechnologie, hingegen sind ambivalente Töne kaum zu hören. Denn diese ist politisch umkämpft, und politische Debatten werden nicht mit «Ja, aber» und «Nein, aber» geführt. Allenfalls hinter vorgehaltener Hand erfährt man, wenn ein Befürworter auch Bedenken hegt, eine Gegnerin auch Chancen sieht.
Da horcht man auf, wenn einer, der vom Segen der Biotechnologie überzeugt ist, den Agrokonzernen an den Karren fährt und sie des «‹Kidnappings› der öffentlichen Wissenschaft» bezichtigt. Gemeint ist die Praxis, Entdeckungen wie etwa Genomsequenzen als «Erfindungen» zu patentieren und als Eigentum zu vermarkten: «Wir sind zutiefst überzeugt, dass die patentgeschützte monopolistische Kontrolle fundamentaler Prozesse des Lebens absolut inakzeptabel ist.» In Syrien versucht ein Internationales Forschungszentrum, die Lebensbedingungen von Menschen in Trockengebieten zu verbessern. Simple Methoden bringen mehr als Hightech. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. September 2006 Griechische Inschriften und Kreuzsymbole zieren die Fassade der Gemeindeverwaltung von Chanasser im Norden Syriens und zeugen von der einst byzantinischen Herrschaft über das Gebiet. Der heutige Bürgermeister ist Tscherkesse. Flüchtlinge aus dem Kaukasus erhielten vor hundert Jahren vom türkischen Sultan die Bewilligung, in Syrien zu siedeln. Dreizehn Tscherkessen, so will es die Sage, kamen nach Chanasser. Zwölf siedelten, der letzte aber sagte voraus, dass das grüne Tal austrocknen werde.
Alle reden von Drittmitteln und Technologietransfer, niemand untersucht die Folgen. Dabei droht der Ausverkauf der unabhängigen, öffentlichen Wissenschaft. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 15. Dezember 2005 Jörg Schüpbach ist Leiter des Nationalen Zentrums für Retroviren (NZR), Jürg Böni sein Stellvertreter. Dieses Institut des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) entwickelte 1992 ein Verfahren namens Pert zum Nachweis unbekannter Viren. Vermarktet wird Pert von der dafür gegründeten Firma TPC-The PERT Company in Wettingen. Die Firma gehört Jörg Schüpbach und Jürg Böni.
Ein kleines Beispiel für gelungenen Technologietransfer. Schüpbach und Böni initiierten die Patentierung des von ihnen erfundenen Verfahrens und kauften dem Bund als Betreiber des NZR das Patent ab, indem sie Entwicklungs- und Patentierungskosten zurückerstatteten. Aber das Beispiel ist nicht unproblematisch: Wenn Schüpbach und Böni das Verfahren in Fachartikeln preisen, sprechen sie dann als Wissenschaftler - oder als Unternehmer, die ihr Produkt verkaufen wollen? Eine kleine Fliege steht im Zentrum des molekularbiologischen Forschungsinteresses. Erkundungen in einer seltsamen Welt. – WOZ Die Wochenzeitung vom 8. September 2005 An die Wände sind Cartoons gepinnt: Fliegen, die wie Menschen miteinander sprechen; Menschen, die von Ausserirdischen als Versuchstierchen gehalten werden. «Willkommen in unserer Fliegenwelt» steht auf der Homepage der Forschungsabteilung. «Mit unserem biologischen Fachwissen im Hintergrund ist das Leben mit der Fliege ungeheuer spannend», sagt ein Wissenschaftler, und er sagt es mit Begeisterung. Rund fünfzehn Jahre zählt sein «Leben mit der Fliege» bislang.
Rezension von Marcia Angell: Der Pharmabluff. Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist, Bonn/Bad Homburg 2005 – Der gewichtigste Angriff auf die Pharmaindustrie erfolgt aus dem Zentrum des medizinischen Establishments heraus. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 30. Juni 2005 Ist «Big Pharma» innovativ? Kaum. Sind neue Medikamente gut? Selten. Sind die Medikamentenpreise gerechtfertigt? Nein. Belügen die Pharmafirmen die KonsumentInnen? Ja. Korrumpiert die 500-Milliarden-Franken-Industrie am Ende gar Politik, Wissenschaft, ÄrztInnen? Und wie. Wenn eine Buchautorin solche Verdikte über eine ganze Branche fällt, muss sie entweder eine durchgeknallte Wirtschaftshasserin sein. Oder es muss mit dieser Branche sehr viel im Argen liegen. Marcia Angell, von deren Buch «Der Pharma-Bluff» hier die Rede ist, ist ganz bestimmt nicht Ersteres, sondern eine der renommiertesten Stimmen im medizinischen Wissenschaftsbetrieb: Sie war jahrelang die Chefredaktorin des «New England Journal of Medicine», der einflussreichsten Wissenschaftszeitschrift der Welt. Wenn ihr Wörter wie «räuberisch» oder «Erpressung» aus der Feder fliessen, so basiert ihr Urteil auf jahrelanger Erfahrung. Das schwierige Wort. Eine Kolumne von Marcel Hänggi in der «WOZ Die Wochenzeitung», 2003 / 2004
Unweit von Genf werden Milliarden verlocht, um exotische Theorien über den Aufbau der Materie zu testen – seit fünfzig Jahren. Eine tolle Sache. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 1. April 2004 Das Forschungszentrum des Cern an der schweizerisch-französischen Grenze bei Meyrin ist ein besonderer Ort. Nicht nur für irdische Verhältnisse. 1995 gelang hier die Herstellung von neun Antiwasserstoffatomen – nach menschlichem Ermessen waren dies die ersten Antiatome, die je im Universum existierten. Ich fragte den pensionierten Cern-Physiker Klaus Bätzner, wie man sich fühle, wenn man etwas schaffe, das nicht einmal Gott geschaffen habe. «Kein Problem», sagte Bätzner: «Wenn man an Gott glaubt, dann hat er Antiatome geschaffen – am Cern, im Jahr 1995.» Sarajevo hat zwei Universitäten, aber keine tauglichen wirtschaftlichen und politischen Strukturen: Wie funktionieren Wissenschaft und universitäre Bildung nach dem Krieg? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 26. Februar 2004 Das Land funktioniert nicht, nicht wirtschaftlich und nicht politisch. Die über weite Strecken mafiose Wirtschaft lässt die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung unbeschäftigt. Nicht nur der Krieg hat die bosnische Ökonomie zerstört, sondern auch der wirtschaftliche Ausverkauf nach einer zu schnellen Privatisierung. Das Dayton-Abkommen von 1995 beendete den Krieg, schuf aber ein Staatsgebilde aus zwei «Entitäten» (der Föderation von Bosnien-Herzegowina und der Serbischen Republik), die neben- statt miteinander existieren. Die Kriegsgewinner teilen sich die Macht, und nach wie vor würden viele katholische BosnierInnen lieber zu Kroatien, viele orthodoxe lieber zu Serbien gehören. Roman Kaiser arbeitet mit dem sinnlichsten aller Sinne. In seinem Kühlschrank lagern mehr als 250 Gerüche. – «Die Weltwoche» vom 21. Dezember 2000: Weihnachtsbeilage zum Thema «Sinn(e)» «Bereits im Januar kann man in Parkanlagen den Duft der Zaubernuss wahrnehmen, speziell Hamamelis virginiana: frisch, stark aldehydig, beinahe wie die Limmat im Frühsommer.» Roman Kaiser, Chemiker in der Abteilung Düfte des Aroma- und Geruchstoffherstellers Givaudan in Dübendorf, versetzt mich in Vorfreude auf das neue Jahr. «Die Schneeglöckchen beginnen zu blühen und verbreiten einen ausgeprägt aromatisch-blumigen Duft, der stark durch Phenylacetaldehyd geprägt ist. Im Wald trifft man den blühenden Seidelbast an und ist vom starken aromatisch-blumigen Duft, der an Narzisse, Gewürznelke und Vanille erinnert, begeistert. Sobald das Thermometer über null steigt, ist der Boden einer der stärksten Duftgeber; es ist das Geosmin, das uns plötzlich den Frühling signalisiert.»
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AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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